Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen
Das Oberverwaltungsgericht des Landes Nordrhein-Westfalen – auch als OVG Nordrhein-Westfalen oder OVG Münster bezeichnet – ist das zweitinstanzliche Gericht der Verwaltungsgerichtsbarkeit, die in Deutschland das Handeln der öffentlichen Verwaltung kontrolliert. Es wurde 1949 durch eine Verordnung der Landesregierung errichtet. Der Gerichtssitz wurde nach Münster und damit in den Landesteil Westfalen gelegt. Wie in anderen deutschen Ländern zeigt diese Standortentscheidung das Bemühen um eine gleichmäßige Berücksichtigung der Landesteile mit wichtigen Institutionen des Landes und die Schaffung einer auch räumlichen Distanz zwischen dem Regierungssitz und dem zur Kontrolle der Verwaltung berufenen Obergericht.
In jedem Land gibt es nur ein Oberverwaltungsgericht. Sie entscheiden über Rechtsmittel gegen Entscheidungen der Verwaltungsgerichte und in erster Instanz über die Gültigkeit untergesetzlicher Normen, über bestimmte Großvorhaben und Verbandsklagen nach dem Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz. Gegen ihre Entscheidung kann das Bundesverwaltungsgericht angerufen werden. Soweit es um die Auslegung von Landesrecht geht, sind die Oberverwaltungsgerichte jedoch die letzte Instanz. Das Oberwaltungsgericht entscheidet durch Senate, denen regelmäßig drei Berufsrichter und zwei ehrenamtliche Richter angehören, außerhalb der mündlichen Verhandlung durch die drei Berufsrichter. Unter bestimmten Voraussetzungen können die Senate die Entscheidung auch einem ihrer Mitglieder als Einzelrichter übertragen. In den 22 Senaten des Oberverwaltungsgerichts arbeiten 83 Richterinnen und Richter, der Frauenanteil beträgt 45 %; von den 96 Bediensteten des nichtrichterlichen Dienstes sind 76 % Frauen (Stand August 2024).
Nach seiner Errichtung wurde das Oberverwaltungsgericht im Offizierskasino des früheren Kürassierregiments „von Driessen“ Nr. 4 an der Steinfurter Straße 104 (seit 1987 Baudenkmal) untergebracht. Das Gebäude war relativ gut erhalten; u.a. verfügte es über ein intaktes Bad mit Gasheizung, das alle Gerichtsangehörigen gegen einen Obolus von 40 Pfennig nutzen konnten, wovon rege Gebrauch gemacht wurde. Von vornherein war jedoch vorgesehen, dass das Oberverwaltungsgericht seinen Sitz im eigens dafür wiederaufgebauten Heeremann‘schen Hof an der Königstraße 47 haben sollte. Dorthin zog es Ende 1951 um. Im Gebäude, einem Baudenkmal, erinnern die Bezeichnungen einzelner Räume und in einem Raum ein Podium für die frühere Richterbank noch an die Zweckbestimmung des Wiederaufbaus für das Oberverwaltungsgericht. Weil sich die Zahl der Bediensteten inzwischen fast verdoppelt hatte, mussten aber schon seit 1952 Räume in umliegenden Gebäuden angemietet werden.
Am Aegidiikirchplatz 5 wurde deshalb ein Neubau errichtet. Den Wettbewerb gewannen 1958 die Architekten Wilhelm und Dieter-Georg Baumewerd, mit der künstlerischen Gestaltung der großen Halle und des Vorplatzes wurde Rolf Crummenauer von der Kunstakademie Düsseldorf beauftragt. Auf dem Gelände hatte bis 1828 ein Kapuzinerkloster mit einem zweigeschossigen Kreuzgang gestanden, das an die heutige Aegidiikirche grenzte. Räumlich etwas versetzt sollte der anfangs zweigeschossige Bau mit den innen offen umlaufenden offenen Gängen um die große Halle und der Gestaltung des Vorplatzes daran erinnern. Die Architektur war Ende der fünfziger Jahre nicht unumstritten. So setzte sich der erste Präsident des Oberverwaltungsgerichts Dr. Paulus van Husen, der bis 1959 im Amt war, unter Hinweis auf die Umgebungsbebauung vehement gegen die moderne Gestaltung und für eine Lösung mit der Schlaun’schen Kombination von rotem Backstein mit Sandstein und Sprossenfenstern ein. Am 29. Mai 1963 wurde der Neubau vom Gericht feierlich übernommen.
Das Gebäude, in dem bis 2022 auch der Verfassungsgerichtshof untergebracht war, wurde zweimal erweitert. Das Hauptgebäude und der westlich angegliederte Präsidententrakt mit den Sitzungsräumen und der Bibliothek wurden Mitte der siebziger Jahre aufgestockt. Dennoch mussten einige neu eingerichtete Senate nach 1983 wieder in den mit dem Umzug des Verwaltungsgerichts frei gewordenen Heeremann’schen Hof einziehen. Dieses Anwachsen des Raumbedarfs spiegelt die mit der Etablierung der Verwaltungsgerichtsbarkeit steigende Inanspruchnahme wider, die sich seit den achtziger Jahren durch Asylverfahren stark erhöhte. Dieses Wachstum ging u.a. durch die Einschränkung des Rechtsschutzes in Asylsachen seit der Grundgesetzänderung 1993 und der Einführung der Berufungszulassung im Jahre 1997 zu Ende. Seit 2010 in der großen Halle eine gläserne Bibliothek errichtet und die bisherigen Bibliotheksräume im Seitentrakt zu Büros umgebaut wurden, reicht das Gebäude für das Oberverwaltungsgericht aus. Die beiden großen Skulpturen „Zwei Menschen“ von Ung-Pil Byen stehen als unbefristete Leihgaben schon seit 2004 in der Halle.
Janbernd Oebbecke
Zum Weiterlesen
Die Verwaltungsgerichtsbarkeit im Land Nordrhein-Westfalen 1945 – 1969, Dokumentation, hg. vom Präsidenten des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen, Münster 1970.
Verwaltungsgerichtsbarkeit in Nordrhein-Westfalen 1949 – 1999, Festschrift, hg. vom Präsidenten des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen, Münster 1999.