Exkursion nach Nordgriechenland
Exkursionsbericht
Am 23. Juli 2018 machten sich 11 Studierende zusammen mit Prof. Dr. Achim Lichtenberger und Dr. Sophia Nomicos auf die Reise nach Nordgriechenland in die Region Makedonien, welche als Heimat Philipps II. und dessen Sohn Alexander jedes Archäologenherz höherschlagen lässt. Das Programm sah vor, dass wir in 12 Tagen die wichtigsten archäologische Stätten samt Museen besuchen. Einen ersten Überblick von dem, was uns erwartete, hatten wir bereits in einer vorbereitenden Übung bekommen. Zudem sollte es pro Ausgrabungsstätte einen Themenbeauftragten innerhalb der Gruppe geben, der vor Ort dem Rest der Gruppe die Funde und Monumente jener Stätte näherbringen sollte.
Unser erstes Quartier bezogen wir in Thessaloniki, der zweitgrößten Stadt Griechenlands und Hauptstadt der griechischen Region Makedonien. Hier haben wir vor allem Bauwerke aus römischer Zeit bewundern können, wie beispielsweise den Palastkomplex des Kaisers Galerius, zu dem neben der Rotunde, deren Mosaike zu den ältesten des christlichen Osten gehören, auch die sogenannte „Kamara“, ein spätrömischer Triumphbogen zu Ehren des Kaisers, gehört. Zudem widmeten wir uns der Erkundung der Agora und der Besichtigung des Archäologischen Museums der Stadt, welches neben makedonischem Goldschmuck, archaischen und römischen Skulpturen und Tempelfragmenten auch eine beeindruckende Sammlung an Sarkophagen zu bieten hatte. Einige Exkursionsteilnehmer besichtigten danach noch das Museum für Byzantinische Kultur.
Da der Missionar Paulus bereits um 50 n. Chr. in Thessaloniki eine christliche Gemeinde gründete und die Stadt damit eine lange christliche Tradition vorweisen kann, standen für uns am nächsten Tag die bedeutendsten städtischen Kirchen auf dem Plan. In der Hagios-Demetrios-Basilika, die dem gleichnamigen Märtyrer und Stadtpatron geweiht ist, bestaunten wir frühbyzantinische Mosaike und die Krypta. In der Hagia Sophia haben wir neben der Besichtigung der Mosaiken aus dem 8. und 9. Jh. auch den Gesängen des Kirchenchors gelauscht. Auch ein Besuch in Karabournaki, einem Gemeindebezirk der Stadt, stand an. Dort finden sich Überreste einer alten Siedlung auf einem niedrigen Hügel. Die Aristoteles-Universität Thessaloniki führt hier seit 1994 die archäologische Forschung durch. Die Projektleiterin Prof. Eleni Manakidou hat uns sehr freundlich empfangen und uns durch das Grabungshaus geführt, wobei wir anderen Studenten bei der Klassifizierung, Dokumentation und beim Zusammensetzen von Keramikfragmenten zusehen durften. Begeistert von dieser Erfahrung ließen wir unseren zweiten Tag mit einer Wanderung an der antiken Stadtmauer entlang ausklingen.
Nach unserer Zeit in Thessaloniki machten wir uns mit einem Kleinbus über Edessa, Lefkadia, Agios Athanasios und Miёza auf den Weg nach Veria, wo wir einige Nächte bleiben und von dort aus Tagesausflüge unternehmen würden. Ab diesem Zeitpunkt wurden wir von Pantelis Efthymiadis begleitet, der gebürtig aus Veria stammt und Inhaber einer Reiseagentur in Köln ist. Pantelis hat unsere Reise im Voraus geplant und stand uns während dieser mit Rat und Tat zur Seite. Er zeigte uns dabei nicht nur die besten Restaurants der jeweiligen Städte, sondern brachte uns auch immer wieder mit seiner humorvollen Art zum Lachen.
Somit machten wir unseren ersten Stopp in Edessa. Die Stadt gilt als erste Hauptstadt des Königreichs Makedonien. Nachdem wir die Überreste der antiken Stadt besichtigt hatten, wurden wir jedoch von einem starken Regenschauer überrascht. Daher mussten wir unseren Besuch leider vorzeitig abbrechen und machten uns stattdessen auf den Weg nach Lefkadia und Agios Athanasios, um uns dort einige Beispiele der Makedonischen Kammergräber anzusehen. Vor Ort besprachen wir deren Bau- und Gestaltungsweisen und waren begeistert davon, wie gut sich die Bemalungen erhalten haben. Danach brachen wir nach Miёza auf, wo wir uns eben jenes Nymphaion ansahen, in dem Aristoteles selbst auch Alexander den Großen unterrichtet haben soll und besichtigten nach unserer Ankunft in Veria das Archäologische Museum der Stadt.
Am nächsten Tag stand Dion auf dem Programm. Hier bekamen wir wieder die Möglichkeit, Archäologen direkt bei der Arbeit im Feld zu beobachten. Die Grabungsleiterin Semeli Pingiatoglou führte uns durch die verschiedenen Schnitte und informierte uns über den aktuellen Stand der Ausgrabungen. Nachdem wir zudem das große Areal mit seinen Heiligtümern, die unter anderem Demeter, Isis und Zeus gewidmet sind, besichtigt und die antike Stadtmauer mit Relief-Darstellungen von makedonischen Schilden bewundert haben, konnten wir im angrenzenden Museum die Funde hautnah erleben. Nach dem Besuch von Dion stand des Weiteren eine Olympwanderung an.
Ein weiterer Ausflug führte uns nach Pella. Die Stadt gilt als Geburtsstadt Alexanders und war zu eben dieser Zeit die Hauptstadt Makedoniens. Auf dem Weg durch das Gelände versuchten wir, verschiedene Werkstätten im Areal zu verorten. Ein Highlight stellten vor allem die seltenen Kieselmosaike dar, die aus der Blütezeit der Stadt im 4. Jh. v. Chr. stammen.
Auch Aiani statteten wir einen Besuch ab, wo unter anderem die ältesten Stücke mattierter schwarz-weißer Keramik gefunden wurden (15./14. Jh. v. Chr.).
Unser letzter Tagesauflug von Veria aus führte uns dann nach Vergina. Diese Stadt ist vermutlich identisch mit der antiken Stadt Aigai, in der laut der antiken literarischen Überlieferung Philipp II. ermordet worden sein soll. Hier hatten wir erneut die Möglichkeit, Archäologen der Universität Thessaloniki bei der Fundbearbeitung zuzusehen. In diesem Fall wurde Keramik gewaschen und wir von der Archäologin Chrysanthi Kallini herumgeführt und in die Darstellungsformen und Verarbeitung von Keramik eingeführt. Im Museum, welches unterirdisch in einem Tumulus angelegt ist, sind primär die Überreste makedonischer Kammergräber und deren Grabbeigaben ausgestellt. Eines der Gräber bringt man aufgrund der besonders prunkvollen und zahlreichen Grabbeigaben und der Untersuchung des Skeletts mit Philipp II. in Verbindung.
Am darauf folgenden Tag auf dem Weg von Veria nach Kavala wollten wir uns gerne Olynth ansehen, welches vor allem für seine Siedlungsstrukturen und Wohnhaustypten bekannt ist. Als wir den Hügel zur Siedlung hinaufstiegen, überraschte uns jedoch wieder starker Regen. Die Eigenschaften einer jeden Architekturform und die Frage, inwieweit man anhand von Bauanordnungen Staatsformen nachvollziehen kann, mussten wir dann im Bus besprechen. Zum Glück hatte sich der Himmel, als wir in Stageira ankamen, wieder aufgeklart. Die Stadt gilt als Geburtsstadt von Aristoteles. Nach der Besichtigung machten wir uns auf den Weg nach Kavala, wo wir unsere letzten zwei Nächte verbringen sollten. Pantelis sang uns während der Busfahrt noch einige griechische Klassiker und einige von uns bewunderten am Abend noch das römische Aquädukt der Stadt.
Am darauf folgenden Tag statteten wir nach einer Besichtigung des Museums in Kavala der Insel Thasos einen Besuch ab. Die dort ansässigen Grabungen werden hauptsächlich durch die École française d’Athènes durchgeführt, die unter anderem Funde ans Licht gebracht haben, die bis in das Jungpaläolithikum zurückgehen. Im Archäologischen Museum der Insel konnten für Funde von der örtlichen Agora bestaunen, die wir uns neben der Akropolis natürlich ebenfalls anschauten.
An unserem letzten Tag bekamen wir dann noch einmal zwei absolute Highlight geboten, denn auf dem Tagesprogramm standen Philippi und Amphipolis. Erstgenannte Stadt wurde nach Philipp II. benannt und ist insbesondere durch die Schlacht im römischen Bürgerkrieg 42 n. Chr. bekannt. Die Überreste der regen Bautätigkeit im 2. Jh. n. Chr. konnten wir hier zuhauf bewundern. Insgesamt gab es auf dem riesigen Areal von Felsheiligtümern bis hin zu christlichen Bauten und dem sogenannten „Gefängnis des Paulus“ so viel zu sehen, dass die Schildkröten, die unseren Weg kreuzten, teilweise schneller vorankamen als wir selbst. In Philippi stießen wir auch auf eines der Highlights unsere Exkursion. In einem freigelegten Mauerstein konnten wir den Fußabdruck eines Kleinkindes ausmachen, das wohl beim Bau der Mauer in den noch nassen Mörtel getreten war. Danach machten wir noch einen Stopp in Amphipolis. Kassander ließ hier in der Zeit der Diadochenkriege Alexander IV., den Sohn und legitimen Thronfolger Alexanders des Großen, und dessen Mutter Roxane ermorden, womit das makedonische Herrschergeschlecht der Argeaden endete. Wir besichtigten neben dem Museum die Stadtmauer, hellenistische Häuser mit hervorragend erhaltenen Wandmalereien, die Reste eines Gymnasions und den „Löwen von Amphipolis“, ein 8 m hohes Grabmonument. Zudem konnten wir Überreste einer antiken Brückenkonstruktion bewundern. Diese umfassen fast hundert 1,50 m hohe hölzerne Pfeiler, die möglicherweise schon in der Mitte des 6. Jhs. v. Chr. gestanden haben könnten. Dieser Fund versetzte uns alle in Erstaunen, da Überreste aus Holz gerade in diesem Ausmaß aufgrund der Verwitterung des Materials unglaublich selten sind.
Erschöpft, aber glücklich über die neuen Erfahrungen kehrten wir nach Thessaloniki zurück, wo wir bereits sehr früh am nächsten Morgen unseren Rückflug nach Düsseldorf antraten. Insgesamt übte insbesondere die Vielfalt der archäologischen Stätten einen besonderen Reiz aus. Bei ihrer Erkundung stellten wir fest, dass es oft einen deutlichen Unterschied zwischen Steinplänen, Rekonstruktionen und Erhaltungszustand gibt. So waren von manchen Bauten nur noch die Fundamente erhalten und ohne Steinpläne nur schwer zu deuten gewesen, während andere wiederum nahezu vollständig rekonstruiert, aber teilweise falsch wiedergegeben waren. Insgesamt waren wir uns aber bereits nach dem ersten Tag einig, dass wir diese Eindrücke niemals aus der Literatur oder von Abbildungen allein hätten gewinnen können. Bauwerke und Artefakte stehen auf einmal real vor einem. Und natürlich ist es schlichtweg ein atemberaubender Moment, zum ersten Mal im Theater von Aigai, in der Schule des Aristoteles, am Grab Philipps II. oder in Pella an der Geburtsstätte Alexanders zu stehen.
Zum Abschluss des Berichts und an dieser Stelle sei vor allem Prof. Dr. Achim Lichtenberger, Dr. Sophia Nomicos, Pantelis Efthymiadis und allen Grabungsteams der Aristoteles-Universität Thessaloniki gedankt, die unsere Exkursion zu einem ganz besonderen Erlebnis gemacht haben!
Deike Terhorst