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Münster (upm).
Künstlerische Darstellung von BepiColombo in Orbitkonfiguration mit dem Merkur im Hintergrund.© ESA/ATG medialab; Merkur: NASA/JPL
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Der Merkur erscheint in neuem Licht

Raumfahrtmission „BepiColombo“ liefert erstmals Daten vom innersten Planeten unseres Sonnensystems

Am 1. Dezember 2024 flog die BepiColombo-Mission zum fünften Mal am Merkur vorbei und hat dabei jetzt als erstes Raumschiff mit Hilfe des Infrarotspektrometers MERTIS („Mercury Radiometer and Thermal Infrared Spectrometer“) die Oberfläche im mittleren Infrarot beobachtet. Die neuen Daten zeigen Unterschiede in der Oberflächentemperatur und der Zusammensetzung der kraterreichen Oberfläche. „Nach vielen Jahren der Vorbereitung sehen wir mit MERTIS den Merkur zum ersten Mal in einem neuen Licht. Wir betreten Neuland und werden die Zusammensetzung, Mineralogie und die Temperaturen auf dem Merkur viel besser verstehen können. Wir bekommen zum ersten Mal Merkurdaten im Wellenlängenbereich von 7 bis 14 Mikrometern. Dieser Wellenlängenbereich ist besonders zur Unterscheidung von gesteinsbildenden Mineralen geeignet. Wir mussten viel Geduld haben und sind sehr froh, die Daten nun endlich zu sehen“, betont der wissenschaftliche Leiter des Instruments, Prof. Dr. Harald Hiesinger von der Universität Münster. „Nach rund zwei Jahrzehnten Entwicklungsarbeit, Labormessungen an heißen Gesteinen, die denen auf Merkur ähneln könnten und unzähligen Tests der ganzen Abläufe für die Missionszeit am Merkur kommen jetzt die ersten Daten von der Raumsonde", ergänzt Dr. Jörn Helbert vom DLR-Institut für Planetenforschung.

Während des Vorbeiflugs waren Teile des rund 1.550 Kilometer großen Caloris-Beckens und einer großen vulkanischen Ebene in der nördlichen Hemisphäre zu sehen. Die ersten MERTIS-Daten zeigen Temperaturen von bis zu 420 Grad Celsius auf der von der Sonne beschienenen Seite und unterschiedliche spektrale Signaturen von Einschlagskratern. Besonders interessant ist der Einschlagskrater Bashō, der bereits von den US-amerikanischen Raumsonden Mariner 10 gesehen und von MESSENGER im Detail beobachtet wurde. Bilder im sichtbaren Wellenlängenbereich zeigen, dass der Bashō-Einschlagskrater sowohl sehr dunkles als auch sehr helles Material aufweist. Die Vorbeiflugbeobachtungen von MERTIS zeigen eine Anomalie in der Strahlungsintensität im mittleren Infrarot, die die besonderen Eigenschaften des Kraters bestätigt.

Der Merkur als der innerste Planet unseres Sonnensystems ist der von Raumfahrtmissionen bisher am wenigsten untersuchte erdähnliche Körper. Der Merkur sei ein „Planet der Extreme“, erläutert Harald Hiesinger, über den man im Vergleich zu anderen Planeten bislang wenig wisse, der aber sehr viel über die Entstehung unseres Sonnensystems verraten könne. Zum Beispiel tritt auf dem Merkur an den Polen trotz der Nähe von nur 58 bis 69 Millionen Kilometern zur Sonne (zum Vergleich: Die Erde ist rund 150 Millionen Kilometer von der Sonne entfernt) vermutlich Wassereis auf. Andere leichtflüchtige Komponenten finden sich ebenfalls in überraschend hohen Konzentrationen. Die Oberfläche des Merkurs ist vergleichsweise arm an Eisen, während sein Eisen/Nickelkern ungewöhnlich groß ist. Auch die detaillierte Zusammensetzung der Oberfläche und ihre Mineralogie sind bisher nur ansatzweise bekannt.

Licht in dieses Dunkel wird die europäisch/japanische Mission BepiColombo bringen, die seit 2018 auf dem Weg zum Merkur ist und im November 2026 in eine Merkur-Umlaufbahn einschwenken wird. „Der Flug zum Merkur folgt einer sehr komplizierten Bahn mit insgesamt neun Vorbeiflügen an anderen Planeten, sogenannten ,Flyby-Manövern‘“, erklärt Dr. Johannes Benkhoff, BepiColombo-Projektwissenschaftler der Europäischen Weltraumorganisation ESA. Im Einzelnen waren dies ein Vorbeiflug am Erde-Mond-System, zwei Vorbeiflüge an der Venus und sechs Vorbeiflüge am Merkur, der nächste bereits am 8. Januar 2025. „Diese Manöver zur Flugbahnkorrektur sind notwendig, um mit den ,richtigen‘ Bahnparametern am Merkur anzukommen, so dass der kleinste terrestrische Planet das Raumschiff gravitativ ,einfangen‘ und in seine Umlaufbahn bringen kann“, erklärt Dr. Geraint Jones von der Europäischen Weltraumorganisation ESA.

Auch Dr. Solmaz Adeli vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), die als Projektleiterin an der Planung des jetzigen Vorbeiflugs maßgeblich beteiligt war, hebt vor allem die Leistung von MERTIS hervor. „Es handelt sich um ein einzigartiges Instrument, das selbst aus einer Entfernung von gut 37.600 Kilometern Daten mit rund 26 bis 30 Kilometern Bodenauflösung liefern kann.“ 2026 werde sich BepiColombo bis auf 460 Kilometer der Merkuroberfläche annähern und Daten mit einer Auflösung von bis zu 500 Metern liefern. „Dann kann MERTIS sein volles Potential ausschöpfen“, ergänzt Harald Hiesinger. [MOU1]

MERTIS wurde am DLR unter Beteiligung der deutschen Industrie gebaut. Das Instrumentendesign, entwickelt vom DLR-Institut für Optische Sensorsysteme in Berlin, basiert auf einem neuartigen und hoch integrierten Instrumentenkonzept mit sehr geringer Masse von nur drei Kilogramm und geringem Leistungsverbrauch. Gisbert Peter, der am Institut für die Instrumentenentwicklung verantwortliche Projektleiter, sagt: "MERTIS ist ein Paradebeispiel deutscher Ingenieurskunst, da bei der Planung und dem Bau des Instruments eine fantastische Miniaturisierung bei gleichzeitig hoher Zuverlässigkeit erreicht werden konnte.“

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