Jakub Urbanik war von September 2022 bis Semptember 2023 Fellow des Kollegs.
Vita
Jakub Urbanik, geboren 1975 in Warschau, ist ein polnischer Rechtshistoriker mit den Forschungsschwerpunkten Rechtsbewusstsein in der Antike und Rechtstradition von Ehe und Familie von der Antike bis zur Neuzeit. Er fokussiert sich dabei insbesondere auf juristische Papyrologie in Verknüpfung mit Elementen der Sozial- und Mentalitätsgeschichte (und in diesem Bereich vor allem auf die Phänomene des Rechtspluralismus und Multinormativismus in der römischen und byzantinischen Antike). Urbanik ist Universitätsprofessor an der Fakultät für Recht und Verwaltung der Universität Warschau, Co-Leiter des Lehrstuhls für Römisches Recht und Recht der Antike, Mitherausgeber des Journal of Juristic Papyrology und korrespondierendes Mitglied des Deutschen Archäologischen Instituts. Er studierte, forschte und lehrte in Neapel, Köln, San Sebastian, Palermo und Zürich. Urbanik versteht sich als juristischer Aktivist und nahm an einer Reihe von strategischen Prozessen mit Schwerpunkt auf LGBTQ*-Rechten teil. Er ist zudem Beiratsvorsitzender des Recht-Schließt-Nicht-Aus-Fonds beim Liebe-Schließt-Nicht-Aus-Verein.
Forschungsprojekt
Rechtsanwendung im römischen Ägypten: Auf dem Weg zur Vereinheitlichung einer Vielfalt
Im Käte Hamburger Kolleg Einheit und Vielfalt im Recht werde ich besondere Aspekte der Rechtsanwendung im römischen Ägypten untersuchen und dabei auch meine Forschungsperspektive auf Probleme der Rechtsanwendung belegen. Im Mittelpunkt steht dabei der sogenannte Gnomon des Idios Logos: Auszüge aus den kaiserlichen Instruktionen über die geltenden Normen, die für den Aufseher des Privatbereichs erlassen wurden. Anhand von diesem Material möchte ich zwei Fallstudien durchführen.
Die eine würde sich auf die Spuren der Senatus consulta im Gnomon konzentrieren. Es kann angenommen werden, dass die senatorischen Beschlüsse, die in der Kaiserzeit zur Quelle allgemeinverbindlicher Rechtsinnovationen wurden, auch in der neu erworbenen Provinz eine vereinheitlichende Rolle für ein reiches Rechtserbe spielen. Der Gnomon zitiert nicht ausdrücklich Senatus consulta, zwar haben mir meine vorläufigen Nachforschungen es ermöglicht, viel mehr zu identifizieren, als in der bisherigen Forschungsliteratur bekannt sind. Gleichzeitig fehlen Belege für einige theoretisch geltende Vorschriften, während gibt es überraschende Beweise für abgeschaffte Normen. Diese Beobachtungen lassen sich auf allgemeinere Überlegungen zur Funktionsweise des Rechts im römischen Ägypten übertragen.
Der zweite Fall sind die Normen bezüglich des ägyptischen Tempelpersonals im Gnomon. Diese Forschung wird meine derzeitige Untersuchung über die Anträge auf Erlaubnis zur Beschneidung von Jungen aus den Priesterfamilien im späteren zweiten Jahrhundert n. Chr. vervollständigen. Der darin angewandte Mechanismus könnte auch als exemplarisch für das Problem der Rechtsanwendung angesehen werden, da die Römer, die den Anträgen stattgaben, tatsächlich das lokale Recht anwandten, das zudem im Widerspruch zu ihrer öffentlichen Ordnung stand.
Beide Fallstudien befassen sich mit der Frage der Standardisierung: wie die neue Behörde mit den lokalen Rechtsordnungen umgeht und wie sie versucht, diese zu systematisieren und zu standardisieren. Sie beschäftigen sich auch mit einer umfassenderen Forschungsfrage: Wie haben die Römer die lokalen Ordnungen tatsächlich angewandt und die Pluralität der Gesetze in Ägypten aufrechterhalten?
Einschlägige Veröffentlichungen
Urbanik, Jakub, Józef inter gentes. On status and law between the centre and periphery, in: The Journal of Juristic Papyrology 49 (2019), 289–345.
Urbanik, Jakub, Husband and wife, in: Du Plessis, P. J./Ando, C./Tuori, K. (Hg.), The Oxford Handbook of Roman law and Society, Oxford 2016, 473–486.
Urbanik, Jakub/Marcisz, Paweł, Juristocracy Rainbow-Tested. The Case of Poland, in: Περιμένοντας τους Bαρβάρους. Law in a Time of Constitutional Crisis. Studies Offered to Mirosław Wyrzykowski, München 2021, 705–742.
Urbanik, Jakub, Dissolubility and Indissolubility of Marriage in the Greek and Roman Tradition, in: Benincasa Z./Urbanik, J., Mater Familias. Scritti romanistici per Maria Zabłocka, JurP Supplement 29, Warsaw 2016, 1039–1068.
Urbanik, Jakub, On the Uselessness of it all: the Roman Law of Marriage and Modern Times, Fundamina 2014, 937–951 (Editio specialis: Meditationes de iure et historia. Essays in honour of Laurens Winkel).
Urbanik, Jakub, Tapia’s Banquet Hall and Eulogios’ Cell. Transfer of Ownership as Security for Debit in Late Antiquity, in: Du Plessis, P. J. (Hg.), New Frontiers: Law and Society in the Roman World, Edinburgh 2013, 151–174.