Koloniale Zivilgemeinschaft

You Jae Lee
Lee Korea
© Campus

Zwischen den 1890er-und den 1940er-Jahren wuchs die Zahl der Christen in Korea rapide an. Das koreanische Christentum - so die These dieses Buches - stellte eine erfolgreiche Verbindung zwischen einem modernen Image des Christentums und einer spezifischen Gemeinschaftsform her, die in der Lage war, die alltäglichen Bedürfnisse der Einheimischen zu befriedigen. Diese Gemeinschaft wurde im Rahmen der christlichen Weltmission und des Konzepts einer universalisierten Weltkirche möglich, die bestimmte Werte propagierte. Die Beziehung zu einem Dritten, jenseits der Kolonisierer, bot den kolonisierten Gläubigen zugleich eine politische Alternative zum Kolonialstaat. Lees hellsichtige Analyse der Funktion und Praxis der religiösen Gemeinschaft im kolonialen Alltag eröffnet somit neue Perspektiven auf die Säkularisierungsthese und die Kolonialismusdebatte.

Das Buch 'Koloniale Zivilgesellschaft. Alltag und Lebensweise der Christen in Korea (1894-1954)' ist in der Schriftenreihe des CRM 'Religion und Moderne' erschienen. Die Reihe wird im Auftrag des Centrums für Religion und Moderne der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster von Thomas Großbölting, Detlef Pollack, Barbara Stollberg-Rilinger und Ulrich Willems herausgegeben und erscheint im Campus Verlag Frankfurt am Main/New York.

  • Inhaltsverzeichnis

    Einleitung

    Forschungsstand
    Fragestellung und Methoden

    1. Wertewandel in der Umbruchszeit: Nord-Korea um die Jahrhundertwende
    1.1 Sozialdarwinismus und Körpererziehung
    1.2 Auflösung der alten Gemeinschaften
    1.3 Nord-Korea: regionale Dynamik der Transformation

    2. Christentum im Namen der Zivilisation
    2.1 Missionare als Vertreter der Zivilisation
           Materielles Image und Lebensweise der Missionare
    2.2 Individualismus, Pragmatismus und Konservatismus
           Die Frage der Gemeinschaft
    2.3 Übersetzungen: Religion und Gesellschaft
           Religion
           Gesellschaft

    3. Der Kampf ums Leben
    3.1 Kolonialpolitik und die Entpolitisierung der Religion
    3.2 Konversion als soziale Praxis
           Wiedergeburt, Neues Leben, Neuer Mensch
           Narrative Struktur der Konversionsgeschichten
           Konversion und Bekenntnisse
    3.3 Leben in Gemeinschaft

    4. Die Politik der »zehn Gerechten«
    4.1 Politisierung des Privaten
    4.2 Autonome Lebenssicherung
    4.3 Apokalypse als Erlösung von der Kolonie

    5. Norbert Weber: »Im Lande der Morgenstille«. Mission im Namen der Zivilisation
    5.1 Das Buch: Im Lande der Morgenstille
           Jenseits des »Salvage Paradigms«
           Für ein besseres Leben
    5.2 Der Film: Im Lande der Morgenstille
           Umkehrung des orientalistischen Blicks
           Inszenierung der Fremde
           »Der Missionar ist ein Fremder im Lande«
           Zwischen Ausblenden und Anklagen des Kolonialen
    5.3 Das Missions-Museum St. Ottilien
           Die Ausstellung
           Der missiologische Auftrag des eingefrorenen Museums

    6. Benediktinische Gemeinschaften: Auch ein Kampf ums (Über-)Leben in Kleingemeinschaften
    6.1 Die Klostergemeinschaft
           Die Sung-Kong-Handwerkerschule
           Das Priesterseminar
           Das Klosterleben
    6.2 Die Kirche der Armen und die Diktatur des Harmoniums
           Die Diktatur des Harmoniums
           Wohltätigkeit und Bildung
    6.3 Außenstationen: Alltag als Vergemeinschaftung der Gläubigen
           Die Totenbahre als Missionsmittel
           Die Außenstationen

    7. Frauen für Frauen: Missionsbenediktinerinnen von Tutzing
    7.1 Laienmission und Selbstmissionierung
           Katechetin Yu Yŏng Pok
           Die Postulantin Im Maria
    7.2 Die unbequeme Zivilisation: die koreanischen Nonnen
           Ausbildung
           Das Klosterleben
    7.3 Herausforderung und Autonomiesicherung: Deutsche Missionarinnen
           Herausforderungen in der Mission
           Autonomie des Klosters
           »Wahre Frauen« und christliche Familie

    8. Die Politik der Bischöfe: Im Spannungsfeld zwischen Religion und Politik
    8.1 Katholische Kirche und die nationale Frage in Korea
    8.2 Von der Afrika- zur Ostasienmission der deutschen Katholiken
    8.3 Bischof Bonifatius Sauer: Beten für das Imperium
    8.4 Das Vermächtnis An Chung Kŭns in Deutschland

    9. Gemeinschaft im Gefangenenlager 1949–1954
    9.1 Lagergemeinschaft als Klostergemeinschaft
           Physische Gewalt und Tod
    9.2 Strategien des Lebens und des Überlebens
    9.3 Das Schwein des Häuptlings und die Ambivalenz der Gemeinschaft
           Gender und Handlungsraum
           Heimweg und Rückkehr

    10. Schlussbetrachtung

    11. Quellen und Literatur
    11.1 Archive
    11.2 Zeitschriften
    11.3 Filme
    11.4 Sekundärliteratur

    Danksagung

You Jae Lee, Koloniale Zivilgesellschaft. Alltag und Lebensweise der Christen in Korea (1894-1954), Frankfurt am Main/New York: Campus Verlag 2017 (Reihe 'Religion und Moderne' 7).