Landgericht Münster
Das Landgericht Münster hat seinen Sitz in einem roten Backsteinbau aus den 1980er Jahren Am Stadtgraben 10. Sein ursprünglicher Standort befindet sich nur wenige Meter entfernt, an der heutigen Gerichtsstraße 2. Bei Beginn des Baus des Gebäudes im Jahr 1875 war man noch davon ausgegangen, hier werde einmal das Königlich Preußische Appellationsgericht sitzen. Das Gerichtsverfassungsgesetz von 1877 als Teil der sogenannten Reichsjustizgesetze führte indes zu einer Umstrukturierung der Gerichtsorganisation und zur Einführung von Amtsgerichten, Landgerichten und Oberlandesgerichten im gesamten Deutschen Reich. Das 1879 eröffnete Gebäude diente somit als Sitz für das Amtsgericht und das Landgericht sowie für die Staatsanwaltschaft Münster. Der Landgerichtsbezirk Münster umfasste zunächst 22 Amtsgerichte, wurde aber schon bald verkleinert. Den Landgerichten Bochum und Essen wurde die Zuständigkeit über vier seiner ursprünglichen Amtsgerichte übertragen.
In den schicksalhaften Jahren Deutschlands folgte die Tätigkeit des Landgerichts Münster im Wesentlichen den Entwicklungslinien der deutschen Justiz. In der Weimarer Republik kamen die Täter eines Bombenanschlags auf das Druckereigebäude der sozialdemokratischen Zeitschrift „Volkswille“ in einem Hinterhof mitten im Südviertel Münsters in den Genuss eines milden Urteils. Der Vorsitzende Richter der Schwurgerichtskammer begründete die Verhängung von fünf Jahren Zuchthaus – der niedrigsten Strafe, die nach der geltenden Rechtslage möglich war – damit, die Überzeugung der Täter, im Dienst der nationalen Sache zu handeln, sei „ein Beweggrund, den man verstehen kann“. Nach der sogenannten Machtergreifung wurde der einzige jüdische Richter am Landgericht seines Amtes enthoben. 1944 waren 82% der Richterschaft im Landgerichtsbezirk Mitglieder der NSDAP. Die Zuständigkeit des Landgerichts wurde durch die Errichtung von nationalsozialistischen Sondergerichten in Dortmund und Bielefeld eingeschränkt. Ein Erlass des Reichsjustizministers vom Oktober 1944 delegierte die Kompetenz zur Einrichtung von Sondergerichten für Plünderungsfälle auf die Präsidenten der Landgerichte. Am 1. Dezember 1944 wurde daraufhin eine Strafkammer des Landgerichts Münster zum Sondergericht für Plünderungsfälle erklärt.
Das Gerichtsgebäude wurde im Zweiten Weltkrieg mehrfach von Bomben getroffen. Am 25. März 1945 wurde es faktisch zerstört. Nach Kriegsende erfolgte der Wiederaufbau, der im Herbst 1951 abgeschlossen wurde.
Der Bau des heutigen Sitzes des Landgerichts erfolgte auf dem Gelände einer ehemaligen Zweiganstalt der Justizvollzugsanstalt Münster. Die Arbeiten begannen im Jahr 1982, fast zehn Jahre nachdem der Beschluss zum Neubau gefasst war, und dauerten fünf Jahre. Der Entwurf des Gebäudes stammt von dem bekannten Münsteraner Architekten Harald Deilmann. Der ursprüngliche Plan sah vor, das alte Justizgebäude abzureißen, das allerdings 1984 unter Denkmalschutz gestellt wurde. Somit erfolgte der rund 53 Mio. DM teure Neubau unter Erhalt des alten Gebäudes, das weiterhin als Sitz des Amtsgerichts Münster dient. Amtsgericht, Landgericht und Staatsanwaltschaft sind seit 1992 durch einen Verbindungstrakt miteinander verknüpft. Der Gebäudekomplex trägt den Namen „Justizzentrum Münster“.
Das Landgericht Münster ist heute für die Kreise Borken, Coesfeld, Steinfurt und Warendorf sowie für die Stadt Münster und somit für ca. 1,6 Millionen Einwohner zuständig. Es ist für insgesamt 15 Amtsgerichte die nächsthöhere Instanz. Als Instanz über dem Landgericht fungiert das Oberlandesgericht Hamm.
Im 4. Obergeschoss des Landgerichts befindet sich eine Bibliothek, die ca. 18.000 Bände umfasst. Justizbediensteten, Rechtsanwälten und Referendaren stehen die Bestände zur Recherche frei. Im Gebäude werden regelmäßig Kunstwerke ausgestellt. Im Wintergarten des Gerichts befindet sich die Installation „Springender Rehbock“ von Luzia-Maria Derks als Dauerausstellung.
Moritz Vormbaum
Zum Weiterlesen
Dietmar Klenke: Alles was Recht ist. Zur Geschichte des Gerichtswesens in Münster 793-1993. Begleitband zur Ausstellung vom 22.5. bis 30.7.1993 im Landgericht Münster.
Lukas Speckmann: Viel Verständnis für die Bombenleger. Vor 100 Jahren wurden die „Volkswille“-Attentäter verhaftet, in: Westfälische Nachrichten vom 13.12.2023.