Montag, 29. Oktober 2007

Wenn die Toten zu den Lebenden kommen

Wahnsinn und Ekstase in Afro-Indien

vorgetragen von Prof. Dr. Helene Basu

In dem Vortrag von Prof. Dr. Basu, am Montag, 29. Oktober, um 19.30 Uhr im LWL - Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte, geht es darum, wie kulturelle Werte durch Migration von Ostafrika nach Indien übertragen wurden und sich darüber hinaus im Laufe der Zeit weiterentwickelten.

Soziale Beziehungen werden über Generationen auf einer verwandtschaftlichen Basis gefestigt. Ebenso wird die Beziehung zwischen Mensch und Allah - zwischen Jetzt und Ewigem - durch die Vermittler-Funktion der Sidi aufrechterhalten.

Die Sidi im Westen Indiens sind übermittelnde Medien zwischen der Welt der Geister und der Heiligen. Nimmt ein Geist von einem Sidi Besitz, so braucht es die Hilfe der Heiligen, um diesen wieder auszutreiben.

Durch die Sidi wird das Gleichgewicht zwischen Natur und Kultur wiederhergestellt.

Über die Sidi

Die Sidi sind die Nachfahren von Migranten aus Ostafrika. Ihre Siedlungen sind besonders an der Westküste Indiens in Gujarat zu finden. Sie selbst zählen sich zur muslimischen Gemeinschaft, stehen allerdings aufgrund ihrer Armut am Rande der Gesellschaft.

In großen Familien mit oftmals mehr als sechs Kindern leben die Sidi gemeinsam unter einem Dach. Dort wohnen, kochen, essen und schlafen sie zusammen.

Der Fakir

Durch die stetige Bemühung, neue Möglichkeiten des Gelderwerbs aufzutun, haben die Sidi oft mehrere Tätigkeiten. Der Beruf des Fakirs nimmt die Position eines Mittlers zwischen Heiligen und Menschen ein. Dabei gilt es, die heiligen Schreine zu bewachen und besondere Beziehungen zu den Heiligen aufzubauen. Manche Fakire sind auch als bettelnde Musikanten tätig.

Die Heiligen

Die Schreine der Heiligen sind das eigentliche soziale Kapital der Sidi. Sie sind Kennzeichen der Siedlungen, ebenso dienen sie als lokales Zentrum, in denen Kastentreffen stattfinden. Zugleich beherbergen sie stets mehrere Heilige, wie zum Beispiel Bava Gor, Bava Habash und Mai Mishra.

Diese Heiligen stehen in einer verwandtschaftlichen Beziehung zueinander. Sie sind die Mittler zum Übernatürlichen und spiegeln die soziale Struktur der Sidi wider. Diese beruht auf einer verwandtschaftlichen Basis und fördert den Zusammenhalt.

Bessenheit und Trance

Ein wesentlicher Bestandteil der Sidi-Kultur ist der Aspekt der Besessenheit von Geistern. Störungen der Gesundheit, des Wohlbefindens und des Verhaltens sind Merkmale des besessenen Opfers. Besessene sind nicht Herr ihrer Dinge und somit nicht für ihre Handlungen verantwortlich.

Zur Austreibung eines solchen Geistes werden die Schreine der Heiligen benötigt. In der Trance artikuliert der Geist seine Anforderungen, und es beginnt ein Dialog mit den Heiligen.

Die Sidi sind Vermittler im Prozess der Wiederherstellung des Gleichgewichts zwischen Natur und Kultur. Sie sind Medien zwischen der Welt der Geister und der Welt der Heiligen.

Der Eintritt zu dieser Veranstaltung ist frei!