Arabisch-osmanische Übersetzungen von Werken der Koranexegese (tafsīr) als Ausdruck des innerislamischen Wissenstransfers im östlichen Mittelmeerraum zwischen 1400–1750
Homepage: Projektseite (Exzellenzcluster)
Projektleitung: Prof. Dr. Philip Bockholt
Wissenschaftliche Mitarbeit: Dr. Ahmet Aytep
Das Forschungsprojekt behandelt arabisch-osmanische Übersetzungen von Werken der Koranexegese (arab. tafsīr). Als eine der wichtigsten religiösen Gattungen in der islamischen Kultur wurden arabische und persische tafsīr-Werke mehrfach ins osmanische Türkisch übersetzt und fanden weite Verbreitung in der islamischen Welt. Ziel des Forschungsprojekts ist es, herauszufinden, wie tafsīr-Übersetzungen als Vehikel der Vernakularisierung bei der Vermittlung religiösen Wissens fungierten und welche Rolle sie bei der Herausbildung und Festigung der osmanischen Mentalität und Identität spielten.
Durch die Kombination von Ansätzen aus der Nahostforschung, der Übersetzungswissenschaft und der Handschriftenkunde wird das Projekt unterschiedliche Facetten von tafsīr-Übersetzungen in den Blick nehmen. Erstens steht "Übersetzung" als konzeptioneller Rahmen im Mittelpunkt, indem verschiedene Übersetzungsansätze und Terminologien, die in diesen Texten verwendet werden, analysiert werden. Zweitens wird Übersetzung als dynamischer Prozess untersucht, wobei der Schwerpunkt auf der komplexen Beziehung zwischen dem Originaltext und der/den Übersetzung(en) liegt. Es wird untersucht, ob die Struktur und der Inhalt beibehalten werden oder ob Änderungen wie Anpassungen oder Manipulationen vorkommen. Ebenso wird beleuchtet, ob es wiederkehrende Muster gibt, die mit bestimmten Regionen und Epochen verbunden sind. Drittens werden Übersetzung(en) als Produkt analysiert, wobei die Rollen und die Beteiligung der verschiedenen Akteure an der Übersetzung und Übermittlung dieser Texte im Zentrum stehen.
Neben einem philologischen Ansatz wird das Projekt auch einen besonderen Schwerpunkt auf die systematische Auswertung paratextueller Elemente wie Kolophone, Lesevermerke, Besitzvermerke und Stempel sowie visuelle Merkmale wie die Layoutstruktur legen. Jede Handschrift wird als eigenständiges Artefakt betrachtet und philologisch, historisch und prosopographisch kontextualisiert. Die umfassende und vergleichende Auswertung von Handschriften ausgewählter Texte wird Aufschluss über den soziokulturellen Status der Akteure, literarisch-kulturelle Trends und die Dynamik der Leserschaft sowie zu Buchproduktion und Lesekultur im Osmanischen Reich geben.