"Das Aussehen und die Mimik spielen eine große Rolle"
Die sogenannte Flüchtlingskrise und die Frage der Integration von Flüchtlingen ist ein in Gesellschaft und Politik kontrovers diskutiertes Thema. Häufig werden in diesen Debatten die Religionszugehörigkeit und die Religiosität sowohl der Flüchtlinge als auch der aufnehmenden Gesellschaft thematisiert. Deshalb untersucht Mitja Back, Professor am Institut für Psychologie der WWU Münster und Projektleiter am Exzellenzcluster "Religion und Politik", in seiner Studie "Integration at First Sight", wie erste Eindrücke von Deutschen und Flüchtlingen ausfallen und welche Faktoren integrationsfördernd wirken können.
Zu Ihren Forschungsfeldern gehört die Integration. Welchen Ansatz verfolgen Sie mit Ihrem aktuellen Projekt?
Wir haben bisher zwei Online-Studien durchgeführt, in der deutsche Teilnehmer Einzelfotos von Deutschen, Migranten und Geflüchteten nach Kriterien wie Sympathie, Vertrauenswürdigkeit, Egoismus oder Feindseligkeit beurteilen sollten. Im gleichen Design erheben wir die Ersteindrücke, die Geflüchtete von Deutschen haben. Dann weiten wir die Untersuchung auf direkte Begegnungen von Deutschen und Geflüchteten aus.
Wie fallen die bisherigen Studienergebnisse aus?
Wir haben bisher wenige systematische Unterschiede darin gefunden, wie Geflüchtete und wie Deutsche beurteilt werden, wohl aber innerhalb der Gruppen von Beurteilenden und Beurteilten. Es zeigten sich also weniger allgemeine Stereotypen, die gegenüber allen Geflüchteten gelten und die alle Deutschen teilen, vielmehr gibt es größere Unterschiede innerhalb der beurteilenden Deutschen und der beurteilten Geflüchteten.
Was heißt das?
Für die beurteilten Geflüchteten und Deutschen gilt gleichermaßen, dass das Aussehen und die Mimik eine große Rolle spielen: Wer lächelt und attraktiv ist, wird positiver beurteilt. Wer grimmig dreinschaut, wird als feindseliger eingeschätzt. Das sind Effekte, die wir bereits aus der Forschung kennen und die einen viel stärkeren Einfluss haben als der „Faktor Geflüchteter oder Deutscher“. Bei den Deutschen, die eine Beurteilung abgeben, spielt der soziodemographische Hintergrund eine große Rolle. Zum Beispiel beurteilen ältere Personen nahöstlich aussehende Menschen und auch Geflüchtete negativer. Auch führen Faktoren wie niedrige Bildung, eine rechte politische Einstellung und Persönlichkeitsmerkmale wie der Hang zu autoritären Einstellungen eher zur negativen Bewertung Geflüchteter.
Welche Schlussfolgerungen ziehen Sie daraus?
Erstens zeigt sich, dass Menschen bei der Beurteilung konkreter Einzelpersonen in jeder Gruppe Menschen finden, die ihnen sympathisch und andere, die ihnen eher unangenehm sind. Allgemeinere Umfragen zu abstrakten Einstellungen hingegen bestätigen oft immer gleiche Stereotype, die nicht zwingend auf die Beurteilung konkreter Einzelpersonen zutreffen müssen. Zweitens: Wenn man über politische Interventionen oder Bildungsmaßnahmen nachdenkt, lassen sich keine „One Size Fits all“- Lösungen finden. Ob es darum geht, Geflüchtete besser zu integrieren oder Vorurteile von Deutschen abzubauen: Es gilt immer, der Unterschiedlichkeit der Personen gerecht zu werden.
Welche Rolle spielt der Faktor Religion?
Das Thema ist vielfältig religiös aufgeladen. Es gibt Appelle an die christliche Nächstenliebe ebenso wie Gruppen, die zur Verteidigung des christlichen Abendlandes aufrufen. In Teilen der Studie haben wir deshalb auch Informationen zur Religionszugehörigkeit der abgebildeten Personen gegeben und herausgefunden, dass Menschen, die wir als stark gläubige Muslime bezeichneten, eher abgewertet wurden. Inwiefern die eigene Religionszugehörigkeit oder Stärke der Religiosität die Urteile gegenüber Geflüchteten beeinflussen, werden wir noch genauer untersuchen.