„Vorsicht: Kann Spuren von Haselnüssen enthalten“
Lebensmittelallergien sind zunehmend „in aller Munde“: Beinahe jede und jeder kennt Menschen mit einer Lebensmittelallergie oder ist selbst betroffen. Die Verbreitung von Lebensmittelallergien in den westlichen Industrieländern ist in den vergangenen zwei Jahrzehnten stark gestiegen und wird mittlerweile auf ungefähr fünf Prozent geschätzt.
Seit ein paar Jahren ist daher in der EU vorgeschrieben, dass 14 besonders relevante Allergene, darunter Nüsse, Eier, Milch und Sellerie, im Zutatenverzeichnis von Lebensmitteln besonders hervorgehoben werden müssen. Allergiker können so schnell erkennen, ob sie ein Lebensmittel wegen seiner Zutaten meiden müssen. Sie erhalten jedoch keine verbindliche Information über möglicherweise enthaltene Kontaminationen, die sich aus dem Herstellungsprozess ergeben können. Ein Beispiel ist die Produktion von Milchschokolade in einer Fabrik, in der auch Nüsse verarbeitet werden. Der häufig verwendete Warnhinweis „Kann Spuren von ... enthalten“ ist meist keine wirkliche Hilfe, da er übermäßig oft auch bei allergenfreien Lebensmitteln verwendet wird und zugleich ein Fehlen der Warnung aufgrund mangelnder Rechtsverbindlichkeit keine Allergenfreiheit anzeigt.
Da eine verlässlichere Kennzeichnung von Allergenen in Lebensmitteln vor allem auch eine verlässliche und leistungsfähige Analytik voraussetzt, war die Entwicklung neuer Nachweismethoden ein wesentlicher Bestandteil meiner Doktorarbeit. Bisher werden Allergene im Labor meist über ihren „Bauplan“ im Erbgut mittels der Methode der Polymerase-Kettenreaktion (PCR) oder über immunchemische Verfahren mit Antikörpern nachgewiesen. Diese Verfahren können jedoch in einigen Fällen, zum Beispiel bei stark verarbeiteten Lebensmitteln, zu falschen Ergebnissen führen. Zudem eignen sie sich nur sehr bedingt für die Bestimmung absoluter Mengen der für die Allergenität verantwortlichen Proteine. Die Kenntnis genau dieser Mengen ist jedoch Voraussetzung, um eine zuverlässige, risikoorientierte Kennzeichnung zu entwickeln.
Mit einer Kombination von Flüssigchromatographie und Massenspektrometrie (LC-MS), einer in der analytischen Chemie weit verbreiteten Messtechnik zur Trennung und Bestimmung von Molekülen, habe ich eine Methode zum Nachweis von Haselnüssen, Erdnüssen, Pistazien, Walnüssen, Cashew und Mandeln entwickelt. Diese sechs Allergene haben ein hohes allergenes Potenzial und werden häufig in der Lebensmittelindustrie verwendet. Ein wesentlicher Vorteil der LC-MS-Technik liegt neben der verbesserten Automatisierbarkeit darin, dass sich mit ihr gezielt die allergieauslösenden Strukturelemente in den allergenen Proteinen nachweisen lassen.
Ich habe das Verfahren erstmals mit der sogenannten MRM3-Technologie kombiniert. Dabei kollidieren die zu untersuchenden Moleküle mit kleinen Gas-Teilchen und zerfallen in Bruchstücke, die wie ein Fingerabdruck Informationen über das ursprüngliche Molekül, seine Struktur sowie seine Menge liefern. Durch mehrfache Fragmentierung der Moleküle gelang es mir, den Nachweis noch spezifischer und empfindlicher zu machen. Damit ist unsere Methode das sensitivste LC-MS-Verfahren, das bisher für die Analytik von Lebensmittelallergenen beschrieben wurde. In der Praxis sind damit Kontaminationen von bis zu einem Milligramm Allergen pro Kilogramm Lebensmittel nachweisbar – Gehalte, die mit anderen Methoden meist nicht mehr gemessen werden, für einige Allergikerinnen und Allergiker allerdings durchaus noch gefährlich sein können.
Da sich unsere Methode auch für die Bestimmung der absoluten Mengen eignet, eröffnet sie auch eine Perspektive für risikoorientierte Routinekontrollen sowohl in der Lebensmittelwirtschaft als auch in der amtlichen Lebensmittelüberwachung – eine wichtige Voraussetzung für eine klarere Kennzeichnung des Risikos auf der Verpackung. Meine Studien haben jedoch auch gezeigt, dass das Nachweis-Signal unserer Methode davon beeinflusst wird, in welchem Lebensmittel die Allergene vorkommen – zum Beispiel in Keksen oder in Schokolade – und bei welcher Temperatur diese Lebensmittel verarbeitet wurden. Diese Effekte stören die Bestimmung, lassen sich jedoch statistisch beschreiben und in der Auswertung berücksichtigen.
Es liegt also noch einige Arbeit vor uns, bis wir rechtssicher nachweisen können, ob ein Lebensmittel einen medizinisch abgeleiteten Schwellenwert für Allergene überschreitet. Eine Grundlage dafür habe ich jedoch in meiner Arbeit gelegt.
Dr. Robin Korte ist staatlich geprüfter Lebensmittelchemiker. Er schrieb seine Doktorarbeit, für die er den mit 10.000 Euro dotierten Stockmeyer-Wissenschaftspreis 2018 erhielt, in der Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Hans-Ulrich Humpf am Institut für Lebensmittelchemie der WWU. Seit Kurzem arbeitet er beim Chemischen und Veterinäruntersuchungsamt Münsterland-Emscher-Lippe in Münster.
Dieser Artikel stammt aus der Unizeitung "wissen|leben" Nr. 8, Dezember 2018 / Januar 2019.