
Der Nosferatu-Spinne auf der Spur
Die Nosferatu-Spinne ist mit zehn bis 18 Millimetern Köperlänge eine der größten Spinnen Deutschlands. Viele Menschen fürchten sich vor dem Biss der Zoropsis spinimana, obwohl sie für uns ungiftig ist. Ursprünglich stammt sie aus dem warmen Mittelmeerraum, ist aber auf dem Vormarsch nach Nordeuropa. In Deutschland wurde sie 2005 erstmals in Baden-Württemberg nachgewiesen. Mittlerweile ist sie auch im Münsterland angekommen. Wie und wo genau sich die Spinnenart ausbreitet, hat jetzt ein Team des Zentrums für integrative Biodiversitätsforschung und angewandte Ökologie der Universität Münster und des LWL-Naturkundemuseums untersucht. Tatkräftig unterstützt wurden die Forscherinnen und Forscher dabei von sogenannten Citizen Scientists – engagierten Bürgerinnen und Bürgern, die sich aktiv an wissenschaftlichen Projekten beteiligen. „Das bürgerschaftliche Monitoring ist ein effektives Instrument des Naturschutzes und aus der modernen Biodiversitätsforschung nicht mehr wegzudenken“, betont Dr. Nadja Pernat. Dass das Team die Nosferatu-Spinne genauer unter die Lupe nimmt, war zunächst gar nicht geplant.
„Viele Medien haben im vergangenen Jahr über die Spinne berichtet. Es gab einen regelrechten Hype, der durch ein TikTok-Video ausgelöst wurde und viral ging“, sagt Landschaftsökologin Dr. Hilke Hollens-Kuhr. Dass die Spinne im Rampenlicht stand, haben sich die Forscherinnen und Forscher zunutze gemacht. Sie wollten vor allem herausfinden, ob es einen Zusammenhang zwischen der Medienberichterstattung über die Nosferatu-Spinne und dem bürgerwissenschaftlichen Engagement gibt. Dazu nutzten sie Google News und Google Videos als Indikatoren für die Medienpräsenz und Google Trends, um das öffentliche Suchinteresse zu ermitteln. „Außerdem haben wir die Medienberichterstattung und die Suchanfragen nach Zeit und Region aufgeschlüsselt und mit den Beobachtungsdaten der Bürgerwissenschaftler verglichen“, erklärt Hilke Hollens-Kuhr. Ihr Fazit: Die Analyse von 3.017 wissenschaftlichen Beobachtungen aus unterschiedlichen Quellen zeigt eine Ausbreitung der Nosferatu-Spinne nach Nordosten.
Das Forschungsteam fand einen zeitlichen Zusammenhang zwischen der Medienpräsenz, den Google-Suchaktivitäten und der Anzahl der von Bürgerinnen und Bürgern gemeldeten Beobachtungen. Darüber hinaus gab es eine starke räumliche Korrelation zwischen den Bundesländern mit der höchsten Medienpräsenz und der höchsten Anzahl an Bürgermeldungen. Die meisten Beobachtungen wurden zwischen August und Oktober gemacht, der Großteil davon in bewohnten Gebieten. „Die aktuelle Ausbreitungsdynamik und die umfangreiche Medienberichterstattung über die Nosferatu-Spinne scheinen also wichtige Faktoren zu sein, die das öffentliche Bewusstsein fördern, was sich in einem erhöhten Forschungsinteresse und einer erhöhten Anzahl von Bürgerbeobachtungen widerspiegelt“, schlussfolgert Nadja Pernat. Die Bereitschaft der Öffentlichkeit, Daten zu sammeln, ist besonders hoch, wenn man entweder selbst betroffen ist, weil die Art giftig oder gefährlich ist oder wenn eine Art charismatisch, etwa sehr niedlich ist.
Ob Letzteres auf die Nosferatu-Spinne zutrifft, ist zweifelhaft. Aber die Tatsache, dass sie beißen kann, scheint das Interesse an ihr bei vielen Menschen zu steigern. Denn ein Großteil der Nachweise stammt aus einer Bestimmungs-App, die es erlaubt, die Spinnen zu fotografieren und auf der internationalen Naturbeobachtungsplattform Observation.org hochzuladen. Gleichzeitig übermittelt die App die entsprechenden geografischen Koordinaten. Ein Zusammenspiel von künstlicher Intelligenz und Expertinnen und Experten verifiziert die Art. Die Qualitätssicherung ist durch dieses Verfahren gewährleistet. Zumal sich die Nosferatu-Spinne anhand der Zeichnung auf ihrem Rücken sehr gut identifizieren lässt.
Das Wissen über die Ausbreitungsökologie hilft dem Team und anderen Forschenden, Rückschlüsse auf weitere Faktoren wie Klimaveränderungen und Auswirkungen auf die heimische Tier- und Pflanzenwelt zu ziehen. Wie weit die Spinne zukünftig nach Norden vordringt, bleibt abzuwarten. Erste Meldungen aus Dänemark und Südschweden liegen bereits vor.
Ihre Studie hat das Team in der Fachzeitschrift Basic and Applied Ecology veröffentlicht: https://doi.org/10.1016/j.baae.2025.02.002.
Autorin: Kathrin Kottke
Dieser Artikel stammt aus der Unizeitung wissen|leben Nr. 2, 2. April 2025.