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Bischöfliches Palais

Die mitunter auch als bischöflicher Hof bezeichnete Dreiseitenanlage des bischöflichen Palais befindet sich am Domplatz 27 schräg gegenüber von den Westtürmen des Doms. Der 1732 zunächst als Sitz des Domdechanten (Vorsteher des Domkapitels nach innen) errichtete und genutzte Bau diente seit 1825 als Residenz des Bischofs von Münster und war seitdem zugleich Sitz des bischöflichen Generalvikariats. Das Generalvikariat (auch Generalordinariat) war und ist bis heute die zentrale Verwaltungsbehörde des Bistums Münster. Zuständig ist es für den organisatorischen Alltag, Finanzfragen, Personalangelegenheiten, aber auch für die Ausbildung des Nachwuchses oder den Bau und Erhalt der Gebäude des Bistums.

Daneben hatte nach 1825 auch das Bischöfliche Offizialat, also das kirchliche Gericht der Diözese Münster, zeitweise seinen Sitz im Palais. Im Namen des Bischofs erteilte es Dispensen, also Befreiungen von einem Verbot oder Gebot, und war für die die Durchführung von kirchlichen Gerichtsverfahren zuständig, die neben innerkirchlichen Konflikten vor allem Aspekte des Familienrechts betreffen (heute im wesentlichen Ehenichtigkeitsprozesse). Das Offizialat war und ist daneben für die Vorbereitung von Selig- und Heiligsprechungsprozessen zuständig, so etwa im Fall der 2005 erfolgten Seligsprechung von Kardinal Clemens August von Galen (1878-1946). Intensiv diskutiert wurde die Rolle der innerkirchlichen Gerichtsbarkeit zuletzt im Rahmen der Aufarbeitung der Fälle von sexuellem Missbrauch in der katholischen Kirche. In seiner Funktion als Untersuchungsbehörde und Gericht hat es im Bistum Münster zwar nicht durchweg, aber doch in erheblichem Umfang versagt. Untersucht wurde dies im Auftrag des Bistums von einer allerdings völlig unabhängig arbeitenden Gruppe von Historiker:innen um Prof. Dr. Thomas Großbölting an der Universität Münster. Die Ergebnisse wurden 2022 in einer auch online verfügbaren Studie veröffentlicht.

Bei den Luftangriffen am 10. Oktober 1943 stark zerstört, wurde das bischöfliche Palais ab 1949 schrittweise wieder aufgebaut, allerdings wurde für das Haupthaus eine architektonisch schlichtere Form gewählt. Die ohnehin eher schmucklosen Seitenflügel sind allerdings exakte Rekonstruktionen, das von Johann Conrad Schlaun entworfene Gitter zur Absperrung des Ehrenhofs ist noch das Original. Seit dem Wiederaufbau ist das Gebäude wieder Residenz des Bischofs sowie Sitz des Generalvikariats und bis 1981 auch des Offizialats.

Ulrike Ludwig

 

Zum Weiterlesen

Bernhard Frings, Thomas Großbölting, Klaus Große Kracht, Natalie Powroznik und David Rüschenschmidt: Macht und sexueller Missbrauch in der katholischen Kirche. Betroffene, Beschuldigte und Vertuscher im Bistum Münster seit 1945, Herder, Freiburg 2022, online unter: https://www.uni-muenster.de/imperia/md/content/wwu/journalisten/macht_und_sexueller_missbrauch_im_bistum_muenster.pdf.