Forschungsprojekt
Forschungsprojekt

Bedeutung der Imagination für die Entwicklung der Emotionsregulation bei Vorschulkindern

Projektverantwortliche: Dr. Helena Petersen

Projektbeteiligte: Prof. Dr. Manfred Holodynski, Dipl.-Psych. Dorothee Seeger, Dr. Sophia Hermann

Projektbeschreibung

Theoretischer Hintergrund:
Aus einer Vielzahl von Untersuchungen, aber auch aus dem alltäglichen Leben, weiß man, dass Säuglinge und Kleinkinder sich in ihrem Handeln noch von ihren Gefühlen beherrschen lassen und sich noch nicht von ihren Emotionen distanzieren können, um sie ggf. zu regulieren. Das Wechselbad der Gefühle von "himmelhoch jauchzend" bis "zu Tode betrübt" ist sprichwörtlich für Kinder. Spätestens in der Grundschulzeit werden sie aber vor die Aufgabe gestellt, einen angemessenen und sozialverträglichen Umgang mit den eigenen Gefühlen zu lernen, z.B. wenn es darum geht, einen dringenden Wunsch aufzuschieben, weil man mit anderen Kindern im Klassenverband lernen soll. Das Vorschulalter ist daher eine entscheidende Phase, in der Kinder erstmals lernen, ihre Emotionen bewusst zu erleben, zu versprachlichen und damit auch willentlich zu kontrollieren. Nun gibt es zwar viele gutgemeinte Ratschläge, wie ein Kind diese Anforderungen meistern sollte, aber kaum gesichertes Wissen darüber, inwiefern diese auch tatsächlich erfolgreich sind.

Fragestellung:
Ein wichtiges Mittel zum Erlernen der Distanzierungsfähigkeit, die für die Regulation von Emotionen erforderlich ist, ist unserer Ansicht nach das Rollenspiel, bei dem Kinder sich in andere Rollen hineinversetzen und aus der Perspektive dieser Rollen agieren. Das Annehmen einer Rolle bzw. das Rollenspiel kann, so unsere Vorstellung, als eine Art Brücke dienen und gerade jüngeren Kindern im Spiel zu Kompetenzen verhelfen, über die sie ohne den spielerischen Rahmen noch nicht verfügen. Hierzu gehören zum Beispiel das Einnehmen verschiedener Perspektiven (hilft, sich von der Ich-Perspektive zu lösen), das Handeln mit Ersatzgegenständen und Requisiten (trainiert, sich sein eigenes Handeln in anderen Situationen vorzustellen) oder auch das Handeln in einer vorgestellten Situation (hilft, sich von der Gegenwart zu distanzieren und damit auch vom dominanten Handlungsimpuls, der zu regulieren ist). In diesem Projekt geht es daher um die Frage, inwiefern spielbasierte Hilfen als Vorstufe für reifere Formen der kognitiven Umdeutung Kindern die Regulation ihrer Emotionen erleichtern. Um dieser Frage nachzugehen, führen wir eine Beobachtungsstudie durch, bei der Vorschulkinder verschiedene Aufgaben zur Emotionsregulation durchlaufen und dabei zur späteren Analyse videografiert werden.

Methoden:
Ein wichtiger Regulationsanlass ist, auf etwas Positives auch warten zu können und es nicht gleich sofort haben zu müssen. Dazu haben wir eine Aufgabe zum Belohnungsaufschub ausgewählt: Das Kind wird angehalten, mit dem Spielen mit einem attraktiven Spielzeug noch etwas zu warten, bis der Erwachsene (der zuvor für eine kurze Zeit den Raum verlässt) wieder zurückkommt. Ein zweiter wichtiger Regulationsanlass ist, seinen Emotionsausdruck in angemessener Weise kontrollieren zu können. Dazu gibt es zwei Aufgaben: 1) Das Kind bekommt unterschiedlich attraktive Geschenke (ein attraktives, ein unattraktives und kein Geschenk), soll aber immer so tun, als ob es sich darüber freuen würde. 2) Das Kind trinkt unterschiedlich leckere Getränke (einen süßen Saft, einen sauren Saft und neutrales Wasser), soll aber immer so tun, als ob diese lecker schmecken würden. Diese drei Aufgaben erledigen die Kinder entweder als einfache Instruktionsaufgabe oder im Rahmen eines Rollenspiels, indem sie spielerisch angeleitet werden, sich in eine andere Rolle zu versetzen, die die Bewältigung der Regulationsaufgabe erleichtert.
Darüber hinaus werden das Emotionswissen der Kinder bzgl. der konzeptuellen Differenzierungsfähigkeit zwischen Ausdruck und Erleben mit Hilfe eines standardisierten Interviews (Holodynski, 2004; Kromm, Färber & Holodynski, in press) sowie die Sprachentwicklung mithilfe des Aktiven Wortschatztests für 3- bis 5-jährige Kinder (AWST-R; Kiese-Himmel, 2005) erfasst. Als weitere Variable wird die Art und Weise des kindlichen Rollenspiels anhand eines standardisierten Rollenspieltests, der derzeit in Entwicklung ist, erhoben.

Bei der Aufgabe zum Belohnungsaufschub werden die Videoaufnahmen, die das Kind während der Wartephase zeigen, hinsichtlich der Wartedauer, der Anzahl sowie Dauer der Berührungen, der angewendeten Emotionsregulationsstrategien und dem Ausmaß der Kontrollanstrengung beim Warten ausgewertet. Bei den Aufgaben zur Ausdrucksmaskierung wird eine subjektive Eindrucksanalyse von unvoreingenommenen Beobachtern herangezogen, die die kindlichen Ausdrucksreaktionen ohne Vorwissen anschauen und anhand der gezeigten Emotion, der experimentellen Bedingung (welches Geschenk hat das Kind gerade bekommen bzw. welche Getränk hat es gerade getrunken?) sowie der Emotionsintensität einschätzen sollen.

Ausgewählte Publikationen

Kromm, H., Färber, M., & Holodynski, M. (2014). Felt or False Smiles? Volitional Regulation of Emotional Expression in 4-, 6-, and 8-Year-Old Children. Child Development. Advance online publication. doi: 10.1111/cdev.12315

Holodynski, M., Hermann, S. & Kromm, H. (2013). Entwicklungspsychologische Grundlagen der Emotionsregulation. Psychologische Rundschau, 64 (4), 196-207.

Abschlussarbeiten