Das Praxissemester im Fach Geschichte

Im Zentrum des Praxissemesters im Fach Geschichte steht die individuelle und reflektierte Auseinandersetzung mit geschichtsdidaktischen Theorieansätzen, mit der Praxis des Geschichtsunterrichts und mit der eigenen Geschichtslehrerinnenprofession. Dies geschieht in einem Prozess Forschenden Lernens, der ausgehend von den eigenen Erkenntnisinteressen und Unterrichtsbeobachtungen sowie unter Berücksichtigung der schulischen Rahmenbedingungen die Möglichkeit zur praxis- und forschungsbezogenen Reflexion professionellen Handelns bietet.

  • Forschendes Lernen im Fach Geschichte

    Konstitutives Leitprinzip des Praxissemesters ist das Forschende Lernen, in dessen Kontext die Studierenden eigene, für sie als angehende Geschichtslehrkraft bedeutsame fachdidaktische Fragestellungen identifizieren und diese im Wechselspiel von theoretisch-konzeptuellen Reflexionen (Essays), kleineren empirischen Studien (Studienprojekte) und praktischem Handeln in konkreten Lernzusammenhängen (Unterrichtsvorhaben) nachgehen. Die Studierenden sollen so einen systematischen und reflektierten Blick auf historisches Lehren und Lernen entwickeln.

    Die Studierenden können selbst entscheiden, ob sie im Fach Geschichte ein benotetes Studienprojekt oder eine Unterrichtsbeobachtung samt Reflexion in Form eines unbenoteten Essays anfertigen. Die Fachgruppe Geschichte hat sich in diesem Zusammenhang darauf verständigt, keine Untersuchungsschwerpunkte oder Erhebungsinstrumente vorzugeben. Die Studierenden sollen vielmehr von ihren individuellen Interessen und Beobachtungen ausgehend eigene Fragestellungen entwickeln und dabei die jeweiligen Gegebenheiten der Praktikumsschule berücksichtigen. Dies gilt auch für die von den jeweiligen ZfsL begleiteten Unterrichtsvorhaben.

    Trotz dieser grundsätzlichen Offenheit müssen die Fragestellungen vier zentrale Kriterien erfüllen:

    • Die Fragestellungen müssen Phänomene historischen Lehrens und Lernens in den Blick nehmen und dabei Aspekte der fachspezifischen Diagnose-, Handlungs- und Planungskompetenz berücksichtigen. In diesem Zusammenhang werden die Studierenden ermutigt, sich mit aktuellen schulischen Herausforderungen aus fachlicher Perspektive zu beschäftigen. In den vergangenen Praxissemesterdurchgängen forschten Studierende u.a. zu folgenden Themen: Schülervorstellungen, Urteilskompetenz, sprachsensibler Geschichtsunterricht, schulische Gedenkstättenbesuche, Einsatz digitaler Schulbücher, Unterrichtsplanung von Geschichtslehrkräften, Quellenarbeit, Herausforderung Gesellschaftslehre.
    • Die Studierenden entwickeln Forschungsfragen entsprechend ihren fachlichen Interessen, wobei Bezüge zu den Inhalten geschichtsdidaktischer Lehrveranstaltungen hergestellt werden. Theorie und Praxis werden so professionsorientiert miteinander in Beziehung gesetzt. Die Fragestellungen fußen zudem auf konkreten Beobachtungen und Praxiserfahrungen vor Ort.
    • Ferner gilt es, die schulspezifischen Rahmenbedingungen in den Blick zu nehmen und zu berücksichtigen.
    • Dieser Ansatz ist recht anspruchsvoll. Deshalb werden die Studierenden von universitärer Seite im Rahmen der Veranstaltung "Praxisbezogenen Studien im Fach Geschichte" vor, während und nach der schulpraktischen Phase individuell und bedarfsorientiert unterstützt.

     

  • Praxisbezogene Studien im Fach Geschichte

    In den "Praxisbezogenen Studien" werden die Studierenden von den Lehrenden des Instituts für Didaktik der Geschichte bei der Planung, Durchführung und Reflexion ihrer Forschungsprojekte systematisch unterstützt. Zentral sind dabei die Förderung einer forschenden Grundhaltung und die Begleitung eines Prozesses Forschenden Lernens im oben genannten Sinne.

    Die Praxisbezogenen Studien im Fach Geschichte lassen sich in drei Phasen teilen:

    1. Im Vorsemester findet ein vorbereitender Teil im Umfang von 1 SWS statt, der in das Forschende Lernen im Fach Geschichte, in die Grundlagen der empirischen Lehr-Lern-Forschung aus geschichtsdidaktischer Perspektive und in die kriteriengeleitete Beobachtung von Geschichtsunterricht einführt.
    2. Während der schulpraktischen Phase erfolgt auf Basis individueller Interessen der Studierenden, ihrer konkreten Unterrichtsbeobachtungen sowie unter Berücksichtigung der schulischen Rahmenbedingungen in enger Absprache mit den Dozent*innen die Schärfung der Forschungsfrage. Ferner entscheiden die Studierenden, ob sie im Fach Geschichte eine Studien- oder eine Prüfungsleistung erbringen möchten. Darauf aufbauend erfolgt eine individuelle und bedarfsorientierte Vertiefung ihrer Methodenausbildung im Rahmen der Studientage.
    3. Im Anschluss an die schulpraktische Phase kommen die Studierenden zum eintägigen Abschlussblock zusammen, in dessen Rahmen sie ihre Projekte vorstellen und gemeinsam reflektieren. Hierbei erhalten die Studierenden von ihren Kommiliton*innen und von den Lehrenden ein ausführliches Feedback, das sie bei der Ausformulierung ihrer Studienprojekte oder Essays berücksichtigen können.

    Für Informationen über die Anmeldung zu den "Praxisbezogenen Studien" sei an dieser Stelle auf die Informationen des ZfL verwiesen.

  • Studienprojekte & Essays

    Ob die Studierenden sich mit diesen Aspekten im Rahmen eines benoteten Studienprojekts oder in Form eines unbenoteten Essays beschäftigen, entscheiden sie selbstständig nach den ersten Wochen der schulpraktischen Phase.

    Studienprojekte umfassen die selbstständige, methodisch abgesicherte Entwicklung, Bearbeitung, Auswertung und Dokumentation einer fachdidaktischen Fragestellung auf der Grundlage theoretischer Vorüberlegungen und schulpraktischer Gegebenheiten. Eine Verknüpfung mit dem Unterrichtsvorhaben ist möglich. Der Umfang ist mit ca. 10 Seiten recht begrenzt, was eine klare Eingrenzung der Forschungsfrage nötig macht.

    Auf Grund der Logik des Faches Geschichte liegt ein besonderer Schwerpunkt auf qualitativen Methoden. Qualitative Forschung beruht auf dem Primat der Offenheit und Subjektnähe, weshalb sich entsprechende Zugriffe besonders eignen, um sich dem jeweils individuellen Geschichtsbewusstsein von Personen zu nähern und historisches Denken zu erforschen. Es bieten sich – je nach Fragestellung – z.B. folgende Formen der Datengewinnung an: Durchführen von Interviews, Erstellen offener Fragebögen, die Analyse von Schülerprodukten wie Klausuren, Hausaufgaben oder Zeichnungen, die Durchführung von Beobachtungen etc. Kleine Stichproben ermöglichen hierbei nicht nur eine größere Subjektnähe und Analysetiefe, sondern sorgen zudem für geringe Interferenz mit dem laufenden Unterricht. Ein Beispiel soll dies verdeutlichen:
    Eine Studentin möchte untersuchen, welches Vorwissen bzw. welche Vorstellungen die Lernenden einer 6. Klasse vom Antiken Rom besitzen. Dafür lässt sie die Kinder Zeichnungen anfertigen und kurze Stichworte notieren. Die Daten werden inhaltlich ausgewertet, vor dem Hintergrund des gewählten theoretischen Rahmens interpretiert und mit Blick auf vergleichbare geschichtsdidaktische Studien diskutiert. Zum Schluss setzt die Studierende die ermittelten Lernvoraussetzungen der Lerngruppe mit den Lehrplanvorgaben in Beziehung und skizziert eine passende Unterrichtsreihe. Im Rahmen ihres Unterrichtsvorhabens erprobt sie darauf aufbauend, wie die konkreten Vorstellungen im Unterricht sinnvoll aufgegriffen werden können.

    Für ein ca. dreiseitiges Essay führen die Studierenden eine halbstrukturierte Beobachtung im Fach Geschichte durch. Ausgehend von den eigenen Forschungsinteressen wird so unter Berücksichtigung fachspezifischer Unterrichtsmodelle ein konkretes Phänomen historischen Lehrens und Lernens beobachtet, analysiert und reflektiert. Folgende Aspekte sind dabei denkbar: die Erkundung unterschiedlicher Formen der Quellenarbeit; die Benutzung des Schulgeschichtsbuches; der Umgang mit Heterogenität und die Anwendung binnendifferenzierender Maßnahmen beim historischen Lernen; die Berücksichtigung geschichtsdidaktischer Prinzipien wie Problemorientierung oder Multiperspektivität.

  • Hinweise für Schulen

     

    Die Studierenden sind bei der Durchführung ihrer Vorhaben auf die Unterstützung der Schulen angewiesen. Die betreuenden Lehrkräfte fungieren nicht nur als Ansprechpartner bei Fragen rund um den Geschichtsunterricht, sondern unterstützen die Studierenden auch im Hinblick auf organisatorische Aspekte:

    • Da sowohl Studienprojekte als auch Essays auf eigenen Interessen und Beobachtungen fußen, bedarf es der Öffnung des Unterrichts. Entsprechend wäre es hilfreich, wenn die Studierenden – soweit es die Bedingungen vor Ort erlauben – Geschichtsunterricht bei verschiedenen Lehrkräften und in unterschiedlichen Jahrgangsstufen kennenlernen.
    • Die Studierenden benötigen Möglichkeiten, eigene Methoden oder Materialien zu erproben und zu evaluieren. Dies gilt sowohl für die Durchführung von Studienprojekten als auch für die Unterrichtsvorhaben.
    • Der Besuch außerschulischer Lernorte kann ein weiterer Ausgangspunkt für die Entwicklung von Fragestellungen sein. Es liegt daher nahe, die Studierenden über entsprechende Angebote zu informieren und ihnen bei Bedarf die Teilnahme zu ermöglichen.
    • Grundlegend für empirische Forschung ist die Erhebung von Daten. Dies kann in Abhängigkeit von der Fragestellung auf ganz unterschiedlichen Wegen erfolgen: mit schriftlichen Fragebögen, durch Interviews, durch Beobachtungen. Auch die Auswertung von Schülerprodukten – Hausaufgaben, Klausuren, Schülerzeichnungen – ist denkbar. Die Möglichkeit, entsprechende Daten zu erheben, ist somit konstitutiv für das Forschende Lernen im Rahmen des Praxissemesters. Dass dabei der Datenschutz gewährleistet wird, ist selbstverständlich.
    • Besondere Einblicke in die Praxis können auch die Geschichtslehrkräfte einer Schule bieten, indem sie etwa ihre Erfahrungen und Vorstellungen mit den Studierenden teilen. Entsprechend bedarf es der Bereitschaft des Kollegiums, sich offen den Fragen der Studierenden zu stellen.
  • Kontakt und weiterführende Informationen

    Die Studierenden werden bei der Konzeption ihrer Forschungsprojekte durch die jeweiligen Lehrenden der "Praxisbezogenen Studien" betreut. Sie sind Ansprechpartner*innen, wenn es um konkrete Studienprojekte oder Essays geht.

    Für allgemeine Fragen zum Praxissemester im Fach Geschichte am Lernort Universität wenden Sie sich bitte an Dr. Christian Winklhöfer.

    Bei Fragen zu den Unterrichtsvorhaben im Fach Geschichte und den Begleitkonzepten an den ZfsL helfen Ihnen die Kolleg*innen an den jeweiligen Standorten gerne weiter.

    Allgemeine, d.h. fachübergreifende Informationen rund um das Praxissemester in der Ausbildungsregion Münster können Sie der Homepage des Zentrums für Lehrerbildung entnehmen.