Ehre für das Lebenswerk
Aus einer an Höhepunkten reichen Vita eine Leistung hervorzuheben, ist nicht leicht. Wenn eine Persönlichkeit wie Prof. Dr. Gertrude Lübbe-Wolff als 30. Preisträgerin mit dem Ernst Hellmut Vits-Preis der Universitätsgesellschaft der Universität Münster ausgezeichnet wird, ist eine solche Zuspitzung gar nicht nötig. Denn die Rechtswissenschaftlerin erhält die Auszeichnung für ihr Lebenswerk. „Ihr Beitrag zur Förderung des Rechtsstaats und der Rechtskultur inspiriert nicht nur Studierende, sondern auch die gesamte juristische Gemeinschaft. Zudem freut uns die Nominierung der Preisträgerin aus der Professorenschaft der Universität Münster“, betont Dr. Paul-Josef Patt, Vorsitzender der Universitätsgesellschaft. Der Preis ist mit 20.000 Euro dotiert und wird am 26. November im Geomuseum der Universität Münster verliehen.
„Gertrude Lübbe-Wolff hat weit über ihr Fach hinaus die rechtspolitischen Debatten in Deutschland mitgeprägt. Als Staatsrechtslehrerin, als Richterin des Bundesverfassungsgerichts und als öffentliche Intellektuelle hat sie sowohl wissenschaftliche als auch wissenschaftlich fundierte publizistische Beiträge zum Gemeinwohl geleistet, die über das Fach hinaus wirksam sind und bleiben werden“, begründet Prof. Dr. Reinold Schmücker, bis vor kurzem Dekan des Fachbereichs Geschichte und Philosophie, die Nominierung.
Ihre Habilitationsschrift „Die Grundrechte als Eingriffsabwehrrechte“ aus dem Jahr 1988 avancierte zum Klassiker und ist bis heute ein Muss für jede Forschungsarbeit zu den allgemeinen Grundrechtslehren. Seit 1992 forscht und lehrt Gertrude Lübbe-Wolff als Professorin für öffentliches Recht an der Universität Bielefeld. Von 2002 bis 2014 war sie Richterin des Bundesverfassungsgerichts. Im Jahr 2000 zeichnete die Deutsche Forschungsgemeinschaft sie mit dem Leibniz-Preis aus; zudem wurde sie mit dem Amt der Vorsitzenden des Rates von Sachverständigen für Umweltfragen betraut.
Gertrude Lübbe-Wolff verbindet in ihren Veröffentlichungen rechtstheoretische und rechtsphilosophische Fragen, zum Beispiel in ihrer Monographie über „Das Dilemma des Rechts. Über Härte, Milde und den Fortschritt im Recht“ von 2017. Ihre Arbeiten kennzeichnen stets viele interdisziplinäre Einflüsse: die Hegelsche Rechtsphilosophie, soziologische Beobachtungen, eine breite historische Bildung und das Gespür für die politischen Implikationen der Verfassungsgerichtsbarkeit.
Mit ihrem Buch „Demophobie. Muss man die direkte Demokratie fürchten?“ richtete sich die aus dem österreichischen Weitensfeld stammende Juristin an eine breite Öffentlichkeit. Sie plädiert für direkte Demokratie als wichtige Ergänzung zur repräsentativen Demokratie und als „Medizin gegen die vulgäre Elitenverachtung“. Die Rechtswissenschaftlerin scheut sich zudem nicht vor tagespolitischen Debatten, in denen sie ihre Meinung äußert – pointiert, mitunter polemisch, aber immer juristisch fundiert.
„Der Preis ehrt eine der angesehensten Rechtswissenschaftlerinnen des Landes, deren klug und mutig, scharfsinnig und abwägend argumentierende Stimme unsere Gesellschaft gegenwärtig vielleicht mehr bedarf denn je“, unterstreicht Reinold Schmücker.
Preisverleihung:
Mit dem Ernst Hellmut Vits-Preis würdigt die Universitätsgesellschaft Münster seit 1968 hervorragende wissenschaftliche Beiträge zur geistigen und materiellen Verbesserung des Lebens. Er wird im zweijährigen Turnus wechselweise an Persönlichkeiten aus Naturwissenschaften und Medizin oder den Geisteswissenschaften verliehen. Interessierte können sich für die Teilnahme am Festakt (ab 17 Uhr) per E-Mail unter anmeldung@universitaetsgesellschaft-muenster.de registrieren.
Autorin: Hanna Dieckmann
Dieser Artikel stammt aus der Unizeitung wissen|leben Nr. 7, 6. November 2024.