FORSCHUNGSProjekt
Selbst und Selbstlosigkeit in der islamischen Philosophie und Mystik
Leitung: Prof. Dr. Ahmad Milad Karimi
Wissenschaftlicher Mitarbeiter und Koordination: Dr. Raid Al-Daghistani
Das tragende Element der islamischen Mystik bildet der Mensch in seiner Sehnsucht nach Gott. Dabei zeigt sich das Selbst des Menschen in seiner Bestimmung, dynamischen Entwicklung, Entwerdung (fanāʾ) und Beständigkeit (baqāʾ) als eine operationale Schlüsselfigur für den spirituellen Weg des Islams. Doch die islamische Mystik ist in ihrer langen und reichen Tradition höchst different sowie erkenntnistheoretisch komplex und vielfältig.
Das Projekt will den jeweiligen Weg der Bestimmung des Selbst und der Selbstlosigkeit im Menschen aus unterschiedlichen Perspektiven und Prinzipien der prominenten Positionen der islamischen Mystiktradition (taṣawwuf) erforschen. Ziel des Projektes ist es, die Frage nach dem Selbst und der Selbstlosigkeit des Menschen in erster Linie aus unterschiedlichen Entwürfen der islamischen Mystik multiperspektivisch zu erörtern, um aus philosophischer Perspektive die Methode und den Erkenntnisgewinn der jeweiligen Mystik bestimmen zu können, um demnach Gemeinsamkeiten und Unterschiede für die Bestimmung des Selbst des Menschen herauszuarbeiten, die dann das Verständnis der Mystik überhaupt in ihrer jeweiligen Konstellation offenlegt.
Was ist das – die islamische Mystik, in der sich das Selbst des Menschen zum Höchsten hinwendet? Und was ist das Selbst des Menschen? Welche Kategorien gehören zur Selbstbestimmung des Menschen? Wie lassen sich die Standplätze (maqāmāt) und Zustände (aḥwāl) des mystischen Weges als Prädikationen des Selbst erfassen? Woran grenzt die Prozessualität des Selbst? Und worin besteht dann die Selbstlosigkeit? Ist das Selbst eine Frage des Wissens, sodass die Erkenntnis des Selbst als Selbstbewusstsein zu bestimmen wäre? Oder ist das Selbst eine genuin existentielle Bestimmung?
Die philosophische Durchdringung der islamischen Mystik ist dabei ein Konstitutivum. Ob al-Ǧunayd (gest. 910), an-Niffarī (gest. 965), as-Sarrāǧ (gest. 988), al-Huǧwīrī (gest. 1072), al-Qušayrī (gest. 1074), al-Ansārī (gest. 1083), al-Ǧīlānī (gest. 1166), al-Ġazālī (gest. 1111), Ibn ʿArabī (gest. 1240), ʿAṭṭār (gest. ca. 1221), Rūmī (gest. 1273), Ḥāfiẓ (gest. 1390), Ġālib (gest. 1869) oder Iqbal (gest. 1938), um nur einige prominente Namen zu erwähnen, vertreten jeweils eine dezidiert eigene, auf einem eigenen metaphysischen und erkenntnistheoretischen Boden stehende Position, die zu erarbeiten gilt.