Dissertationsprojekt
Arbeitstitel: Dissonanz erzählen. Figurenidentität und Romanprofil in der Gegenwartsliteratur.
Im Zuge einer globalen Ausrichtung moderner Staaten entwickeln sich abseits politisch relevanter Verdichtungen auch solche kultureller und gesellschaftlicher Art, wobei zusehends Verweise auf Begriffskategorien von Zugehörigkeit und Identität erfolgen. Gerade aktuell diskutierte Migrationsbewegungen befördern dabei markante Revisionen von Selbstbildern, zumal die traditionell identitätsrelevanten Bezugsgrößen Nation, Kultur und Religion zu stark hybriden Merkmalen des Selbst werden. Die Konstruktion von Identität avanciert unter diesen Voraussetzungen zu einer vieldimensionalen und permanent neu zu aktualisierenden Projekttätigkeit. Berücksichtigt man zudem das sukzessive Verschwinden allgemeinverbindlicher Bezugssysteme, verstärkt sich die Notwendigkeit des Einzelnen, zu einer individuellen Prägung von Identität zu gelangen.
Das germanistische Dissertationsprojekt will unter Rückbezug auf das kulturwissenschaftliche Konzept der Identitätserzählung (Keupp, Hitzler/Honer, Krauss) sowie mit Blick auf die Resonanz-Kategorie (Rosa) symptomatisch zeigen, in welcher Form die literarischen (Gegenwarts-)Texte von Terézia Mora (Alle Tage, Der einzige Mann auf dem Kontinent, Das Ungeheuer), Peter Wawerzinek (Rabenliebe) und Reinhard Jirgl (Abtrünnig) die vom Subjekt in Angriff genommene Etablierung eines interdiskursiven und dynamischen Identitätskonstrukts verhandeln. Ein besonderer Akzent liegt dabei auf dem krisenhaften und Dissonanzen zu Tage fördernden Umgang mit einer perspektivischen Offenheit identitätsrelevanter Sinnangebote. Dass die literarische Bearbeitung des Identitätsparadigmas dabei äußerst konsequent verfährt, versucht die Arbeit vor dem Hintergrund einer dies realisierenden narratologischen Analyse der Erzählstrukturen zu zeigen. Verfahren der Fragmentierung, Multiperspektivität, Intermedialität und Metanarrativität könnten so als Formen der Reflexion spätmoderner Zustände aufgefasst werden.
Die innovative Erprobung vielfältiger Erzählstrategien positioniert die literarischen Texte als solche mit dezidiert poetologischem Anspruch, die so die Vereinbarungen gegenwärtigen Erzählens zur Disposition stellen. In dieser Hinsicht will die Arbeit ein unter anderem auf den theoretischen Annahmen Bernd Mahrs gründendes Roman-Modell als neuartigen Beitrag zur Gattungsdiskussion etablieren.
Vita
seit 10/2016 Assoziierte Mitgliedschaft im DFG-Graduiertenkolleg „Literarische Form. Geschichte und Kultur ästhetischer Modellbildung“ an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster seit 07/2016 Promotionsstipendium der Konrad-Adenauer-Stiftung 2012 – 2015 M.A.-Studium der Germanistik an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster 2009 – 2012 B.A.-Studium der Germanistik und Philosophie an der Ruhr-Universität Bochum