Mit der Schildkröte in der Tasche
Taschencomputer haben für den Schulunterricht viele Vorteile.
Im Fach Informatik zum Beispiel können Schüler mit den Minicomputern, den sogenannten
PDAs (Personal Digital Assistants), einfach und spielerisch
Programmierkenntnisse erwerben. Aber auch in anderen Fächern bietet ihr Einsatz
viele Möglichkeiten. Ein weiterer Pluspunkt: Die kleinen Computer sind
günstiger in der Anschaffung als herkömmliche PC-Systeme. Prof. Dr. Marco
Thomas und seine Mitarbeiter vom Arbeitsbereich Didaktik der Informatik der
Universität Münster wollen daher das Potenzial von Taschencomputern bei Lehrern
und Schülern bekannt machen. Für den Einsatz im Informatikunterricht haben sie
verschiedene Anwendungen entwickelt und erprobt.
„Es geht uns nicht darum, PCs aus den Schulen zu
vertreiben", betont Thomas. Dennoch sind er und seine Mitarbeiter überzeugt,
dass den Minicomputern ein höherer Stellenwert im Schulunterricht gebührt.
Informatikdidaktiker Hendrik Büdding sagt: „PDAs eignen sich als privates
Lernwerkzeug für Schüler aller Altersklassen. Ihr berührungssensitiver
Bildschirm, der Handschrift erkennt, ist besonders für Schüler geeignet, die
noch nicht sicher im Umgang mit der Tastatur sind." Büdding erprobt den Einsatz
von Minicomputern seit Jahren im Schulunterricht. Gemeinsam mit Prof. Thomas
leitet er das Projekt „Mobile Endgeräte im Bildungsbereich", das sich mit der
Nutzbarmachung von Taschencomputern im Schulunterricht, besonders im
Informatikunterricht, beschäftigt.
Eine Entwicklung des Studenten Markus Hunke ist
„PocketLogo". Diese Programmiersprache beruht auf der Computersprache Logo, die
in Boston (USA) für Kinder entwickelt wurde. Hunke hat sie um Elemente
erweitert, die sie noch einfacher erlernbar machen. PocketLogo ist besonders
geeignet, um Schüler im Informatikunterricht mit den Grundlagen des
Programmierens vertraut zu machen. Die Schüler können zum Beispiel mit
einfachen Anweisungen einer „Schildkröte" beibringen, einen Apfel in einem
Labyrinth zu finden. „Diese Aufgabe ist eigentlich sehr komplex, mit PocketLogo
wird sie jedoch auf das Wesentliche vereinfacht", so Prof. Thomas. „Die Schüler
müssen bei PocketLogo nicht von vornherein ein komplettes Programm schreiben, sondern
können zunächst einzelne Befehle eingeben und sofort sehen, was passiert",
erklärt er.
Auch andere informatische Probleme lassen sich Schülern
anhand der PDAs vermitteln. „Wir haben in einem Schulprojekt mit den
Taschencomputern Schülern gezeigt, wie drahtlose Kommunikation zwischen Geräten
funktioniert", so Büdding. Hier kam die ebenfalls am Arbeitsbereich entwickelte
PDA-Software „Feinstein" zur Steuerung von Robotern per Bluetooth-Funktion zum
Einsatz. „Auch Fragen zur Abhörsicherheit, Verschlüsselung von Daten oder der
Problematik des ‚Spamming' können wir mit den PDAs in jedem Klassenzimmer
praktisch beantworten."
Nicht nur im Informatikunterricht sollten die
Taschencomputer zum Einsatz kommen, ginge es nach den münsterschen Forschern. Auch
für den Mathematikunterricht wollen die Didaktiker geeignete Software
entwickeln, die grafikfähigen Taschenrechnern, die in der Anschaffung mit
nennenswerten Summen zu Buche schlagen, Konkurrenz machen. Die PDAs könnten als
Wörterbuch im Fremdsprachenunterricht dienen, im Geographieunterricht als
GPS-Gerät eingesetzt oder - dank Kamerafunktion - zur Dokumentation von Unterrichtsprojekten
verwendet werden. Vor dem Hintergrund, dass die Minirechner fachübergreifend
eingesetzt werden könnten, würde sich die Anschaffung rentieren. „Auch der
Einsatz in Klausuren wäre kein Problem: Durch einen Wechsel der Speicherkarte
können die Rechner schnell auf ‚Null' gesetzt werden - dann ist Spicken durch
gespeicherte Daten nicht mehr möglich", so Büdding.
Alle Softwareprodukte, die die Informatikdidaktiker für den
Einsatz in der Schule entwickelt haben, sind Open-Source-Produkte und können
von Interessierten weiterentwickelt werden. „Wichtig ist, dass
medienpädagogische Aspekte und Lerninhalte berücksichtigt werden", so Büdding.
Dass die kleinen Geräte den Vorlieben der Schüler entgegenkommen, davon sind
die Didaktiker überzeugt: „Ob Mini-Spielkonsole oder Handy - die Schüler lieben
solch kleine Computer", so Prof. Thomas. Abgesehen davon, dass die Anschaffung
eines Klassensatzes von mobilen PDAs für Schulen eine Alternative zur
Anschaffung neuer stationärer PCs sein könnte, ist er überzeugt: „In einigen
Jahren werden die meisten Schüler ohnehin mit diesen Geräten ausgestattet sein
- in Form der neuen Handy-Generation, der Smartphones."
Die Informatikdidaktiker Prof. Dr. Marco Thomas und Hendrik Büdding
stehen interessierten Lehrern gern weiterhin mit Rat und Tat zur Seite. Weitere
Informationen unter http://ddi.uni-muenster.de oder per E-Mail unter ddi@uni-muenster.de.