Datum: 10. Juli 2024 Uhrzeit: 15:00 bis 18:00 Uhr Raum: Seminarraum RS 23, Institut für Sinologie und Ostasienkunde, Schlaunstr. 2, 48143 Münster Zum Lageplan
Als erfolgreiche Wissenschaftsnation ist die VR China als Forschungsstandpunkt und Austauschpartner im Bereich Bildung höchst relevant für deutsche Hochschulen und Forschungsinstitute. Gleichzeitig versteht die China-Strategie der Bundesregierung China vor wachsenden geopolitischen Herausforderungen als systemischen Rivalen – jede wissenschaftliche Kooperation muss sich deswegen aktuell mit Fragen der Meinungs- und Wissenschaftsfreiheit, des geistigen Eigentums und der Wirtschaftsspionage auseinandersetzen. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, wie akademische Zusammenarbeit mit China im Hochschulbereich aktuell gestaltet werden kann.
Die Veranstaltung "Wissenschaftlich Kooperieren mit China" nähert sich dieser Fragestellung durch zwei Vorträge, die Einblick in die Herausforderungen und Chancen der Zusammenarbeit mit China geben. Im Vordergrund stehen dabei die Fragen nach der China-Kompetenz an deutschen Hochschulen sowie das chinesische Verständnis von Rechtsstaatlichkeit.
Fotos der Veranstaltung
Programm
15:00 Uhr
Begrüßung
Prof. Dr. Michael Quante, Prorektor für Internationales, Transfer und Nachhaltigkeit
15:10 Uhr
Einleitende Worte
Jun.-Prof. Dr. Anne Schmiedl, Institut für Sinologie und Ostasienkunde
15:20 Uhr
Vorträge
Dr. des. Sabine Weber (Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Verbundprojekt KoWinChi – Kompetent wissenschaftlich interagieren mit China)
Zwischen Wissenschaftsfreiheit und Exportkontrolle – Die Rolle der China-Kompetenz im Kontext der gewandelten Rahmenbedingungen in der wissenschaftlichen Kooperation mit der VR China
Dr. Daniel Sprick (Universität zu Köln, Lehrstuhl für chinesische Rechtskultur)
Chinas Verständnis von Rechtsstaatlichkeit als Herausforderung für die Wissenschaftskooperation
16:30 Uhr
Diskussion
Vorträge
Dr. des. Sabine Weber
(Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Verbundprojekt KoWinChi – Kompetent wissenschaftlich interagieren mit China)
Frau Sabine Weber studierte an den Universitäten Bonn und Bochum Asienwissenschaften: Chinesisch bzw. Chinesische Sprache und Literatur, und schloss ihre Studien 2023 mit ihrer Promotion im Fach Sinologie dort ab. Während ihrer Forschung zum klassischen Roman der Ming- und Qingzeit absolvierte sie mehrjährige Studienaufenthalte an der Universität Madison-Wisconsin und der Beijing Foreign Studies University und arbeitete darüber hinaus seit 2015 als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Orient- und Asienwissenschaften der Universität Bonn. Hier war sie ab 2018 primär im Rahmen des Masterprogramms "Wirtschaft und Gesellschaft Asiens" tätig, in welchem sie die Zuständigkeit für politische und soziologische Fragen des zeitgenössischen Chinas innehatte. Im Dezember 2023 hat Frau Weber an die FAU Erlangen-Nürnberg gewechselt und ist dort seither als Koordinatorin für das durch den BMBF-finanzierte Verbundprojekt "KoWinChi – Kompetent wissenschaftlich interagieren mit China" verantwortlich.
Zwischen Wissenschaftsfreiheit und Exportkontrolle – Die Rolle der China-Kompetenz im Kontext der gewandelten Rahmenbedingungen in der wissenschaftlichen Kooperation mit der VR China
Spätestens seit Xi Jinpings Amtsantritt 2012/13 ist das Aufstreben Chinas reguläres Thema internationaler Diskurse, und seit 2019 im Strategiepapier der Europäischen Kommission in seiner Tragweite auch Seitens der deutschen Regierung anerkannt. Die Volksrepublik sei "Partner", "Wettbewerber" und "Rivale" auf der Weltbühne und daher verlange es in "Politik, Wirtschaft, Bildung und Wissenschaft" nach mehr "China-Kompetenz". Die Frage, worum es sich bei dieser "China-Kompetenz" im Einzelnen nun genau handeln solle, wurde seither bereits vielfach beantwortet, aber letztlich immer noch nicht geklärt.
Auch für die deutsche Wissenschaft hat sich dieser Diskurs als folgenschwer erwiesen – so ist der Bereich der Bildung und Forschung direkt benannt (s. o.), und die akademische Welt damit Teil des immanenten politischen Adressatenkreises. Dass die wissenschaftliche Kooperation mit China erstrebenswert ist, steht außer Frage. Dabei wirkt es jedoch zunehmend blauäugig, anzunehmen, die eigene Forschung habe in der Ära Xi Jinping keinerlei politische Dimension – gleich wie theoretisch oder humanitär sie erscheinen mag. Umgekehrt stellt sich die Frage, ab wann risikobewusste Vorsichtsmaßnahmen Gefahr laufen, die freie Wissenschaft einzuschränken oder gar drohen, in Generalverdacht auszuarten. Genau an diesem Angelpunkt ist die geforderte China-Kompetenz gefragt – und zwar eine nicht traditionell interkulturell ausgelegte, sondern eine praxis- und sachorientierte Kompetenz bürokratischer, politischer und juristischer Natur.
Im Vortrag wird sich genau diesem Balanceakt und seinen Zusammenhängen gewidmet. Es werden die Diskurse hinter und der Aufbau von "China-Kompetenz" in der deutschen Hochschullandschaft beleuchtet und ein differenzierter Blick auf die Konsequenzen für die Gestaltung wissenschaftlicher Kooperationen mit der VR China geworfen.
Dr. Daniel Sprick
(Universität zu Köln, Lehrstuhl für chinesische Rechtskultur)
Daniel Sprick ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für chinesische Rechtskultur an der Universität zu Köln. Seine Forschungsgebiete umfassen unter anderem das gegenwärtige chinesische Strafrecht, Justizreformen, Regulierung von AI sowie inter- und transnationale Dimensionen des chinesischen Rechts. Jüngste Publikationen befassen sich z. B. mit dem Einfluss der Medien auf Strafverfahren in China, mit dem Straftatbestand des illegalen Fundraisings oder dem Staatenimmunitätsgesetz. Er unterrichtet regelmäßig Kurse zum traditionellen chinesischen Recht, zum chinesischen Wettbewerbs- und Kartellrecht, zu China und dem Internationalen Wirtschaftsrecht sowie zur chinesischen Wirtschaftskriminalität und zum Wirtschaftsstrafrecht. Beratend war er unter anderem tätig für das Europäische Parlament oder das niederländische Außenministerium zu Fragen der Investoren-Staat-Streitbeilegung, zu den internationalen Handelsgerichten Chinas und zum chinesischen Verständnis von Menschenrechten.
Chinas Verständnis von Rechtsstaatlichkeit als Herausforderung für die Wissenschaftskooperation
Wissenschaftliche Kooperationen mit Partnern aus der Volksrepublik China geraten in letzter Zeit leicht in den Verdacht, zu naiv mit sicherheitsrelevanten, politischen oder ethischen Problemen umzugehen. Es steht dabei sogar die Frage im Raum, ob eine wertegebundene, verlässliche und verantwortungsvolle Zusammenarbeit mit China im Bereich der Wissenschaft überhaupt noch möglich ist. Hierbei ist es nicht zuletzt das chinesische Recht, welches Strukturbedingungen schafft, in denen etliche Risiken für eine rechtssichere, produktive und partnerschaftliche Kooperation mit China begründet liegen.
Anhand von einigen praxisrelevanten Beispielen soll dieser Vortrag einen Einblick in die Komplexitäten des chinesischen Rechts geben, um eine weitere Perspektive für ein differenziertes Bild der Risiken und Herausforderungen in der Wissenschaftskooperation zu liefern. Hierbei sollen Fragen der Rechtskultur und des chinesischen Verständnisses von Rechtsstaatlichkeit genauso erörtert werden wie die Rolle der Kommunistischen Partei Chinas im chinesischen Rechtssystem. Konzeptionelle Entwicklungen wie die "auslandsbezogene Rechtsherrschaft (涉外法治)" und Probleme der konkreten Rechtsanwendung werden im Spiegel konkreter Rechtsprobleme aus dem Patentrecht, dem Datensicherheitsrecht oder dem Anti-Spionagerecht dargestellt und analysiert.