Illustrationen aus der Schedelschen Weltchronik (1493)

Zwischen Fakten und Fiktionen

Workshop untersucht das Verhältnis von Literatur und Geschichtsschreibung der Vormoderne

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Plakat des Workshops

Was ist Tatsache und was ist erfunden: Diese Frage stellt sich für Texte jedweder Art vom Mittelalter bis heute. Das Verhältnis von Fakten und Fiktionen hat in der Forschung regelrechte Kontroversen ausgelöst. Damit befasst sich ein Workshop am Exzellenzcluster „Religion und Politik“ der Uni Münster. Historiker und Germanisten werden vom 16. bis 17. Februar Werke der Literatur und Geschichtsschreibung aus der Zeit der Vormoderne untersuchen. Der renommierte germanistische Mediävist Prof. Dr. Jan-Dirk Müller aus München hält im Rahmen des Workshops einen öffentlichen Vortrag über „Die Freiheit des Fingierens“. Er ist am 16. Februar um 18.15 Uhr im Hörsaal F5 des Fürstenberghauses am Domplatz 20-22 zu hören.

„Für die Zeit vor der Entstehung eines unabhängigen Literatursystems im 18. Jahrhundert haben Leser Erfundenes, also Fiktionen, in Texten noch nicht als solches wahrgenommen“, erläutert Literaturwissenschaftlerin Kristina Rzehak, Mitglied der Graduiertenschule am Exzellenzcluster. Die Grenzen des literarischen Sprechens seien anders als heute gegenüber anderen „Typen fingierender Rede“ noch nicht klar umrissen gewesen. „Das Verhältnis zwischen Wahrheitsanspruch und Fiktionsbewusstein war aus heutiger Sicht abgestuft.“ Daher sei es für Historiker wichtig, dass Geschichtsschreibung – auch die eigene – immer eine Konstruktion darstelle, die von den jeweiligen soziokulturellen Gegebenheiten beeinflusst werde. „Dies sollte sich stets in der thematischen und methodischen Arbeit widerspiegeln“, so Historiker Daniel Lizius. Geschichtsschreibung lasse sich aufgrund ihrer narrativen Struktur als „Erzählung“ begreifen.

Fächerübergreifende Erkenntnisse

Ziel der interdisziplinären Tagung ist es, verschiedene Konzepte zum Verhältnis von Fakten und Fiktionen gegenüberzustellen und zu prüfen, ob diese für andere Disziplinen tragfähig sind. Die Wissenschaftler wollen verschiedene Textsorten als Teil der Kommunikation betrachten. Das soll zu fächerübergreifenden Erkenntnissen über die Funktionen von Texten in ihren jeweiligen gesellschaftlichen Bereichen beitragen.

Den Workshop „Zwischen Fakten und Fiktionen“ haben die Nachwuchswissenschaftler Merle Schütte, Kristina Rzehak und Daniel Lizius, Doktoranden der Graduiertenschule aus den Fächern Mittelalterliche Geschichte und Germanistische Mediävistik organisiert. Die Veranstaltung ist aus der Arbeit einer gleichnamigen Arbeitsgruppe am Exzellenzcluster hervorgegangen. (bhe/vvm)

Programm

Mittwoch, 16. Februar
14:00-14:15
Begrüßung der Teilnehmer und Einführung in die Thematik
Daniel Lizius, Kristina Rzehak und Merle Schütte, Münster
14:15-15:45
Sektion 1
Moderation: Claudia Garnier, Münster

Was ist eigentlich eine Fiktion im Mittelalter? Gerd Althoff, Münster

Der würfelnde Richter. Intertextuelle Verbindungen zwischen fiktionaler und gelehrter Literatur im 16. und 17. Jahrhundert Barbara Stollberg-Rilinger, Münster
16:15-17:45
Sektion 2
Moderation: Christiane Witthöft, Kiel

Historizität und Fiktionalität in narrativen Texten des Mittelalters - eine historische Standortbestimmung der Autorintention
Fritz Peter Knapp, Heidelberg

Wahrheitsdimensionen und Literarisierungstendenzen in den balladesken alttestamentlichen Dichtungen der Vorauer Handschrift (‚Lob Salomons‘, ‚Die drei Jünglinge im Feuerofen‘, ‚Die Ältere Judith‘) Ute Nanz, Münster
18:15-19:45 Öffentlicher Abendvortrag: Die Freiheit des Fingierens (Hörsaal F5 im Fürstenberghaus)
Jan-Dirk Müller, München

Donnerstag, 17. Februar
9:00-10:30
Sektion 3
Moderation: David Crispin, Münster

Heilige Helfer im Kampf? Hagiographische Erzählungen als Problem der Kriegsgeschichte
Stefanie Rüther, Münster

Wenn zwei zehntausend in die Flucht schlagen:
Zahlenangaben als Bestandteil der Kommunikation zwischen Historiograph und Adressat
Martin Clauss, Regensburg
11:00-12:30
Sektion 4
Moderation: Klaus Brand, Münster

Zwischen Faktizität und narrativer Funktion. Die
Frauenfiguren der taciteischen Historiographie
Raphael Kuch, Münster

Fiktionalität und enzyklopädisches Erzählen. Eine Standortbestimmung Mathias Herweg, Karlsruhe
14:00-15:00
Schlussdiskussion
Steffen Patzold, Tübingen, und Hanno Rüther,
Münster