Sondergericht Bielefeld
Sondergerichte wurden schon während der Weimarer Republik in Zeiten politischer Spannungen eingesetzt. Während der NS-Zeit waren sie ein Instrument zur Einschüchterung und Gleichschaltung der Bevölkerung. Sie wurden „Standgerichte der inneren Front“ genannt. Zum Schutz von Volk und Staat wurden sie ab 1933 reichsweit eingesetzt. Infolge des steigenden Arbeitsanfalls in der Kriegszeit erhöhte sich ab 1939 die Zahl der Sondergerichte im Deutschen Reich auf 73 – darunter das Sondergericht Bielefeld, das im Zeitraum 18. Dezember 1940 – 18. März 1945 auch in Münster tagte. Dabei wurden durchgeführt: 233 Verfahren gegen das Heimtückegesetz, ab 1934 633 Verfahren gegen so genannte Volksschädlinge – dazu gehörten Personen, die angeklagt waren wegen Schwarz-Schlachtens, Hören von Feindsendern, Verbreitung von Gerüchten, Beihilfe zur Fahnenflucht, Beteiligung an Veranstaltungen der Zeugen Jehovas. Das Sondergericht Bielefeld sprach 60 Todesurteile aus – 50 wurden vollstreckt.
Der Staatsanwaltschaft kam eine herausragende Bedeutung zu. Entscheidend war, dass gegen die Entscheidungen des Sondergerichts kein Rechtsmittel eingesetzt werden konnte. Das gefällte Urteil war sofort rechtskräftig. Auch unterlagen die Sondergerichte nur der Kontrolle des Reichsjustizministeriums und der Gestapo.
Im Gebäude des Landgerichts Münster (heute Amtsgericht) wurde von dem Sondergericht Bielefeld Wilma Hesselink, geb. Achnitz, eines Volksschädlingsverbrechens angeklagt. Sie hatte Lebensmittelkarten gefälscht und unterschlagen. Mit ihr waren drei weitere Personen angeklagt, die diese Karten erhalten hatten und die zu Haftstrafen verurteilt wurden. Wilma Hesselink – geb. 15. August 1911 – war 1933 Mitglied der NSDAP geworden. 1940 war sie nach ihrer zweiten Heirat nach Münster in die Kanalstraße gezogen. Zunächst war sie ehrenamtliche Helferin bei der Bezugsscheinstelle der Stadt, danach Dienststellenleiterin. Als Volksschädling wurde sie am 10. April 1943 zum Tode verurteilt. Die Gnadengesuche ihres Anwalts und der beiden Schwestern wurden abgelehnt. Am 17. Mai 1943 wurde sie in Wolfenbüttel hingerichtet.
Peter Schilling
Zum Weiterlesen
Gisela Diewald-Kerkmann: Vor braunen Richtern. Die Verfolgung von Widerstandshandlungen, Resistenz und sogenannter Heimtücke durch die Justiz in Bielefeld 1933-1945, Bielefeld 1992.
Quelle