Mit dem Tandem nach China, Spanien oder Lateinamerika
Wenn sich Lei Guo und Tom Becker einmal pro Woche zum Lernen treffen, entsteht ein bunter Sprachmix aus Chinesisch und Deutsch. Dabei gehen sie sehr diszipliniert vor: Die Hälfte der Zeit wird nur Deutsch gesprochen, damit Lei die Aussprache üben kann, die andere Hälfte reden die beiden Chinesisch.
Wie Lei und Tom haben sich im Wintersemester 2015/2016 140 solcher Tandem-Paare gebildet. Seit dem Wintersemester 2007/2008 bietet das Sprachenzentrum diese besondere Art der Kurse für deutsche sowie internationale Studierende der WWU an, finanziert aus Qualitätsverbesserungsmitteln – ehemals Studienbeitragsmittel.
Eine Teilnahme-Voraussetzung ist ein fortgeschrittenes Anfängerniveau in der Fremdsprache. "Manche machen das nur aus Spaß, andere wollen Punkte erwerben, die sie sich auch für die Allgemeinen Studien anrechnen lassen können", erklärt Katharina Grenningloh vom Sprachenzentrum. Ein Vorteil liegt für alle klar auf der Hand: Wer mit einem Muttersprachler übt, ist gezwungen, permanent zu sprechen.
Als Sprachlern-Beraterin hilft Katharina Grenningloh den Paaren dabei, ihre Lernziele festzulegen. In insgesamt sechs Workshops erhalten die Teilnehmer Tipps, unter anderem wie sie mit ihren eigenen und den Fehlern des Partners umgehen können und welche Materialien für sie am besten geeignet sind. "Wir unterstützen die Studierenden dabei, Lösungen zu finden, geben aber keine vor", sagt Kollegin Sabine Beyer. Schließlich sollen sie auch lernen, wie sie ihr Lernen selbst organisieren.
Will ein Studierender einen benoteten Schein erwerben, sollte derjenige nicht nur ein Lerntagebuch führen, sondern auch ein Projekt verwirklichen, das zum Lernziel passt. Tom zum Beispiel wollte an seinem schriftlichen Ausdruck arbeiten und hat ein Übungsbuch für andere Chinesisch-Lernende zusammengestellt. "Ich habe kurze Aufsätze mit einigen Vokabelangaben verfasst und dazu passende Aufgaben formuliert", erläutert Tom. Tutorinnen unterstützen bei der Ideenfindung und Entwicklung des Projekts.
Die Jurastudentin Nicole Hövelmeyer hat eine Art spanischen Foto-Comic geschrieben. "So wie früher in der BRAVO, nur keine Liebesgeschichte", erklärt die 21-Jährige. Stattdessen schildert sie den Tag eines Erasmus-Studis an einer spanischen Uni, der damit beginnt, dass nur kaltes Wasser aus der Dusche kommt. "Sämtliche Freunde mussten für die Fotos herhalten", lacht Nicole. Anschließend schnappte sie sich ihre spanisch sprechenden Bekannten und vertonte die Geschichte.
Nicoles Tandem-Partnerin Ana fehlt auf den Fotos. Nicole hat sie bisher noch nicht persönlich getroffen, sondern nur mit ihr via Skype gesprochen oder gechattet. "Für solche Skype-Tandems haben wir bisher eine Partnerschaft mit den Unis in Saragossa (Spanien) und Montevideo (Uruguay)", legt Katharina Grenningloh dar. Das Angebot soll aber noch ausgeweitet werden, wenn die Nachfrage weiter besteht.
"Das Skype-Tandem ist sehr praktisch, weil man sich ungestört rein auf das Sprechen konzentriert, nur manchmal war die Verbindung zu schlecht, dann mussten wir auf Chat oder Mails umsteigen", sagt Jana Lange. Die Geographie- und Ökonomik-Studentin hat ebenfalls das Skype-Angebot genutzt, um Informationen zu Land und Leuten zu erhalten und ihren ohnehin schon sehr umfassenden Wortschatz um Ausdrücke aus der Landeskunde Uruguays zu erweitern. Heraus kam eine Art Reiseführer, den jetzt andere Studierende über die Lernplattform weiter nutzen können. Hier finden sich außerdem Projekte in Form von Videos, Präsentationen, Audiodateien und Texten, aber auch Sprachspiele.
Obwohl Tom das Tandem-Projekt erfolgreich abgeschlossen hat, treffen er und Lei sich weiterhin regelmäßig. Nicht immer geht es ums Lernen, die Beiden unternehmen auch privat gern etwas miteinander. "Tom ist sehr streng," scherzt Lei, "er will immer Hausaufgaben machen." So liest Lei zum Beispiel das Kapitel eines Buches und erzählt Tom, worum es darin geht. Von der Tandem-Idee ist Tom überzeugt: "Ich würde mir wünschen, dass es das auch für andere Fächer gäbe und man sich gemeinsam einzelne Module erarbeiten könnte", sagt der Chinastudien- und Ökonomik-Student.
Autorin: Bernadette Winter