|
Münster (upm/ch).
Prof. Dr. Iris Finkemeier und Dr. Guillaume Née im Labor<address>© Dr. Annika Brünje</address>
Prof. Dr. Iris Finkemeier und Dr. Guillaume Née im Labor
© Dr. Annika Brünje

Neu entdeckter Signalweg hilft Pflanzen, die Samenkeimung präzise zu steuern

Team um Iris Finkemeier und Guillaume Née entdeckt molekulare Grundlage für Gleichgewicht zwischen Samenruhe und Stressresistenz

Keimen oder nicht keimen? Bei Pflanzen entscheidet der richtige Zeitpunkt, ihren Lebenszyklus zu beginnen, über ihre Wachstumschancen. Die genetisch festgeschriebene Samenruhe verhindert die Keimung zunächst. Als Reaktion auf Umweltsignale wie zum Beispiel längere Kälteeinwirkung oder längere Trockenlagerung wird sie allmählich aufgehoben. So treiben Sämlinge zur richtigen Jahreszeit aus. Der Mechanismus trägt zur Stabilität von Ökosystemen bei, denn er sorgt dafür, dass über Jahre hinweg ein Reservoir an ruhenden Samen im Boden erhalten bleibt. Diese können widrige Bedingungen unbeschadet überstehen. Die molekularen Mechanismen, die die Aufhebung der Samenruhe steuern, sind bislang wenig erforscht. Ein Team unter der Leitung von Dr. Guillaume Née und Prof. Dr. Iris Finkemeier am Institut für Biologie und Biotechnologie der Pflanzen der Universität Münster hat nun gezeigt, wie eine zentrale evolutionäre Anpassung es Samen ermöglicht, den Zeitpunkt der Keimung präzise zu regulieren. Dabei gelingt es den Samen zu keimen und gleichzeitig umweltbedingten Stress zu tolerieren, also ihre Widerstandsfähigkeit gegenüber ungünstigen Bedingungen zu erhalten. Die Studie ist in der Fachzeitschrift „Science Advances“ veröffentlicht.

Samen der Ackerschmalwand während der Samenruhe (links) und nach erfolgter Keimung.<address>© Guillaume Née</address>
Samen der Ackerschmalwand während der Samenruhe (links) und nach erfolgter Keimung.
© Guillaume Née
Guillaume Née, Juniorgruppenleiter im Team von Iris Finkemeier, befasst sich mit der Frage: Wie können Samen Stressreaktionen ausgleichen und gleichzeitig die Samenruhe allmählich aufheben, wenn man bedenkt, dass beide Prozesse durch dasselbe Pflanzenhormon, nämlich Abscisinsäure, reguliert werden? Das Hormon ist unerlässlich, um die Keimung zu unterdrücken, und ermöglicht die Reaktion der Pflanzen auf verschiedene Stressfaktoren, zum Beispiel Trockenheit. Die neue Studie zeigt einen bisher unbekannten molekularen Signalweg auf, der Abscisinsäure-Reaktionen unabhängig von den Hauptsignalmechanismen des Hormons reguliert. Dieses autonome System, das ausschließlich in ruhenden Samen aktiv ist, wird durch das Protein „Delay of Germination 1 (DOG1)“ reguliert. DOG1 fungiert als eine Art molekularer Sicherungsschalter. Es hemmt die Keimung, indem es die unterdrückende Wirkung der Abscisinsäure aufrechterhält. Im Laufe der Zeit nimmt die Aktivität von DOG1 bei trockener Lagerung oder als Reaktion auf Umwelteinflüsse jedoch allmählich ab, was die hemmende Wirkung der Abscisinsäure aufhebt und die Keimfähigkeit aktiviert. Da dieses Modul jedoch unabhängig vom zentralen Abscisinsäure-Signalweg arbeitet, bleibt die Rolle des Hormons bei Stressreaktionen unberührt. Samen und Sämlinge behalten daher auch nach Aufhebung der Keimruhe ihre Fähigkeit, auf Umweltstress zu reagieren.

Das Gleichgewicht zwischen Samenruhe und Stressresistenz ist eine wesentliche evolutionäre Anpassung, die zum weltweiten Erfolg von Samenpflanzen beigetragen hat und auch landwirtschaftlich von Bedeutung ist. Die Keimungseigenschaften sind wichtig für die Ernährungssicherheit. Sie beeinflussen sowohl das Aufgehen der Sämlinge auf dem Feld als auch industrielle Anwendungen wie das Mälzen (also das kontrollierte Keimen von Braugetreide) und Backen. „Die Keimung ist seit Beginn der Domestizierung von Pflanzen ein ausgewähltes Merkmal zur Selektion von Pflanzen“, betont Guillaume Née. „Für erfolgreiche Zuchtprogramme ist es wichtig, die evolutionären, genetischen und molekularen Faktoren zu verstehen, die die Samenkeimung steuern.“ Dieses Wissen ermögliche es, von der Natur inspirierte Lösungen zur Optimierung der Keimungseigenschaften zu finden.

An der Studie waren neben der Gruppe aus Münster auch Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Pflanzenzüchtungsforschung in Köln sowie der University of Ghana beteiligt. Das Forschungsteam untersuchte die Steuerung der Samenruhe am Beispiel der Ackerschmalwand (Arabidopsis thaliana) und kombinierte Methoden der Proteomik sowie der Molekular- und Zellbiologie, Physiologie, Biochemie und Genetik.

Die Deutsche Forschungsgemeinschaft, die Max-Planck-Gesellschaft, die Studienstiftung des deutschen Volkes und der Deutsche Akademische Austauschdienst unterstützten die Arbeit finanziell.

 

Originalveröffentlichung

Krüger T. et al. (2025): DOG1 controls dormancy independently of ABA core signaling kinases regulation by preventing AFP dephosphorylation through AHG1. Science Advances Vol. 11, Issue 9; DOI: 10.1126/sciadv.adr8502

Links zu dieser Meldung