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Münster (upm/nor).
David MacMillan ist ein Wegbereiter der Photokatalyse mit sichtbarem Licht. Für seine herausragende Forschung auf diesem Gebiet erhält er die Ehrendoktorwürde des Fachbereichs Chemie und Pharmazie.<address>© Corinne Strauss</address>
David MacMillan ist ein Wegbereiter der Photokatalyse mit sichtbarem Licht. Für seine herausragende Forschung auf diesem Gebiet erhält er die Ehrendoktorwürde des Fachbereichs Chemie und Pharmazie.
© Corinne Strauss

„Ich liebe die Kreativität meiner Arbeit“

Nobelpreisträger David MacMillan über die Ehrendoktorwürde, die Skepsis gegenüber Chemie und die US-Wahlen

In Anerkennung seiner herausragenden Forschung im Bereich Katalyse und molekulare Chemie wird der Fachbereich Chemie und Pharmazie der Universität Münster am 11. Juni die Ehrendoktorwürde an David MacMillan (56) verleihen. Der gebürtige Schotte wurde 2021 zusammen mit seinem Fachkollegen Benjamin List mit dem Nobelpreis für Chemie ausgezeichnet. Norbert Robers sprach mit David MacMillan, der als Professor an der Princeton University (USA) lehrt, über die Auszeichnung, den Ruf der Chemie und seine Vorfreude auf das Fußballspiel zwischen Deutschland und Schottland am 14. Juni.

 

Die Liste Ihrer Auszeichnungen ist lang: Nobelpreis, der Ritterschlag durch Queen Elizabeth II, um nur zwei zu nennen. Was bedeutet Ihnen die Ehrendoktorwürde des Fachbereichs Chemie und Pharmazie?

Das ist für mich wirklich etwas Besonderes. Erstens entstand die moderne Chemie in Deutschland. Und zweitens gehört dieser Fachbereich der Universität Münster zu den besten der Welt. Gerade in meinem Bereich, der Katalyse in der organischen Chemie, arbeiten einige der weltweit führenden Köpfe wie Frank Glorius, Armido Studer und Ryan Gilmour in Münster. Als Wissenschaftler hat man immer das Gefühl, nicht gut genug zu sein – deshalb ist es für mich eine große Ehre, diese Auszeichnung zu erhalten.

Welche Rolle spielt Münster in Ihrem Bereich?

Ich habe gerade drei Ihrer Koryphäen genannt. Aber das ist nicht alles. Der gesamte Fachbereich ist für seine starken Leistungen bekannt. Wenn ich mit meinen US-amerikanischen Kollegen über meine Arbeit spreche, kommen wir oft auf das zurück, was in Münster erreicht wurde. Ich reise viel, um Fachkollegen zu besuchen – aber ich meine es ehrlich, wenn ich sage, dass ich mich auf meinen Besuch in Münster besonders freue.

Sie hatten ursprünglich andere berufliche Pläne. Als Jugendlicher wollten Sie wie Ihre Freunde in einer Band spielen. Stattdessen stehen Sie nun in Vorlesungssälen am Rednerpult. Das ist weit entfernt von Ihrem ursprünglichen Ziel …

Ja und nein. Vor kurzem habe ich in North Carolina eine Rede vor 25.000 Zuschauern gehalten. Es ist großartig, so viele Menschen zum Lachen zu bringen und sie für meine Arbeit und für die Wissenschaft zu begeistern. Als Forscher liebe ich die Kreativität, die Innovationskraft und den Einfluss meiner Arbeit. All dies ist so ähnlich, wie in einer Band zu spielen und dafür eine Reaktion aus dem Publikum zu erhalten.

Apropos Reaktionen: Wie erklären Sie Menschen, die in Chemie nicht so bewandert sind, warum Katalyse wichtig ist?

Zunächst weiß ich es zu schätzen, dass die Chemie in Deutschland viel mehr Anerkennung findet als in fast allen anderen Ländern der Welt. Alles, was Sie sehen, ist das Ergebnis einer chemischen Reaktion. Die Katalyse ist lediglich eine Methode, chemische Reaktionen zu ermöglichen oder zu beschleunigen. Ohne die Katalyse könnten beispielsweise keine acht Milliarden Menschen auf der Erde leben. Die Katalyse beeinflusst alles, und zwar grundlegend – denken Sie nur an die Themen Nachhaltigkeit und erneuerbare Energien. All das basiert auch auf Katalyse.

Sie sind davon überzeugt, dass die Chemie in Deutschland einen besseren Ruf hat als irgendwo sonst auf der Welt?

Ja, sicher. Denn das Wort ‚Chemie‘ hat für den Rest der Welt sehr negative Konnotationen. Das ist ein Vermittlungsproblem. Denkt man an Physik, denkt man an Schwarze Löcher oder Albert Einstein. Denkt man an Biologie oder Medizin, denkt man daran, wie man die Lebensqualität der Menschen verbessern kann. Denkt man an Chemie, denkt man dagegen oft an Schornsteine, aus denen giftiger Rauch quillt, an Umweltverschmutzung oder Ölteppiche auf dem Meer. Viele Menschen haben eine sehr schlechte Meinung von der Chemie, aber ohne guten Grund. Die Deutschen hingegen verstehen seit Jahrzehnten, warum die chemische Industrie so wichtig für die Welt ist, besonders für die deutsche Gesellschaft. Sie verstehen die Werte, die der Chemie zugrunde liegen. Das ist großartig, und das ist klug. Meine Aufgabe ist es zu versuchen, möglichst vielen Menschen zu vermitteln, richtig über die Chemie zu denken. Deshalb ist die Katalyse so wichtig, weil die meisten Menschen verstehen, dass man mit der Katalyse etwas tun kann, das nicht einfach ist. Die Katalyse hat sehr positive Konnotationen.

Die ganze Welt wartet auf das Ergebnis der Präsidentschaftswahlen in den USA am 5. November. Mit welchen Gefühlen und Erwartungen denken Sie an diesen Tag?

Ich möchte nicht zu tief in dieses Thema einsteigen. Seitdem ich den Nobelpreis gewonnen habe, hatte ich die Gelegenheit, viele interessante Menschen zu treffen, die ich sonst nicht getroffen hätte. Es waren auch zahlreiche Politiker darunter. Im Großen und Ganzen habe ich es mehr genossen, andere Menschen zu treffen als gerade Politiker. Letztendlich muss man allerdings akzeptieren, was in einer Demokratie geschieht, man muss den Willen des Volkes respektieren.

Lassen Sie mich nachhaken: Donald Trump oder Joe Biden als nächster Präsident – wer ist besser für die Wissenschaft?

Unter Präsident Trump stand tatsächlich mehr Geld als vorher für die Grundlagenforschung zur Verfügung. Aus einem besonderen Grund: Ich vermute, dass Trump und seine Regierung einfach nicht verstanden haben, was damals passiert ist – die Erhöhung war nicht seine Absicht. Gleichzeitig stieg die Skepsis gegenüber der Wissenschaft enorm an. Und das beunruhigt mich mehr als alles andere. Seitdem unterschätzen viele Menschen das, was die Wissenschaft für die Gesellschaft leistet. Das ist ein extrem gefährliches Szenario. Wir müssen die Tendenz stoppen, Wissenschaft zu missachten und ihr zu misstrauen – nicht nur in den USA, sondern weltweit. Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen tun ihr Bestes, damit es der Gesellschaft besser geht, daran arbeiten alle Wissenschaftler sehr hart. Sie sind Teil der arbeitenden Bevölkerung, die versucht, anderen zu helfen, den Gipfel eines Berges zu erreichen. Trotzdem sagen mir viele Menschen, dass Wissenschaft verzichtbar sei. Das ist ein furchtbarer Standpunkt.

Lassen Sie uns zum Schluss noch über die wichtigste Nebensache der Welt sprechen – Fußball. Am 14. Juni wird Deutschland das Auftaktspiel der Europameisterschaft in München gegen Schottland bestreiten. Wie ich höre, haben Sie Eintrittskarten und werden vor Ort dabei sein. Können Sie überhaupt noch schlafen?

Ich weiß, dass das Spiel für Schottland nicht gut ausgehen wird. Trotzdem: Es wird eine traumhafte Gelegenheit für mich sein, nach München zu fahren und das Eröffnungsspiel der Europameisterschaft zu sehen – das ist ein großes Privileg. Solange ich denken kann, bin ich ein großer Fußballfan. Auf der einen Seite interessiere ich mich nicht wirklich für das Ergebnis. Auf der anderen Seite würden die meisten Schotten alles tun oder sogar ihr Leben dafür geben, dass Schottland beim Fußball erfolgreicher wäre. Und, um ehrlich zu sein: Ich würde sogar meinen Nobelpreis opfern, wenn Schottland dadurch ins Endspiel kommt …

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