© KHK EViR/Marla Kaminsky

Greta-Bünichmann-Straße

In den Jahren von 1552 bis 1644 wurden auch in Münster Frauen und Männer als Hexen und Zauberer verfolgt. Der Rat der Stadt verhängte dabei sechs Todesurteile. Das letzte wurde im Jahr 1635 an Greta Bünichmann vollstreckt.

Sie arbeitete als Magd und Haushaltshilfe bei der Familie Grothoff und wurde von ihrem Dienstherrn beim Rat der Stadt der Zauberei bezichtigt, nachdem zwei seiner Pferde aus unerklärlichen Gründen gestorben waren. Zudem habe sein Kind, um das sich Greta Bünichmann ebenfalls kümmerte, eines Tages befremdliche Kratzspuren auf der Stirn getragen. Die Aussage eines Apothekers erweiterte die Verdachtsmomente: Nunmehr war von 29 eingegangenen Pferden die Rede.

Daraufhin wurde Greta Bünichmann verhaftet. Die ursprünglich aus Altenroxel stammende Frau hatte eine Mutter, die bereits als Hexe verbrannt worden war. Im Verhör verneinte sie aber jeden Zusammenhang. Am Tod der Pferde sei der Eigentümer selbst schuld, da seine Kräuteranwendungen den Tieren geschadet hätten. Die Kratzspuren auf der Stirn des Kindes seien ein Unfall gewesen: Weil es schnarchte, habe sie ihm dem Mund zuhalten wollen und es dann im Dunkeln versehentlich gekratzt.

Protokoll über das Verhör von Greta Bünichmann
© Stadtarchiv Münster, B-Acta crim, Nr. KP 6

Auch nachdem sie auf Grund weiterer Zeugenaussagen gefoltert wurde, bestritt sie die Taten. Dann saß sie allerdings einer „arglistigen Täuschung“ auf, wie die Hexenforscherin Sabine Alfing urteilt: Gegenüber der Ehefrau des Scharfrichters legte sie ein Geständnis ab, dass sie auch gegenüber einem Richtherrn und dem Stadtsekretär wiederholte. Das Geständnis umfasste mehr Taten, als ihr bisher zu Last gelegt wurden – insbesondere die Vergiftung eines anderen Kindes aus der Familie Grothoff. Die Ehefrau des Scharfrichters hatte Greta Bünichmann anscheinend zugesagt, sich für sie einzusetzen. Als die Angeklagte feststellte, dass es sich hierbei um eine Lüge handelte, widerrief sie das Geständnis, wurde deshalb aber erneut gefoltert. Unter der Folter behauptete sie letztlich, mehrere Tiere und auch eines der ihr anvertrauten Kinder vergiftet zu haben. Am 23. Juni 1635 verurteilte man sie zum Tode auf den Scheiterhaufen. Eine vorherige Enthauptung begründete der Rat „wegen gespürten Rew und Leidewesens“, also mit ihrer Reue über ihre angeblichen Taten.

Im Jahr 1994 wurde eine Straße in einem Neubaugebiet im Mauritzviertel nach Greta Bünichmann benannt. Zuvor gab es jedoch durchaus scharfe Proteste. Begründet wurde die Ablehnung unter anderem damit, dass Greta Bünichmann immerhin die Vergiftung eines Kindes gestanden habe. Durch die Straßenbenennung sei man „quasi gezwungen“, so ein Anwohner am 31. August 1994 gegenüber den Westfälischen Nachrichten, „eine Kapitalverbrecherin zu verehren“. Auch der Pfarrer an St. Mauritz schrieb zwei Tage später in einem Leserbrief in der Münsterschen Zeitung von „einer mutmaßlichen Kriminellen des Mittelalters“, obgleich die Hinrichtung doch in der Frühen Neuzeit vollstreckt wurde. Historischen Fehleinschätzungen saßen aber auch die Befürworter der Straßenbenennung auf. Die Vorsteherin der zuständigen Bezirksvertretung sprach anfangs von einem Zeichen gegen die „dunklen Zeiten der Kirchengeschichte“ (zitiert nach Münstersche Zeitung vom 12. Januar 1995), obwohl mit dem Rat der Stadt ein weltliches Gericht geurteilt hatte. Die Debatte zog sich bis ins Jahr 1995, es kam gar zu einem Bürgerantrag gegen den neuen Straßennamen, der aber scheiterte. Die zwischenzeitliche Befürchtung der Anwohner, man werde bald von einem „Hexenviertel“ sprechen, hat sich indessen nicht bewahrheitet.

Jan Matthias Hoffrogge

 

Zum Weiterlesen

Sabine Alfing: Hexenjagd und Zaubereiprozesse in Münster. Vom Umgang mit Sündenböcken in den Krisenzeiten des 16. und 17. Jahrhunderts, Münster 1991.