Januar 1929: Der Senat der Universität Münster berät über die bevorstehende Satzungsänderung.
Protokoll der Senatssitzung vom 12. Januar 1929
Quellennachweis: Universitätsarchiv Münster, Bestand 4, Nr. 24.Quelle
Über den Verlauf und die Ergebnisse der Sitzungen des Senats der Universität Münster geben Protokolle Auskunft, die in einer Serie von Protokollbüchern handschriftlich eingetragen wurden. Diese Aufzeichnungen sind oft sehr knapp formuliert, geben jedoch Auskunft über den Inhalt der Sitzungen und halten die getroffenen Entscheidungen fest.
Transkription der betreffenden Textstelle
"(…)
1. Neue Universitätssatzungen
- bevorstehende Beratung – Berlin am 21. M. –
Verlesung des ministeriell. Schreibens vom 13. XII. 28§ 1 Wegfall unseres bisher. Namens, gegen die wir
versuchen wollen vorzugehen.
(…)"Kommentar
Im Protokoll der Senatssitzung am 12. Januar 1929 wird unter Tagesordnungspunkt 1 über die bevorstehende Satzungsänderung beraten. Die Ergebnisse sollen Grundlage für eine Beratung in Berlin am 21. Januar sein.
Bereit am 13. Dezember 1928 hatte das zuständige preußische Ministerium für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung einen Satzungsentwurf nach Münster geschickt. Alle Paragraphen des Entwurfs wurden in der Sitzung einzeln vorgelesen und Änderungswünsche des Senats im Protokoll, meist in Anführungszeichen, notiert.
Ein großer Teil der gewünschten Änderungen wurde im Text der Satzung nicht umgesetzt.
1929: Laut Satzung lautet offizielle Name der Universität "Universität Münster", der Name "Westfälische Wilhelms-Universität" darf weiterhin geführt werden.
1929: Der in der neuen Satzung der Universität festgelegte Name lautet "Universität Münster"
Umschlag der WWU-Satzung von 1929
Quellennachweis: Universitätsarchiv Münster, BibliothekTranskription
"Westfälische Wilhelms-Universität
zu MünsterSatzung
vom 26. April 1929Druck von C. J. Fahle GmbH, Münster in Westfalen"
Kommentar
Die Endfassung der vom Ministerium erlassenen Satzung wurde auf verschiedenen Wegen verbreitet. Rechtsgültig wurde sie durch die Publikation im „Zentralblatt für die gesamte Unterrichtsverwaltung in Preußen“, wo sie unter Nummer 312 in Heft 14 des Jahrgangs 1929 als „Satzung der Universität Münster“ veröffentlicht wurde.
Ebenfalls 1929 erhielt die Münsteraner Druckerei Fahle den Auftrag zum Druck der neuen Universitätssatzung. Während der Text dem Wortlaut des Zentralblatts genau folgt, steht auf dem Umschlag dieses Drucks der traditionelle Universitätsname „Westfälische Wilhelms-Universität zu Münster.“
Textbeginn der WWU-Satzung von 1929
Quellennachweis: Universitätsarchiv Münster, BibliothekTranskription der betreffenden Textstelle
"Satzung
der Universität Münster
Auf Grund der §§ 67 ff., Teil II, Tit. 12 des Allgemeinen
Landrechts und des Beschlusses des Staatsministeriums vom
20. März 1928 – StMJ. 8071 – verleihe ich der Universität
Münster folgende Satzung.I. Die Universität im allgemeinen.
§ 1
Die Universität Münster hat die Aufgabe, in innerer Ver-
bundenheit mit den lebendigen Kräften der westfälischen Heimat
die Wissenschaft durch Forschung und Lehre zu fördern. (…)"Kommentar
Die erste inhaltliche Seite des Münsteraner Drucks beginnt, wie der Text im Zentralblatt, mit den Worten „Satzung der Universität Münster. Auch im weiteren Satzungstext kommt der traditionelle Name „Westfälische Wilhelms-Universität“ nicht vor. In der Literatur zum Namen der WWU Münster findet sich die These, die Universität habe den Namen Westfälische Wilhelms-Universität gegen den Willen des preußischen Ministeriums weiterhin getragen.
Bereits 1923 hatte das Ministerium in Berlin die Verhandlungen zu einer umfassenden Reform der preußischen Universitäts- und Hochschulverfassungen begonnen. Das Ergebnis ist eine ganze Kette von neuen Satzungen, die ab 1928 erlassen wurden. Den Anfang machte die Christian-Albrechts-Universität zu Kiel. Nach Münster als zweiter Universität folgten unter anderem die Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, die Philipps-Universität Marburg und die Albertus-Universität Königsberg. Keine dieser Verfassungen nennt den traditionellen Hochschulnamen, es ist also davon auszugehen, dass das preußische Ministerium nicht nur die Satzungen der Universitäten vereinheitlichen wollte, sondern auch deren Namen.
Auch in den Satzungen anderer preußischer Universitäten entfallen die Traditionsnamen. Die Rektoren der Universitäten Kiel und Königsberg thematisieren dies in verschiedenen Schreiben.
Brief des Rektors der Christian Albrechts Universität an das Wissenschaftsministerium in Berlin in Sachen Satzungsänderung 1928
Quellennachweis: Landesarchiv Schleswig-Holstein, Kiel, Abt. 47, Nr. 1529, Blatt 154.
(Da das Archiv für eine Online-Publikation des Quellenoriginals Gebühren erhebt, verzichten wir darauf, hier das Original zu zeigen. Eine Bilddatei der Quelle liegt uns vor.)Transkription
"Der Rektor der Universität Kiel, den 2. Januar 1929
Hochverehrter Herr Ministerialdirektor!
Als getreuer Ekkehard halte ich mich für verpflichtet,
darauf hinzuweisen, daß beim Erlaß der Universitätsstatuten
nichts so böses Blut machen wird, wie die Beseitigung des alt-
ehrwürdigen Namen. Ich bedaure, daß die Absicht, den Namen
„Christian-Albrechts-Universität“ in der Satzung nicht zu er-
wähnen, uns hier bei der Durchsicht der Entwürfe entgangen
ist. Hätte der Entwurf ein Titelblatt gehabt, so wären wir
wohl darauf gestoßen. Auch in Kiel ist man betroffen über die-
sen Schlag gegen die alte Überlieferung. Vor allem aber wer-
den Universitäten, die nach uns die neue Satzung erhalten,
bei Besprechung ihrer Entwürfe diesen Punkt nicht als neben-
sächlich behandeln, zum mindesten nicht, wenn es sich um Namen
handelt, denen die Patina der Zeit anhaftet. Da nichts so er-
bitternd wirkt wie eine Mißachtung der Symbole eines Gemein-
wesens, so rate ich dringend, in diesem Punkte den einmal be-
tretenen Weg nicht weiter zu gehen.
Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie das Vorstehende dem
Herrn Minister persönlich vortrügen und ihn daran erinnerten,
was er in der Aula unserer Universität als Staatssekretär im
Beisein von Haenisch über das Verhängnisvolle des
Flaggenwechsels gesagt hat. Zugleich möchte ich bitten, auch
unsere Satzungen in dem Sinne zu ändern, daß wenigstens auf
dem Titelblatt das Wort „Christian-Albrechts-Universi-
tät“ vorkommt. Mit einer bloßen Duldung des alten Namens
sind unsere Wünsche nicht erfüllt.
Mit dem Ausdrucke aufrichtiger Hochachtung
Ihr stets ergebener (Unterschrift)"Kommentar
Was sich für Münster bisher nicht nachweisen ließ, zeigt der hier zitierte Brief des Rektors der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel. Kiel hatte als erste der preußischen Hochschulen die neue Verfassung erhalten, abgedruckt im „Zentralblatt“ Heft 5, Jahrgang 1929. Auch diese Satzung beginnt mit den Worten „Satzung der Universität Kiel“.
Auf diese Tatsache bezieht sich der Rektor in seinem Schreiben, in dem er den Anschein erweckt, der Wegfall des vollständigen Namens sei in Kiel zunächst übersehen worden. Außerdem betont er die traditionsstiftende Bedeutung von Universitätsnamen, auch in der Stadt.
Er schließt sein Schreiben mit der Forderung, den traditionellen Namen weiter führen zu dürfen, auch auf dem Titelblatt der Satzung.
Antwort des Ministeriums an den Kieler Rektor vom 28. Januar 1929
Quellennachweis: LASH Abt. 47, Nr. 1529, Blatt 201.(Da das Archiv für eine Online-Publikation des Quellenoriginals Gebühren erhebt, verzichten wir darauf, hier das Original zu zeigen. Eine Bilddatei der Quelle liegt uns vor.)Transkription
Abschrift.
Ministerium für
Wissenschaft, Kunst und VolksbildungBerlin W8, den 28. Januar 1929
Unter den Linden 4
- Postfach -Sehr verehrte Magnifizenz!
Auf Ihr gefälliges Schreiben vom 2. Januar 1929 – Nr.
1363 – erwidere ich ergebenst, daß gegen die Führung des Na-
mens „Christian-Albrechts-Unviersität“ seitens des Herrn Mi-
nisters Bedenken nicht erhoben worden sind.
Da eine Änderung der Satzung unmittelbar nach ihrer Ver-
leihung nicht möglich ist, so stelle ich anheim, amtlich um die
Fortführung des alten Siegels, das den Namen Christian Albrechts
trägt, einzukommen. Ich darf Genehmigung dieses Antrags in
Aussicht stellen.Mit besten Empfehlungen
Ihr sehr ergebener
gez. Richter
Ministerialdirektor.Vfg.
Zur Senatssitzung
Kiel, den 23. Februar 1929
Der Rektor der Universität
gez. JellinekKommentar
Aus der Antwort des Ministerialdirektors lässt sich schließen, dass es das Ministerium für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung nicht zu einem Streit um die traditionellen Universitätsnamen kommen lassen wollte.
Zwar wird darauf beharrt, dass die Satzung in ihrer publizierten Form Bestand hat, zugleich wird aber in Aussicht gestellt, dass ein Antrag auf Fortführung des Siegels genehmigt und es gegen die Weiterverwendung des traditionellen Namens keinen Wiederstand geben werde.
In dem Aktenband in dem dieser Briefwechsel erhalten ist, ist auch ein Exemplar der am 17. November 1929 in Kiel gedruckten Fassung der Kieler Satzung eingebunden. Das Titelblatt führt – im Layout fast identisch zum Münsteraner Druck der WWU-Verfassung – den traditionellen Namen „Christian-Albrecht-Universität zu Kiel“.
Juni 1930: Schriftwechsel zwischen den Rektorn der Universität Münster und der Universität Königsberg bzgl. der Weiterführung der Traditionsnamen
Schreiben des Rektors der Albertus-Universität Königsberg an den Rektor der WWU Münster vom 11. Juni 1930
Quellennachweis: Universitätsarchiv Münster, Bestand 4, Nr. 6.Transkription
"Der Rektor der Albertus-Universität
Königsberg i. Pr., den 11. Juni 1930Euer Magnifizenz!
In der mir vorliegenden, vom Herrn Minister genehmigten
neuen Satzung Ihrer Universität (Weidmannsche Taschenausgabe)
ist die alte Bezeichnung „Westfälische Wilhelms“-Universität
fortgefallen. Es heißt darin: „Satzung der Universität zu
Münster“.
Ich erlaube mir die ergebene Anfrage, ob die alte ehr=
würdige Bezeichnung „Westfälische Wilhelms“-Universität fortan
überhaupt zu existieren aufgehört hat bzw. inwieweit sich
dieser Fortfall auch in Bezug auf das Dienstsiegel, Briefkopf
usw. erstreckt. Ist das Dienstsiegel entsprechend geändert wor-
den, sodass anstatt des alten Wappens der preussische Adler
in der Mitte erscheint?
Diese Anfrage erfolgt im Hinblick darauf, dass in näch-
ster Zeit die Genehmigung der Satzung durch das Staatsmini=
sterium auch für die hiesige Universität zu erwarten ist und
der Senat eventuell vorher beim Ministerium Schritte zu unter-
nehmen gedenkt, um die altehrwürdige Bezeichnung „Albertus-
Universität“ für unsere Hochschule zu erhalten.
In ausgezeichneter Hochachtung
ergebenst
(Unterschrift)
An
Seine Magnifizenz
den Herrn Rektor der Universität
Münster"Kommentar
Aufschluss über die Reaktionen der einzelnen Hochschulen auf die Auslassung der traditionellen Namen gibt ein Rundbrief, den der Rektor der Albertus-Universität Königsberg am 11. Juni 1930 wohl an alle betroffenen Universitäten geschickt hat. Gleichlautende Schreiben ließen sich bisher in den Archiven in Münster (vgl. Abbildung) und Kiel (LASH Abt. 47, Nr. 1530, Blatt 11) nachweisen.
Der Königsberger Rektor bezieht sich allerdings nicht auf das ministerielle „Zentralblatt“ sondern auf die ebenfalls im Verlag Weidmann veröffentlichte Taschenausgabe „Die Statuten der preußischen Universitäten und Technischen Hochschulen“. Dort erschienen die einzelnen Verfassungen als eigenständige Heftchen, alle ohne Nennung der traditionellen Namen.
Antwort des Rektors der WWU an den Rektor der Albertus-Universität in Königsberg vom 17. Juni
Quellennachweis: Universitätsarchiv Münster, Bestand 4, Nr. 6.Transkription
"G. Nr. 1123
17. Juni
An
Seine Magnifizenz den Herrn Rektor der Albertus-Universität
Königsberg i. Pr.Euerer Magnifizenz beehre ich mich auf die Anfrage vom 11. Juni
d. Js. G.Nr. 1195 A.S. ergebenst zu erwidern, dass in den neuen
Satzungen unserer Universität die frühere Bezeichnung „Westfä-
lische Wilhelms-Universität Münster“ durch „Universität Münster“
ersetzt worden ist. Wir führen aber nach wie vor die uns 1907
verliehene Bezeichnung „Westfälische Wilhelms-Universität zu
Münster“ fort, sowohl auf Briefbogen wie auch auf den periodisch
erscheinenden Druckschriften der Universität. Auch das Dienst-
siegel ist trotz der neuen Bezeichnung „Universität Münster“
unverändert geblieben."Kommentar
Bei dem vorliegenden Dokument handelt es sich um die Durchschrift des Briefes. Die Nummer "G. Nr. 1123" zu Beginn des Briefes bezeichnet wahrscheinlich die Nummer unter der die Anfrage des Königsberger Rektors im Posttagebuch der Universität eingetragen wurde. Dort wurde auch die ausgehende Antwort registriert.
In seiner Antwort nach Königsberg bestätigt der Rektor der WWU, dass der Name der WWU in der Satzung durch die Bezeichnung „Universität Münster“ ersetzt worden sei.
Der Name „Westfälische Wilhelms-Universität“ werde jedoch weiterhin geführt. Auch habe die in der Satzung genutzte Bezeichnung keine Auswirkungen auf Siegel oder Briefkopf der Universität, der bisherige Name werde unverändert weitergeführt.Offen bleibt, ob dieses Vorgehen mit dem Ministerium in Berlin abgestimmt wurde.
Antwort des Rektors der Universität Kiel an den Rektor der Universität Königsberg vom 21. Juni 1930
Quellennachweis: Landesarchiv Schleswig Holstein, Kiel, Abt. 47, Nr. 1530, Blatt 12.
(Da das Archiv für eine Online-Publikation des Quellenoriginals Gebühren erhebt, verzichten wir darauf, hier das Original zu zeigen. Eine Bilddatei der Quelle liegt uns vor.)Transkription
"Der Rektor
der Christian-Albrechts-Universität
Kiel, den 21. Juni 1930P.w. Magnifizenz!
Auf das Schreiben vom 11. Juni d. Js. erwidere ich,
daß die Bezeichnung „Christian-Albrechts-Universität“ mir
im Text unserer Satzung in Wegfall gekommen ist, daß dagegen
die alte Bezeichnung sowohl in allen offiziellen Schreiben
verwendet als auch im Dienstsiegel und in den Briefköpfen
beibehalten ist und daß dieser Gebrauch vom Herrn Minister
auch nicht beanstandet wird.In ausgezeichneter Hochachtung
ergebenst
(Unterschrift)An
Seine Magnifizenz
den Herrn Rektor der Albertus-Universität
Königsberg"Kommentar
Wie schon erwähnt hatte der Rektor der Albertus Universität Königsberg seine Frage zum Umgang mit der Namensfrage als Rundbrief an verschiedene Hochschulen verschickt.
Die Antwort des Kieler Rektors entspricht im Wesentlichen dem Schreiben des Rektors aus Münster. Während aus dem Schreiben aus Münster nicht hervorgeht, ob es bezüglich der Namensfrage eine Abstimmung mit dem Ministerium gegeben habe, wird hier die ministerielle Zustimmung zur Beibehaltung des alten Namens ausdrücklich betont.