© KHK EViR/Jona Moritz

Bischöfliches Offizialat

Das Bischöfliche Offizialat ist das Gericht der Diözese Münster. Es ist zu unterscheiden vom Bischöflich Münsterschen Offizialat, der kirchlichen Oberbehörde im niedersächsischen Teil der Diözese Münster mit Sitz in Vechta. Nach der Neuumschreibung der Diözese 1821 wurde das Offizialat im Jahr 1864 errichtet. 2002 wurde es als erste Instanz für die Diözese Reykjavik zuständig sowie 2019 für die Diözese Essen. Als Berufungsgericht ist es zweite Instanz für die Erzdiözesen Köln und Paderborn. Seit der Ausbildung der bischöflichen Gerichtsbarkeit (Audientia episcopalis) in der Spätantike ist es zwar zunächst der Diözesanbischof selbst, der in seinem Sprengel der Richter erster Instanz für alle Sachen ist, die vom kirchlichen Recht nicht ausdrücklich ausgenommen sind, und der seine richterliche Vollmacht persönlich ausüben kann; doch muss er nach den geltenden Bestimmungen des kirchlichen Gesetzbuches, des Codex Iuris Canonici (von 1983), auch einen Gerichtsvikar (Offizial) mit ordentlicher Rechtsprechungsvollmacht bestellen. Dieser leitet als sein ständiges Vertretungsorgan das Offizialat. In Münster ist erstmals 1265 ein Offizial für das Hochstift nachweisbar. Wegen der Größe des Offizialats ist dem Offizial immer wenigstens ein Vizeoffizial mit ebenfalls richterlicher Vollmacht zur Seite gestellt. Derzeit (2024) wirken weitere 15 Richterinnen und Richter in den jeweils zu bildenden Kammern, vier Ehebandverteidigerinnen und -verteidiger sowie ein Kirchenanwalt als amtlicher Vertreter des öffentlichen Wohls der Kirche in den Verfahren mit. Deren Zahl liegt bei ca. 70 pro Jahr.

Das Offizialat am Dom
© Bischöfliches Offizialat

Das Prozessrecht ist rein kirchliches Recht. Die richterliche Vollmacht leitet sich zwar von der des Diözesanbischofs ab, doch sind die Richter weisungsunabhängig und sprechen nicht in seinem Namen Recht.

Im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit war das Offizialat zuständig für die Ausübung der streitigen Gerichtsbarkeit über die Geistlichen, über deren Beamten und Angestellten sowie für Ehesachen. Auch wurde es in großem Umfang von Geistlichen und Laien in Sachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit genutzt. Seit der Säkularisation 1803 werden vor dem Offizialat nur noch rein innerkirchliche Rechtsstreitigkeiten verhandelt, schwerpunktmäßig Ehesachen, gelegentlich auch Strafverfahren und Materien, die im ordentlichen Streitverfahren (z. B. Vermögensstreitigkeiten) behandelt werden.

War ursprünglich das Paradies des mittelalterlichen Domes Ort der Rechtsprechung, woran die Bildnisse Christi des Weltenrichters und des hl. Paulus mit dem Richtschwert über dem Eingang erinnern, blieb das kirchliche Gericht auch später stets in der Nähe des Domes, über viele Jahrzehnte im Bischofshaus am Domplatz und seit 1981 am Horsteberg, angebaut an den Kreuzgang.

Hermann Kahler

 

Zum Weiterlesen

Heinrich Mussinghoff: Das Bischöfliche Offizialat Münster. Anmerkungen zu seiner Geschichte, in: Klaus Lüdicke, Heinrich Mussinghoff, Hugo Schwendenwein (Hg.): Iustus Iudex. Festgabe für Paul Wesemann zum 75. Geburtstag von seinen Freunden und Schülern (Münsterischer Kommentar zum Codex Iuris Canonici, Beiheft 5), Essen 1990, 143-182.