Netzwerke der Wissensvermittlung
Neue Publikation über Gelehrte im griechischen und lateinischen Mittelalter
Mit Netzwerken der Gelehrsamkeit im griechischen und lateinischen Mittelalter befasst sich ein neuer Sammelband aus dem Exzellenzcluster „Religion und Politik“, den die Mittelalter-Historikerin Prof. Dr. Sita Steckel und der Byzantinist Prof. Dr. Michael Grünbart vom Forschungsverbund zusammen mit dem Byzantinisten Prof. Dr. Niels Gaul aus Budapest herausgegeben haben. Das Buch mit dem Titel „Networks of Learning. Perspectives on Scholars in Byzantine East and Latin West, c. 1000-1200“ („Netzwerke der Gelehrsamkeit. Perspektiven auf Gelehrte im griechischen Osten und lateinischen Westen von 1000-1200 n.Chr.“) ist als sechster Band der Reihe „Byzantinische Studien und Texte“ im LIT-Verlag Münster erschienen.
Der Band basiert auf einer Tagung des Exzellenzclusters, des Center for Eastern Mediterranean Studies der Budapest Central European University (CEU) und der von der British Academy geförderten Forschergruppe „Medieval Friendship Networks“ im Mai 2008. Während griechische und lateinische Gelehrtenkulturen bislang zumeist getrennt erforscht wurden, brachte der interdisziplinäre Workshop in Budapest Forscher beider Seiten an einen Tisch. Ziel der langjährigen Kooperation ist es, den Austausch zwischen Byzantinisten und „lateinischen“ Mediävisten zu bestärken und weiter anzuregen.
„Die Netzwerke der Wissensvermittlung in der ost-westlichen Gelehrtenkultur sind unterschiedlich und doch vergleichbar“, erläutern die beiden Münsteraner Herausgeber. „Die Gelehrtenkulturen des byzantinischen Reichs und des lateinischsprachigen, christlichen Westens bieten einen faszinierenden geistesgeschichtlichen kulturellen Vergleichsfall.“ Beide Kulturen bauten auf dem Erbe antiker Traditionen der Wissensvermittlung auf und adaptierten es unter den Bedingungen einer verchristlichen Gesellschaft.
„Eine Zusammenschau erschien besonders lohnend, da auf dem Forschungsfeld der mittelalterlichen Gelehrten- und Expertenkulturen in den vergangenen Jahren intensiv über Perspektiven und Methoden diskutiert wurde“, erläutert Prof. Steckel. Gefordert werde vor allem, gelehrte Wissenskulturen nicht länger isoliert zu betrachten, sondern stärker mit politischen und religiösen Kontexten in Verbindung zu bringen. „Denn gelehrte Eliten trugen sowohl im byzantinischen Kaiserreich als auch in den verschiedenen Regionen des lateinischen Westens entscheidend zu Aufbau und Transformation bleibender religiöser und politischer Strukturen bei.“ Zudem würden der Wert von Bildung und Wissen sowie damit verbundene Karrieremöglichkeiten deutlich.
„Die Zeit scheint also günstig für eine Bestandsaufnahme“, so die Herausgeber. „Es bietet sich nicht nur ein methodischer Austausch zwischen der modernen Byzantinistik und Mittelaltergeschichte an – die Resultate der gemeinsamen Diskussion ermutigen, langfristig sogar eine vergleichende und verknüpfte Geschichte gelehrter Wissenskulturen in Ost und West ins Auge zu fassen.“ Der Band bietet dafür Ansatzpunkte: Neben zehn Beiträgen internationaler Expertinnen und Experten zu sozialen Netzwerken, Autorität und Performanz in gelehrten Milieus stellt die Publikation in der Einleitung und in zwei komplementären Schlusskommentaren Reflexionen aus Sicht der byzantinistischen und westlichen Gelehrtengeschichte an.
Prof. Steckel forschte in der ersten Förderphase des Exzellenzclusters im Projekt C5 Häresie und Politik. Normbegründung und Verfahrensformen in innerkirchlichen Großkontroversen des 12. bis 14. Jahrhunderts und ist nun Juniorprofessorin für die Geschichte des Hoch- und Spätmittelalters am Historischen Seminar der WWU. Prof. Grünbart leitet am Exzellenzcluster das Projekt B2-8 Moses und David: Ambige Typologien für Patriarchen und Kaiser in Byzanz. Prof. Dr. Niels Gaul ist Associate Professor für Byzantinistik an der Budapest Central European University (CEU). (exc/bhe)
Hinweis: Steckel, Sita/ Gaul, Niels/ Grünbart, Michael (Hgg.): Networks of Learning. Perspectives on Scholars in Byzantine East and Latin West, c. 1000–1200, Münster: Lit-Verlag 2014. 392 S., 34.90 Euro. ISBN 978-3-643-90457-7.
Neue Publikationen aus dem Exzellenzcluster „Religion und Politik“