
Nicht nur hinsehen - auch anfassen, wenn’s knifflig wird
Ob mit der Maus, per Touchscreen oder mit Gesten: Es gibt viele Möglichkeiten, Computer und andere technische Geräte zu bedienen. Bei der Entscheidung für die eine oder andere Variante sollten jedoch nicht nur technische Trends eine Rolle spielen, sondern möglicherweise auch das, was der Nutzer inhaltlich vorhat, zum Beispiel das Lösen von Rechenaufgaben oder die Steuerung eines Flugzeugs. Das geben Wissenschaftler aus Münster und Dresden jetzt auf der Grundlage neuer Studienergebnisse zu bedenken. Denn manche Aufgaben würden besser gelöst, wenn die Hand – wie beim Touchscreen – nahe am Bildschirm liege. Bei anderen Aufgaben sei es besser, wenn die Hand weiter weg sei, wie zum Beispiel bei der Computermaus. Die Studie wurde im Fachmagazin "Psychonomic Bulletin and Review" veröffentlicht.
"Wir haben ein in der Psychologie bekanntes Phänomen im Kontext der modernen Informationstechnologie erforscht", erläutert der Psychologe Dr. Roman Liepelt, Privatdozent an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster (WWU). "Wenn Menschen sich für Dinge interessieren, dann nehmen sie diese Dinge typischerweise in die Hand. Frühere Studien haben gezeigt, dass die Nähe der Hand zum Objekt zu einer verstärkten kognitiven Verarbeitung des Objektes führt." Eine Erklärung dafür ist unter anderem, dass Gegenstände in der Nähe der Hand Kandidaten für zukünftige Handlungen sind, wie zum Beispiel beim Werkzeuggebrauch. Roman Liepelt untersuchte gemeinsam mit Privatdozent Dr. Rico Fischer von der Technischen Universität Dresden, welche Auswirkungen die "Reiz-Hand-Nähe" auf kognitive Aufgaben unterschiedlicher Komplexität hat.

Die Wissenschaftler analysierten die gegenseitige Beeinflussung von Hand- und Reizposition, den sogenannten Simon-Effekt. Dieser Effekt beruht auf der räumlichen Übereinstimmung von Reizposition (linke und rechte Position auf dem Bildschirm) und Handposition (linker und rechter Tastendruck): Es ist leichter, auf die rechte Taste zu drücken, wenn der Reiz auf dem Monitor auch rechts gezeigt wird. Hingegen verzögert sich die Reaktionszeit und die Fehlerrate wird höher (stärkerer Simon-Effekt), wenn der Reiz auf dem Monitor links gezeigt wird, aber die rechte Taste gedrückt werden muss. Die Wissenschaftler untersuchten, wie stark jeweils der Simon-Effekt auftrat.
Bei schweren Aufgaben hilft die Nähe zur Hand, die Aufgabe zu lösen"
Das Fazit: Bei der komplexeren Aufgabe, die Nachdenken erforderte ("Zahlen sortieren"), war der Simon-Effekt geringer, wenn die Hände ähnlich wie bei Tablet-Computern und Smartphones nah an den auf dem Monitor gezeigten Symbolen lagen. Bei einfachen, unmittelbar auf einem Sinneseindruck basierenden Entscheidungen ("auf Farbe reagieren"), wurde der Simon-Effekt in dieser "Tablet-Versuchsvariante" jedoch stärker.
"Die Hand am Monitor führte zu einer vertieften Verarbeitung der wahrgenommenen Informationen. Dies scheint ganz unterschiedliche Konsequenzen zu haben, je nachdem, ob wir einfache oder komplexere Aufgaben verarbeiten. Bei schweren Aufgaben hilft die Nähe zur Hand, die Aufgabe zu lösen und den Einfluss der irrelevanten räumlichen Information zu unterdrücken. Bei einfachen Aufgaben wurde die irrelevante räumliche Information stärker mitverarbeitet und führte zur stärkeren Interferenzeffekten", fasst Rico Fischer zusammen.

Originalpublikation:
Roman Liepelt und Rico Fischer (2015): Task demands determine hand posture bias on conflict processing in a Simon task. Psychonomic Bulletin & Review online; DOI 10.3758/s13423-015-0901-9