24. Juni 2021
Digitale Podiumsdiskussion: What's in a Name?

Zusammenfassung

Zu Beginn der Podiumsdiskussion berichtet Professor Johannes Wessels, Rektor der WWU, dass die aktuelle Debatte nicht die erste solche Diskussion in Münster ist. Mit dem Projekt „Zur Sache WWU“ greift die Universität einen Impuls auf, den die Studierenden in den Senat eingebracht haben. Der Senat ist das oberste Leitungsgremium der WWU, in dem alle Statusgruppen der Universität (Studierende, Lehrende, Mitarbeiter*innen) vertreten sind und dessen Mitglieder regelmäßig demokratisch gewählt werden. Zur Beantwortung der Frage nach einem zeitgemäßen Umgang mit dem Namensgeber der Universität Münster setzte der Senat eine Arbeitsgruppe ein. Diese erarbeitete ein Konzept, das jetzt vom Rektorat umgesetzt wird. Die jetzt beginnende Diskussionsreihe ist eine von verschiedenen empfohlenen Maßnahmen. Herr Wessels betont, dass der Ausgang der Debatte noch völlig offen sei.

Einen ganz ähnlichen Prozess erlebte die Universität Greifswald seit 2009. Professorin Johanna Weber hat diesen Prozess moderiert, zunächst als einfaches Senatsmitglied, später als Rektorin der Universität. 1933 hatten nationalsozialistisch gesinnte Gruppen den Namen Ernst Moritz Arndt für die Universität Greifswald durchgesetzt. 1945 abgelegt, wurde diese Benennung 1954 durch die SED wieder aufgegriffen. Die Debatte 2009 um eine Ablegung des Namenszusatzes wurde zunächst sehr sachlich geführt, als sie 2016 in eine neue Phase eintrat jedoch politisch instrumentalisiert und von Hassbotschaften und anonymen Drohungen begleitet. 2018 entschied der Senat mit großer Mehrheit, den Namenszusatz abzulegen – Ernst Moritz Arndt ist aber weiterhin als Teil der Universitätsgeschichte auf dem Campus präsent. Bemerkenswert erschien Frau Weber, dass mit dem Moment der Entscheidung das Thema nicht mehr weiter diskutiert wurde.

Der Wissenschaftshistoriker Professor Mitchell Ash, ehemals Universität Wien, ergänzte diesen Bericht durch einen historischen Überblick, den er mit der These begann, es gebe für Universitäten keinen Zwang, einen Namen zu führen. Wenn sie den Namen einer historischen Person führen, könne dies finanzielle oder politische Gründe haben. Für Münster vermutet er, ging es allerdings darum die Bedeutung des Standorts zu steigern und sich der Obrigkeit anzudienen. Universitätsnamen seien also im zeitlichen Kontext ihrer Benennung zu betrachten, wobei er häufig beobachtet habe, dass die Namensgebung im Dienst frei konstruierter Traditionen stehe.

Aus wirtschaftswissenschaftlicher Perspektive betont Professor Christoph Burmann, Universität Bremen, dass Universitäten gegenüber klassischen Unternehmen den Vorteil haben, dass die Kombination aus dem Begriff „Universität“ und dem Ortsnamen sowohl eindeutig benennt, um welche Art von Unternehmen es sich handelt, als auch dieses auf einer inneren Landkarte konkret verortet. Daher müsse eine neugegründete Universität keine Kampagne zur Markeneinführung finanzieren. Für die internationale Wahrnehmung sei ein zusätzlicher Name von untergeordneter Bedeutung. Wichtig sei allerdings bei einer Namensdebatte, dass Mitarbeiter*innen und Studierende genauso mitgenommen werden, wie die breite Öffentlichkeit.

Als Mitherausgeber der FAZ und Mitglied des WWU-Hochschulrats verfolgt Jürgen Kaube die Namensdebatten und Denkmalstürze der jüngsten Zeit aus Sicht des Medienprofis. Er führte aus, dass einerseits natürlich Kolonialverbrecher nicht durch Straßennahmen geehrt werden sollten, andererseits habe er angesichts der Energie, die auch in die kleinsten Themen investiert werde, den Eindruck, dass es oft genug um die Diskussion an sich, die Lust am Streit gehe. Auffallend sei, dass solche Diskussionen nur von einigen Wenigen geführt werden, die Gesamtheit der Betroffenen bleibe außen vor. An die Ausführungen an Frau Weber anschließend, bestätigt er den Eindruck, dass bei solchen Streitigkeiten oft etwas Anderes verhandelt werde, als der eigentliche Streitgegenstand. Bezogen auf die Universität habe der der Namensstreit nur symbolischen Charakter, da der Name keinen Bezug zu Forschung und Lehre habe.

Während der Diskussion wurden Fragen der Zuschauer*innen gesammelt und moderiert in das Podium eingebracht. Gegen Ende haben auch einige Zuschauer von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, ihre Fragen direkt zu stellen. Die Fragen zeigten ein großes und differenziertes Interesse am Thema. Alle Fragen und Hinweise wurden gesammelt und werden bei der weiteren Projektplanung berücksichtigt.

Diskutant*innen:
Johanna Weber, Rektorin a.D. der Universität Greifswald, Professorin für Psychologie
Christoph Burmann, Professor für Innovatives Markenmanagement und Marketing, Universität Bremen
Jürgen Kaube, Mitherausgeber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung
Mitchell G. Ash, Wissenschaftshistoriker, Professor em. für Geschichte der Neuzeit, Universität Wien
Johannes Wessels, Rektor der WWU Münster, Professor für Kernphysik

Moderation:
Kathrin Kottke, Stabsstelle Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit
Eckhard Kluth, Zentrale Kustodie & Projektleiter

Hintergrund-Team:
Kathrin Schulte, Mitarbeiterin im Projekts
Dominic Eickhoff, SHK im Projekt