Dissertationsprojekt
Arbeitstitel: „Die Ambivalenz der Form. Das dichterische Werk Pierre de Ronsards zwischen politischem Interesse und künstlerischer Form“
Durch die Herausgabe der Quatre Premiers Livres des Odes (1550) und des Cinquième Livre des
Odes (1552) stellt sich Ronsard bewusst in die Tradition der griechischen und römischen
Odendichtung der Antike, deren wichtigste Vertreter Pindar (522/518 v. Chr. Bis ca. 446 v. Chr.)
und Horaz (65 v. Chr. bis 8 v. Chr.) er am Pariser Collège de Coqueret unter der Anleitung Jean
Dorats eingehend studiert hat. Auf der Grundlage der Rezeption ihrer lyrischen Dichtung führt
Ronsard die Gattung der Ode als neue Form der enkomiastischen Poesie in die französische
Literatur ein. Dies geschieht in Abgrenzung zu unmittelbar vorangehenden und bei Hofe
erfolgreichen Konkurrenzmodellen der französischen Dichtung, die im Au lecteur betitelten Vorwort
der Oden explizit benannt werden. Darunter fallen u.a. die berühmten Psalmennachdichtungen
Clément Marots (Psaumes, 1543), die im geistesgeschichtlichen Kontext einer neuen und spezifisch
calvinistischen Form der verinnerlichten Frömmigkeit stehen und die im Laufe des 16. Jahrhunderts
eine große Rezeption erfahren. Im Rahmen seiner poetologischen Reflexion weist Ronsard die
Psalmendichtung als Form religiös motivierten Dichtens, die vor allem auf die persönliche
Erbauung des Lesers abzielt und deren Rezeption im Bereich des Affektiven und der Intimität zu
verorten ist, zurück. Stattdessen vollzieht er durch die Wiederbelebung der antiken Ode eine
Hinwendung zu einer dezidiert profanen Form der Dichtung, deren Gegenstände im Bereich des
Öffentlichen angesiedelt sind und im Medium der Poesie öffentlichkeitswirksam verhandelt werden.
Beim Publikum, an das sich Ronsard mit seinen Odes wendet, handelt es sich um eine
differenzierte höfische Öffentlichkeit, die seit der Herrschaft Franz I. ein an italienischen Vorbildern
orientiertes System der künstlerischen Patronage herausgebildet hatte. So ist der Dichter bei Hofe
mit zahlreichen künstlerischen Disziplinen konfrontiert, die wie er die Patronage des Königs und
des Adels erhoffen. Neben Bildhauern und Malern profitieren vor allem die Architekten, deren
Beruf sich in Frankreich erst um die Mitte des 16. Jahrhunderts herausbildet, vom königlichen
Mäzenatentum. Beauftragt mit der Planung und Ausführung gewaltiger Schlossbauten wie
Chambord, Fontainebleau oder dem Louvre erhalten sie nicht nur ein an damaligen Verhältnissen
gemessen erhebliches Einkommen, sondern bestimmen maßgeblich die künstlerische
Repräsentation der französischen Monarchie.
Dieser Umstand fordert die poetologische Reflexion des Dichters heraus, der in den bildenden
Künsten wirkungsmächtige Konkurrenzmodelle der höfischen Panegyrik erkennt. Im Zentrum
meines Dissertationsprojektes steht daher die Frage, inwiefern und mit welcher Intention Ronsard
die bildenden Künste in seine poetologische Reflexion über den literarischen Formbegriff
einbezieht und ob den Künsten ein Modellcharakter zugesprochen wird, mittels dessen poetische
Form generiert werden kann. Der Fragestellung liegen dabei zwei Sachverhalte zugrunde, die im
Folgenden kurz erläutert werden.
Erstens vollzieht sich in der Kunst der Renaissance ausgehend von Italien eine Aufwertung der
Form, die zunehmend ins Zentrum des künstlerischen Interesses rückt und sich von inhaltlichen
Anforderungen emanzipiert. Dies impliziert eine vertiefte Reflexion über die Form und die
Möglichkeiten ihrer Hervorbringung. Zweitens vollzieht sich im Frankreich des 16. Jahrhunderts
ein vor allem im Umfeld des Königshofes angesiedelter tiefgreifender Einschnitt in die Entwicklung
und Konzeption der bildenden Künste. Ausgehend von der Beschäftigung mit der Kunst der
italienischen Renaissance, die besonders infolge der italienischen Feldzüge (1494-1559) der
französischen Könige in Frankreich rezipiert wird, bilden sich sowohl im Bereich der Architektur
als auch der Skulptur und der Malerei neue künstlerische Formen heraus, die sowohl vom
Königtum als auch der es umgebenden höfischen Gesellschaft als öffentlichkeitswirksame Medien
der Repräsentation von Macht und höfischen Tugenden erkannt werden. Dieser Umstand ist von
Bedeutung für das Verständnis der Kunstbezüge im Werk Ronsards, der die bildenden Künste vor
dem Hintergrund seiner Konzeption panegyrischen Dichtens als Konkurrenzmodelle erkennt, die
durch ihre an die Materie gebundene Form in erster Linie die Sinne ansprechen und somit eine
größere Öffentlichkeitswirkung erzielen.
In den Odes erfolgt die Verhandlung des Formbegriffes jedoch nicht nur in Auseinandersetzung mit
verschiedenen Bereichen des kunstlerischen Schaffens, sondern ebenfalls auf einer ubergeschalteten
Ebene des philosophischen Diskurses, dessen Gegenstand Ursprunge und Mechanismen der
Erkenntnisgewinnung sind. In einem weiteren Teil meines Promotionsprojektes wird daher
Ronsards poetologische Funktionalisierung des erkenntnistheoretischen Diskurses der fruhen
Neuzeit untersucht, um zu zeigen, dass der künstlerische Formbegriff von Ronsard ebenfalls auf
einer Metaebene problematisiert wird, um allgemeine Fragen der geistigen und künstlerischen
Formgebung für seine dichtungstheoretische Reflexion wirksam zu machen.Vita
seit Oktober 2016 Promotionsstipendiat der Deutschen Forschungsgemeinschaft im Rahmen des Graduiertenkollegs "Literarische Form. Geschichte und Kultur ästhetischer Modellbildung" an der WWU Münster 04/2014 - 10/2016 Stipendium der Studienstiftung des deutschen Volkes 02/2014 - 11/2016 Studium an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster
Fächer: Romanistik trilingual, Kunstgeschichte
Abschluss: Master of Arts10/2010 - 02/2014 Studium an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster
Fächer: Kunstgeschichte, Romanische Philologie: Französisch
Abschluss: Bachelor of ArtsLehre
WS 2013/14 - WS 2016/17 Studentische Hilfskraft bei Frau Prof. Dr. Westerwelle (Romanisches Seminar: Französische Abteilung der WWU Münster)
WS 2014/15 und WS 2015/16 Tutor zur Einführung in die französische Literaturwissenschaft am Romanischen Seminar der WWU Münster