Montag, 12. November 2007

Wenn der Kosmos tanzt

Der Tanz der Götter -
Indische Gottheiten zwischen Ewigkeit und Vergänglichkeit

vorgetragen von Dr. Kulkanti Barboza

Wer bei indischem Tanz nur an die Tanzszenen aus Bollywood-Filmen denkt, der liegt falsch. Der indische Tanz hat eine traditionsreiche Geschichte. Seine Ursprünge reichen bis ins 2. Jahrtausend v. Chr. zurück.

Die Bedeutung des traditionellen indischen Tanzes bharatanatyam ist das Thema des Vortrags von Dr. Kulkanti Barboza am Montag, 12.11.2007. Ab 19:30 Uhr wird sie im LWL - Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte Münster referieren.

Im Anschluss an ihren Vortrag gibt Dr. Kulkanti Barboza mit ihrer Tanzpartnerin, Frau Dr. Radha Anjali aus Wien, eine Vorführung des traditionellen indischen Tanzes.

Die Bedeutung des indischen Tanzes

Der Tanz ist einer Gottheit gewidmet und vollzieht sich als eine heilige Handlung. Es wird ein sakraler Raum geschaffen, bei dem mythische Inhalte der Vergangenheit in die Gegenwart ‚wiedergeholt´ werden.

Der Tanz erzählt eine Geschichte, bei der nahezu jede Muskelbewegung eine eigene Bedeutung trägt. Die Bewegungen der Tänzerinnen sind expressiv und, im Gegensatz beispielsweise zum Ballett, stark erdbezogen. Sowohl Kostüme und Schmuck als auch Schminke sind symbolische Bedeutungsträger.

Auch heute noch bildet dieser Tanz einen festen Bestandteil in zahlreichen Regionen Indiens. Viele junge Tänzer und Tänzerinnen erlernen diesen höchst anspruchsvollen Tanz unter Anleitung eines Gurus. Sie stellen im Tanz die Personifizierung einer Gottheit dar und reichern so das irdische Leben mit kosmischer Potenz an.

Die tanzende Person wird zu einem heiligen Medium, das die Unendlichkeit kosmischer Werte und Aktivitäten auf der endlichen Ebene der Darstellung vergegenwärtigt.

Der religiöse und mythologische Glaube bleibt dadurch sowohl den tanzenden Personen als auch den Zuschauern sehr präsent und wird über Generationen aufrechterhalten.

Zusätzliche Informationen zum indischen Tanz

In Indien gibt es verschiedene klassische Tanzformen, deren Zeugnisse sowohl schriftlich als auch in Form von Bildhauerkunst auf Reliefs und Skulpturen zu finden sind.

Das natyasastra ist einer der bedeutungsvollsten überlieferten Texte, in dem Techniken und Regeln des Tanzes bereits im 2. Jh. n. Chr. festgehalten wurden.

Der Glaube an den Gott siva, als Schöpfer, Erhalter und Zerstörer der Welt durch seinen Tanz stellt dabei ein zentrales Moment dar. Die Technik und Symbolik des Tanzes ist sehr diffizil. So gibt es zum Beispiel 24 Haltungen der Einzelhand oder 36 Hauptblicke. Die Bewegungen sind genau festgelegt und ohne Anleitung nicht zu verstehen. Die Tanzenden verlieren im Tanz ihre Individualität und folgen einem strikten Regelwerk.
Um die einzelnen Gottheiten darzustellen, werden charakteristische Symbole eingesetzt.

Die TempeltänzerInnen

Die ehemaligen Tempeltänzer/-innen (devadasi = "Diener/-in Gottes") stellen eine besondere soziale Gruppe innerhalb der indischen Gesellschaft dar. Da ihre kulturellen Werte über die weibliche Linie tradiert wurden, waren es vor allem Töchter, die das Amt ihrer Mütter fortsetzten.

Idealerweise wurden sie im Alter von sieben Jahren mit einer Tempelgottheit verheiratet, um dann dem Tempeldienst beitreten zu können. Hier wurden sie dann von einem Guru u. a. in Tanz, Gesang und Literatur ausgebildet.

Unter muslimischer und später britischer Herrschaft verlor die Tradition zunehmend an Prestige und kam in den Ruf der Prostitution. In Südindien zog sich der Tanz in Tempel und Familie zurück.

Die devadasi wurden als `heilige Huren´ geächtet und verjagt. In dieser Zeit spielten sie aber eine wichtige Rolle in der Erhaltung und Überlieferung des traditionellen Wissens, auf das Anfang des 20. Jahrhunderts in einer nationalen Revitalisierungsbewegung der klassischen Tänze zurückgegriffen werden konnte.

Seitdem tanzen indische Tänzer/-innen sowohl auf der weltlichen Bühne als auch in heiligen Tempeln, und es liegt an ihnen und an den Betrachtenden gleichermaßen, ob der Körper als Sitz des Göttlichen der Vergegenwärtigung einer kosmischen Ordnung dient oder nicht.

Der Eintritt zu dieser Veranstaltung ist frei!