Mit jüdischem Buchschmuck aus dem 15. Jahrhundert befasst sich die Judaistin Prof. Dr. Katrin Kogman-Appel vom Exzellenzcluster „Religion und Politik“ in ihrem Buch „The Washington Haggadah“. „Von der Bibel abgesehen, ist die Pesach-Haggada das in der jüdischen Gesellschaft am weitesten verbreitete Buch“, erläutert die Wissenschaftlerin. „Mehr als 4000 Editionen der Haggada kamen seit dem 15. Jahrhundert auf den Markt, aber nur wenige sind so prachtvoll wie die ‚Washington Haggada‘ in der Library of Congress.“ Mittels einer neuen Faksimile-Ausgabe mit getreuen Farbaufnahmen aller Seiten sei diese Gemme der mittelalterlichen Buchkunst nun einer neuen Generation zugänglich. Der Schreiber und Maler Joel ben Simeon hat diesen gut erhaltenen Kodex geschrieben und künstlerisch ausgestattet. Die Einführung von David Stern rekonstruiert die berufliche Laufbahn dieses Mannes und setzt diese in einen breiteren Zusammenhang der Geschichte der Haggada zu Beginn der Neuzeit.
Katrin Kogman-Appels Studie widmet sich dem Buchschmuck dieser Handschrift und zeigt, dass Joel ben Simeon nicht nur ein Kopist war, sondern die Rolle eines aktiven Vermittlers im Kulturaustausch des späten Mittelalters spielte. Im Rheinland geboren und aufgewachsen, verbrachte er den Großteil seines beruflichen Lebens in Italien. Dorthin nahm er die Tradition der aschkenasischen Buchkunst mit und erwarb andererseits einen für die frühe italienische Renaissance typischen Zeichenstil. Seine Bilder setzen sich einerseits mit der traditionellen Ikonographie des Pesachfestes auseinander, zeigen andererseits jedoch auch vielfältige zeitgenössische „Porträts” der jüdischen Gesellschaft des 15. Jahrhunderts. (exc/ill)
Hinweis: Kogman-Appel, Katrin/ Stern, David: The Washington Haggadah. A Fifteenth-Century Manuscript from the Library of Congress, Cambridge (MA): Harvard University Press, Belknap 2011, 248 Seiten, ISBN 9780674051171, 36,00 Euro.