(B2-20) Mediale Repräsentation und „religiöser Markt“: Sichtbarkeit, Selbstdarstellung und Rezeption syrischer Kulte im Westen des Imperium Romanum

B2-20 Projektseite Dolichenus-relief
Weihrelief aus dem Dolichenum auf dem Aventin (Rom) mit Iuppiter Dolichenus, Iuno Regina, Isis und Sarapis.
© Hörig/ Schwertheim (CCID 1987)

Im 2./3. Jh. n. Chr. kulminiert ein Prozess tiefgreifender Transformation religiöser Parameter der antiken Welt. Im gesamten Imperium Romanum, von der Hauptstadt bis in die Garnisonsorte an den Reichsgrenzen, entwickelt sich ein komplexes Neben- und Miteinander divergenter Kulte und Religionen. Durch die Individualisierung von Religion und Religionserfahrung tritt die religiöse Wahlgemeinschaft neben die Gemeinschaft der „civic religion“, neben lokal verortete Kulte treten globaler ausgerichtete religiöse Systeme. Dieser Prozess mündet schließlich in der Dominanz christlicher Religion im gesamten Reich. Zuvor aber entstand für kurze Zeit eine neue Form des religiösen Pluralismus, in der eine Vielzahl religiöser und quasi-religiöser Systeme miteinander konkurrierte. Diese neue Situation ist als „religiöser Markt“ bezeichnet worden. In diesem Kontext spielen einige syrische Kulte, die sich in kürzester Zeit im gesamten Imperium Romanum verbreiteten, eine besondere Rolle. Iuppiter Dolichenus, Iuppiter Heliopolitanus und Dea Syria lösten sich aus ursprünglich ethnisch und kulturell begrenzten Bezugsräumen und wurden Reichsreligionen mit einer sehr heterogenen Anhängerschaft.

Ziel des Projektes ist die Analyse des Transfers dieser Kulte aus den heimatlichen Kontexten in Syrien in eine neue religiöse Umwelt und die Untersuchung ihrer Entwicklung und Veränderung in den jeweils neuen gesellschaftlichen Bezugssystemen. Da die einschlägigen literarischen Quellen zumeist entweder tendenziös christlich oder von einer intellektuellen paganen Elite verfasst sind, deren Bild von Religion nicht verallgemeinert werden kann, stehen vor allem archäologische und epigraphische Zeugnisse im Zentrum der Untersuchung. Methodisch bietet vor allem die Untersuchung ihrer medialen Repräsentation innovative Möglichkeiten. Herkunft, Bedingungen und Ziele ihrer Selbst- und Außendarstellung im Westen des römischen Reiches sind zu hinterfragen. Was sind distinktive Erkennungszeichen der einzelnen syrischen Götter? Wie wichtig war für sie eine sichtbare corporate identity? Gibt es regionale Unterschiede in der Art ihrer Repräsentation? Reagiert man auf jeweils divergierende Kontexte und politische Entwicklungen? Häufig sind zudem Synkretismen festzustellen, wenn etwa Iuno Dolichena mit Isis gleichgesetzt, Iuppiter Dolichenus an Iupiter Optimus Maximus angeglichen wurde. Was verbirgt sich hinter solchen Prozessen und was sagen sie über religiöse Inhalte und Verfahren aus?


Das Projekt ist Teil der Arbeitsplattform F Transkulturelle Verflechtungen und der Koordinierten Projektgruppe Mediale Figurationen des Politischen und des Religiösen.