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Münster (upm)
Dr. Daniel Westmattelmann<address>© Roland Berg</address>
Dr. Daniel Westmattelmann
© Roland Berg

„Wir können das Doping-Problem eindämmen“

Dr. Daniel Westmattelmann hat für seine Dissertation ein Simulationsmodell entwickelt

Wie lässt sich die Effizienz von Anti-Doping-Maßnahmen im Sport analysieren? Mit dieser Frage hat sich Dr. Daniel Westmattelmann in seiner Dissertation im Graduiertenkolleg „Vertrauen und Kommunikation in einer digitalisierten Welt“ am Lehrstuhl für Betriebswirtschaftslehre der WWU beschäftigt. Im Interview mit Susanne Wedlich erklärt er, wie seine computergestützte Simulation für unterschiedliche Ansätze und Sportarten entstanden ist, die er derzeit als Postdoktorand weiterentwickelt.

Wie funktioniert Ihr Anti-Doping-Modell?

Der Ausgangspunkt meiner Arbeit war das Problem, dass das tatsächliche Dopingverhalten im Spitzensport empirisch kaum zu beobachten ist. Das Modell, das ich zusammen mit einem Mathematiker entwickelt habe, kann nun aber in einer Simulation errechnen, wie wirksam konkrete Anti-Doping-Maßnahmen sind. Wir haben dafür die sogenannte Methode der Agentenbasierten Modellierung genutzt. Damit lassen sich komplexe Systeme mit einer Vielzahl von Individuen simulieren, die eigenständig handeln und interagieren. In unserem Modell sind das bis zu mehrere Hundert Athleten, die in einer ausgewählten Sportart gegeneinander antreten. Wir können dann noch verschiedene Anti-Doping-Maßnahmen in die Simulation einfließen lassen, etwa Strafen, Sperren oder Tests, deren Häufigkeit wir ebenfalls variieren können. Im Vorfeld hatte ich Spitzensportler danach befragt, welche Anti-Doping-Maßnahmen sie selbst als effizient empfinden. Interessanterweise kam unser Modell zu sehr ähnlichen Ergebnissen.

Gibt es Anti-Doping-Maßnahmen, die Sie pauschal empfehlen können?

Die Preisgelder sollten angeglichen werden. Doping ist besonders attraktiv in Sportarten, in denen der oder die Gewinner enorme Summen erhalten, alle anderen aber fast leer ausgehen, obwohl die Leistungen gar nicht weit auseinanderliegen. Die Tour de France ist dafür ein gutes Beispiel: Der Sieger bekommt rund eine halbe Million Euro. Der Zweitplatzierte erhält nicht einmal mehr die Hälfte davon, und wer auf dem zehnten Platz landet, muss sich mit ein paar Tausend Euro zufriedengeben. Dabei ist er wie alle anderen über die Pyrenäen gestrampelt. Das ist immer noch eine außerordentliche Leistung, die aber weder über das Preisgeld noch über den Status als Superstar wie bei dem Sieger honoriert wird. Eine gerechtere Verteilung des Geldes würde also schon viel helfen. Ebenso wichtig sind harte Sperren, ein hoher Kontrolldruck auf die Athleten durch häufige Tests sowie die Forschung, etwa um neue Dopingmittel nachweisen zu können.

Wie und wo soll Ihr Modell zum Einsatz kommen?

Bisher mussten wir uns bei der Simulation noch auf öffentlich zugängliche Informationen beschränken. Wir entwickeln das Modell jetzt aber weiter und arbeiten dafür mit verschiedenen Anti-Doping-Agenturen zusammen, die uns Hintergrund-Daten zur Verfügung stellen. Das Interesse an einer Kooperation ist tatsächlich sehr groß. Ich habe unser Modell der deutschen Anti-Doping-Agentur vorgestellt, mit der wir künftig enge Rücksprache halten werden. Wir stehen aber auch mit entsprechenden Einrichtungen in Dänemark, in den Niederlanden sowie in den USA und mit der internationalen Anti-Doping-Agentur iNADO in Verbindung. Wir wollen sehr breit kooperieren, weil zwar alle Agenturen dasselbe Ziel verfolgen – aber mit unterschiedlich üppigem Budget. Unser Modell kann im Einzelfall zeigen, wie die Mittel besonders effizient eingesetzt werden können, welche Maßnahmen sich also rentieren.

Sie sind sehr erfolgreich im Radsport, der berüchtigt ist für seine Dopingfälle. Kamen Sie auf diese Weise zum Thema?

Es gibt tatsächlich einen Zusammenhang. Ich betreibe den Sport seit mehr als 20 Jahren und musste mir schon so einiges auf der Straße anhören. Typisch ist zum Beispiel der Spruch: „Ihr seid doch sowieso alle gedopt.“ Dazu kam, dass der Sport vor ein paar Jahren wegen der Doping-Skandale vor die Hunde gegangen ist. Da haben die öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten nicht einmal mehr von der Tour de France berichtet. Das hat mich motiviert, selbst einen Beitrag zu leisten und mit unserem Modell einen neuen Weg zu gehen. Doping wird es wahrscheinlich immer geben, aber wir können das Problem wenigstens eindämmen.

Dieser Artikel stammt aus der Universitätszeitung „wissen|leben“ Nr. 5, 18. Juli 2018.

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