Im Gegensatz zu Zeitgenossen (etwa Theodor Fontane oder Conrad Ferdinand Meyer), deren Gedichte vielfach von führenden Komponisten vertont wurden, scheint Raabes lyrisches Werk kaum Anlass zur musikalischen Auseinandersetzung gegeben zu haben. Ausnahmen sind Gedicht-Vertonungen anlässlich des siebzigsten Geburtstags des Dichters (Hans Sommer: Herbst! Privatdruck: Leipzig: Brandstetter, 1901) und einige Sammlungen aus den 1920er Jahren, als die Raabe-Verehrung unter der Ägide der Gesellschaft der Freunde Wilhelm Raabes ihre Blütezeit erlebte und die Geselligkeitsformen des Vereins („Feierstunden“) Raum und Publikum für Musikdarbietungen bereitstellten. An dieser Stelle sollen einige der einschlägigen Materialien (Noten und wo möglich Einspielungen) zur Verfügung gestellt werden. Die Vertonungen können rezeptionsgeschichtliche Relevanz beanspruchen; auch mögen sich aus der transmedialen Anverwandlung neue Perspektiven auf das lyrische wie auf das Gesamtwerk Raabes ergeben.
Raabe-Vertonungen
(soweit bisher erschlossen. Stand Januar 2025)
Hans Sommer: Herbst! Leipzig: Brandstetter, 1901.
Paul Graener: Wilhelm Raabe Lieder für eine hohe Singstimme mit Klavierbegleitung op. 83. Berlin u. Leipzig: Bock, 1928.
Nur ein namhafter Komponist findet sich unter den Künstlern, die sich musikalisch mit Raabe auseinandergesetzt haben. Paul Graener (1872-1944), der im Spektrum musikalischer Ausrichtungen seiner Zeit einem konservativ-nationalistischen Flügel angehörte und später dem Nazi-Regime als Funktionär diente, veröffentlichte drei Werke mit Raabe-Bezug.1 Von der kammermusikalischen Tondichtung, dem sogenannten Hungerpastor-Trio op. 20 (1906), liegt eine Aufnahme vor (Paul Graener: Complete Piano Trios. Hyperion-Trio. Georgsmarienhutte: cpo, 2011); ein Vortrag der Klavierstücke op. 58 (1922) findet sich auf YouTube.
Eine Aufnahme der fünf Raabe-Lieder Graeners (op. 83) wurde im Frühsommer 2024 angefertigt und wird hier erstmals der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Mit der Erinnerung an diesen Komponisten ist keine Aufwertung seines ideologisch-politischen Profils beabsichtigt. Sein Werk wird hier als zeitgeschichtliches und als künstlerisches Dokument aufgefasst.
Wunsch und Vorsatz
Ein Briefelein für meinen Schatz
Osterhas
Es bricht herein die dunkel Nacht
Volkslied
Walter Flath: Mein Raabe-Liederbuch für Gesang und Klavier op. 43. Radebeul b. Dresden, 1929.
Florian Krobb
Für zahlreiche Hinweise danke ich dem Präsidenten der Internationalen Wilhelm Raabe-Gesellschaft, Prof. Gert Biegel (Braunschweig). Ergänzungen und weitere Hinweise bitte an Florian Krobb.
1 Florian Krobb: „Und kommen wir heut nicht zusamm, / Geschieht es wohl nach Jahren!“ Paul Graeners Raabe-Musiken. In: Ders.: Realismus-Lektüren. Studien zu Raabe, Fontane, Zeitgenossenschaften und Rezeption. Berlin: Frank & Timme, 2025, S. 339-366.