Das 109 Strophen in 51 Tönen umfassende Autorenkorpus, das die Große Heidelberger Liederhandschrift‹ (C) unter dem Namen Gottfrieds von Neifen tradiert, ist eines der größten des Mittelalters. Dass es zugleich eines der wirkmächtigsten war, zeigt sich an den zahlreichen Minneliedern, die zu Lebzeiten Gottfrieds und darüber hinaus in seinem Stil verfasst wurden.
Das Wappen, das Gottfried in C zugeteilt ist (drei silberne, mit Bändern verzierte Jagdhörner auf blauem Untergrund), weist den Minnesänger als Mitglied einer hoch angesehenen schwäbischen Adelsfamilie aus, deren Burg Hohenneuffen zwischen Nürtingen und Reutlingen gelegen war. In den Jahren 1234/35 erscheint Gottfried mehrfach in Urkunden König Heinrichs (VII.). Der Aufstand des Königs gegen seinen Vater, Kaiser Friedrich II., wurde vom Minnesänger Gottfried von Neifen und seiner Familie aktiv unterstützt. Im Zuge der Kämpfe gerieten die Neifer sogar in Gefangenschaft, ihre Aus- söhnung mit Friedrich II. muss allerdings rasch stattgefunden haben, denn in den Jahren 1236/37 ist Gottfried im Umfeld des Kaisers nach- weisbar. Danach tritt er nur noch in Privaturkunden auf, das letzte Mal 1279. Die in der Forschung weit verbreitete, jedoch auf einer mittler- weile überholten Dokumentenlage fußende Ansicht, der Minnesänger habe sein Publikum vor allem am staufischen Königshof gehabt, dürfte angesichts der vergleichsweise kurzen Zeitspanne, die er sich dort aufhielt, zu revidieren sein.
Abgesehen von drei pastourellenartigen Liedern (KLD I, Nr. 15, XXVII, XXX, XLI), einem derben Pilgerlied (XL), dem – wohl von Neidhart inspirierten – Wiegenlied einer frustrierten jungen Mutter (L) und dem so genannten ‚Büttnerlied’ (XXXIX), die alle dem genre objectiv angehören, hat Gottfried Minnekanzonen mit einem geregelten thematischen Aufbau verfasst: Auf einen sommer- oder winterlichen Natureingang folgt die Klage des Sänger-Ichs über die Hartherzigkeit der (Minne-)Herrin, welcher der Liebende dennoch ergeben die Treue hält. Typisch für Gottfried ist, dass er mit wenigen (bekannten) Motiven – darunter dem roten Mund der Dame, laut dem Taler, einem jüngeren Sängerkollegen Gottfrieds, dessen Markenzeichen (vgl. SMS, Nr. 25, Lied 3,III,7ff.) – arbeitet, die er immer wieder neu kombiniert. Mit der Formulierungskunst des Minnesängers geht eine große Virtuosität auf dem Gebiet der Reimtechnik einher.
Literatur:
Volker Mertens: Gottfried von Neifen (Neuffen). In: VL2 3 (1981). Sp. 147-151.
Uwe Meves (Hrsg.): Regesten deutscher Minnesänger des 12. und 13. Jahrhunderts. Berlin und New York 2005. S. 353-371.
Cord Meyer: Die deutsche Literatur im Umkreis König Heinrichs (VII.). Studien zur Lebenswelt spätstaufischer Dichter. Frankfurt/Main 2007 (= Beiträge zur Mittelalterforschung 17). S. 290-314.