„Kult und Herrschaft am Euphrat“
Neue Erkenntnisse zum Heiligtum auf dem türkischen Berg Dülük Baba Tepesi
Mit der 2.000-jährigen Geschichte einer heiligen Stätte auf dem türkischen Berg Dülük Baba Tepesi beschäftigt sich der neue Band „Kult und Herrschaft am Euphrat“, den Altertumswissenschaftler Prof. Dr. Engelbert Winter vom Exzellenzcluster „Religion und Politik“ herausgegeben hat. „Der 1.200 Meter hohe Berg nahe der heutigen türkischen Großstadt Gaziantep war vom frühen 1. Jahrtausend vor Christus bis ins Mittelalter hinein ein wichtiges religiöses Zentrum“, erläutert der Forscher, unter dessen Leitung ein großes Forscherteam seit 2001 umfassende Grabungen in diesem Heiligtum in der Südosttürkei vornimmt. „Die Funde und Befunde erlauben inzwischen, ein differenziertes Bild von der Gestaltung und Entwicklung dieses Heiligen Ortes zu zeichnen“, so der Wissenschaftler. Der Sammelband ist in der Reihe „Dolichener und Kommagenischen Forschungen“ der Asia Minor Studien im Bonner Habelt Verlag erschienen.
„Die Ausgrabungen im Heiligtumsareal bieten eine außergewöhnliche Chance“, betont Grabungsleiter Prof. Winter. So sei es möglich, auf dem Dülük Baba Tepesi exemplarisch der Frage nach der Kontinuität und dem Wandel altorientalischer Kulte bis in die römische Zeit nachzugehen. „Der Berg ist zurzeit einer der wichtigsten Grabungsplätze Südostanatoliens, an dem neue Erkenntnisse zur antiken und byzantinischen Religionsgeschichte gewonnen werden können.“
Die Forschungsstelle Asia Minor der Universität Münster gräbt unter der Leitung von Prof. Winter seit 2001 mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) im Hauptheiligtum des Iuppiter Dolichenus. Die internationale Gruppe aus Archäologen, Historikern, Architekten, Restauratoren, Archäozoologen, Geoinformatikern und Grabungshelfern legte bislang Fundamente des archaischen und römischen Heiligtums, ebenso des mittelalterlichen Klosters des Mar Salomon frei. Um die bedeutende Tempelanlage und die Klosterruine einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen, wird an einem Archäologischen Park gearbeitet.
Der neue Band stellt Arbeiten und Ergebnisse der Jahre 2010 bis 2012 aus verschiedenen Aufgabenbereichen und Epochen zur Diskussion. Die Beiträge befassen sich mit der Entwicklung des Heiligtums von einem späthethitischen Kultplatz zu einem christlichen Kloster und stellen die neu gewonnenen Befunde und Funde vor, die das Team dort in großer Zahl gemacht hat, darunter das Fragment einer syro-hethitischen Votivstele sowie Siegel und Kleinfunde der Eisenzeit. Das Grabungsteam hat inzwischen mehr als 600 Stempel- und Rollsiegel aus der Zeit des 7. bis 4. Jahrhunderts vor Christus bergen können. „Solche massenhaften Siegelweihungen sind aus keinem vergleichbaren Heiligtum bekannt“, sagt Prof. Winter.
Das Buch enthält außerdem, wie die vorherigen Bände der Reihe, weiterführende Studien zur Geschichte und Kultur der Region am mittleren Euphrat. Deren Erforschung bildet seit langem einen Schwerpunkt der von der Forschungsstelle Asia Minor der WWU in der Südosttürkei durchgeführten landeskundlichen Arbeiten. Eine Besonderheit sei die wissenschaftliche Bearbeitung der Sammlung Neşet Akel aus dem südostanatolischen Kâhta, so der Forscher. Diese enthält zahlreiche Objekte von bronzezeitlichen Grabgefäßen über römische Skulptur bis hin zu Waffen der osmanischen Zeit. „Einige der dort unter Aufsicht des Museums Adıyaman aufbewahrten Funde sind herausragende archäologische und inschriftliche Zeugnisse für den kommagenischen Herrscherkult. Die ihnen gewidmeten Beiträge im neuen Band erweitern unser Wissen über die Religionspolitik Antiochos I. sowie die Kulttopographie Kommagenes beträchtlich.“ Prof. Winter leitet am Exzellenzcluster das Projekt B2-20 Mediale Repräsentation und ‚religiöser Markt‘: Sichtbarkeit, Selbstdarstellung und Rezeption syrischer Kulte im Westen des Imperium Romanum, das eng mit den Grabungen in der Südosttürkei verbunden ist. (Habelt Verlag/vvm/han)
Hinweis: Winter, Engelbert (Hg.): Kult und Herrschaft am Euphrat (Dolichener und Kommagenische Forschungen Bd. VI, Asia Minor Studien Bd. 73), Bonn: Habelt-Verlag 2014, 387 Seiten, ISBN 978-3-7749-3890-8, 93,00 Euro.
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