• Dissertationsprojekt

    Arbeitstitel: Das Pferd im Spannungsfeld zwischen Natur und Zivilisation in Montaignes Essais

    Michel de Montaigne (1533-1592) gilt mit seinen Essais 1 (1580, 1588) als Begründer der Essayistik. Seine aphoristischen Abhandlungen behandeln unterschiedliche Themen, beispielhaft seien Freundschaft, Hexen, Bücher, Angst und Kannibalismus genannt. Unter dieser Vielzahl an Betrachtungsgegenständen sticht ein Sujet ganz besonders hervor: das Pferd.
    Montaigne selbst war ein leidenschaftlicher Reiter. In seinen Essais betont er dies an mehreren Stellen explizit und lässt auch implizit durch die Wahl der Reflexionsgegenstände seine Affinität zu Pferden und zum Reiten erkennen: er wendet seinen Blick zum einen dem Pferd als realem Tier und dessen Kulturgeschichte zu (siehe die Essays „Des destriers“ und „Des coches“). Zum anderen widmet er sich dem metaphorischen cheval mit seinen spezifischen Eigenschaften (Bewegungsmuster, Rhythmus, Geschwindigkeit, Kraft etc.) und macht auf diese Weise abstrakte Konzepte wie menschliche Gemütszustände oder Zivilisationsprozesse plastisch.
    Eine literaturwissenschaftliche Betrachtung des Pferdes eröffnet eine neue Perspektive auf die dem Essay immanente2 Frage nach dem Verhältnis zwischen den Konzepten Natur und Kultur. In den Essais, so die These meiner Arbeit, macht Montaigne das Spannungsfeld zwischen dem Naturhaften und der Zivilisation durch das Pferd sichtbar. Das Pferd erscheint dazu als besonders geeignet, da es sowohl naturhafte Eigenschaften und unkontrollierbare Kräfte, als auch kulturtechnischen Nutzen und zivilisatorischen Fortschritt verkörpert. Es ist somit als eine Art literarische Denkfigur zu verstehen. Um diese Hypothese zu verdeutlichen, ziehe ich in meinem Dissertationsprojekt die Mahr’schen Modelltheorie3 heran, mithilfe derer sich das literarische motivierte Pferd in den Essais als Modellobjekt beschreiben lässt. Als solches fungiert das Pferd vor allem als Eidos für sonst schwer fassbare Konzepte wie die menschliche Passio oder Zivilisationsprozesse.
    Die zentralen Fragen der Arbeit lauten: 1) Wie wird in den Essais das Spannungsfeld zwischen Natur und Kultur erzeugt? 2) Auf welche Weise wirkt das Pferd auf die Darstellung dieses Spannungsfeldes ein? Die Dissertationsarbeit kontextualisiert diese Untersuchungsschwerpunkte durch Erläuterungen zur kulturhistorischen Bedeutung des Pferdes im Frankreich des 16. Jahrhunderts, wie beispielsweise Ausführungen zu königlichen Zeremonien und zur Hofkultur der Renaissance sowie der literarischen Verwendung hippologischer Archetypen, etwa der mythologischen Figur des Pegasus. Des Weiteren soll Einblick gegeben werden in die Verwendung von Pferdemetaphern in anderen Gattungsformen einflussreicher Renaissanceautoren wie François Rabelais (1483-1553) und Pierre de Ronsard (1524-1585).
    Das Projekt lässt sich dem zweiten Forschungsschwerpunkt des Graduiertenkollegs, Formwissen und Wissensformen zuordnen, sowie dem Bereich Poetik der Faktizität.

    Fußnoten
    1 Montaigne, Michel de, Les Essais, hrsg. von Jean Balsamo und Alain Legros, Paris: Gallimard 2008.
    Vgl. Adorno, Theodor W., Noten zur Literatur, Berlin [u.a.]: Suhrkamp 1958, S. 41.
    3 Mahr, Bernd, „Modelle und ihre Befragbarkeit. Grundlagen einer allgemeinen Modelltheorie“, in: EWE 26.3, 2015, S. 329-342.

  • Vita

    seit Oktober 2016 Promotionsstipendiatin der Deutschen Forschungsgemeinschaft im Rahmen des Graduiertenkollegs „Literarische Form. Geschichte und Kultur ästhetischer Modellbildung“ an der WWU Münster
    10/2016 – 01/2017       Tutorin am Romanischen Seminar der WWU, Tutorium zur Einführung in die Französische Literaturwissenschaft (Prof. Dr. Bauer-Funke, Dr. Scharold)
    10/2016 Master of Education mit den Fächern Französisch und Anglistik an der WWU Münster
    09/2015 – 01/2016       Praxissemester am Gymnasium Nottuln (Englisch, Französisch, Deutsch als Fremdsprache)
    06/2014 – 10/2016       Studentische Hilfskraft am Romanischen Seminar der WWU (Prof. Dr. Westerwelle)
    09/2013 – 01/2014       Studium an der Université Lumières Lyon II, gefördert durch ein ERASMUS-Stipendium
    02/2013 – 03/2013          Berufsfeldpraktikum in London (Mudchute Park and Farm)
    10/2011                         Studiumsbeginn der Fächer Französisch und Anglistik an der WWU Münster