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Münster (upm/anb).
Dieser Zander-Apparat diente zum Training des Bizepses und nutzte dabei mechanische Prinzipien, die noch heute in Fitnessstudios und beim heimischen Training eine Rolle spielen.<address>© DigitaltMuseums - gemeinfrei</address>
Dieser Zander-Apparat diente zum Training des Bizepses und nutzte dabei mechanische Prinzipien, die noch heute in Fitnessstudios und beim heimischen Training eine Rolle spielen.
© DigitaltMuseums - gemeinfrei

Gesundheit im Wandel der Zeit

Teil 2 der Serie „fit und gesund“ an der Universität Münster: Wissenswertes aus der Sport- und Medizingeschichte

Sport begleitet täglich Millionen von Menschen – als Hobby, soziale Tätigkeit oder für die Gesundheit und Fitness. Doch was bedeutet es, gesund zu sein? Wie haben sich Menschen früher fit gehalten? Und was hat das mit heutigen Sportlerinnen und Sportlern zu tun? Basierend auf Impulsen des münsterschen Medizinhistorikers Prof. Dr. Hans-Georg Hofer trägt dieser Text Wissenswertes aus der Sport- und Medizingeschichte zusammen.

 

Vom Gesundheitsbegriff

„Was ist Gesundheit? Nichts erscheint (...) schwieriger als die Beantwortung dieser Frage“, schreibt der Medizinhistoriker Klaus Bergdolt in einem Aufsatz. Er und andere haben es dennoch versucht. So wurde Gesundheit in der Antike, wie aus einem Lexikoneintrag hervorgeht, „als leiblich/körperliche Grundlage menschlichen Handelns stillschweigend vorausgesetzt“. Gemäß einem naturphilosophischen Leitgedanken kamen im menschlichen Körper verschiedene, entgegengesetzte Eigenschaften zusammen, etwa Wärme und Kälte. Gesundheit ergab sich aus einem Gleichgewicht der Zustände. Der antike Mediziner Galen unterschied dabei nicht nur zwischen Krankheit und Gesundheit, sondern formulierte einen dritten Zustand: das Weder-Noch, übersetzt mit lateinisch „Ne-utrum“, also „Neutrum“.

Als nach 1800 die naturwissenschaftliche Medizin aufkam, verschwand diese Auffassung, und Krankheiten gerieten in den Mittelpunkt des Interesses. Dies wird deutlich durch einen Satz des Journalisten und Theaterkritikers Ludwig Börne (1786 – 1837): „Es gibt 1.000 Krankheiten, aber nur eine Gesundheit.“ Die Weltgesundheitsorganisation hingegen definiert Gesundheit als einen Zustand „des vollständigen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlergehens und nicht nur [als] Fehlen von Krankheit oder Gebrechen“.

 

Pioniere der Fitnessbewegung

Werfen wir nun einen Blick auf die Pioniere der heutigen Sport- und Fitnessbewegung. Erneut half Hans-Georg Hofer mit einem Hinweis auf die sogenannten Zander-Apparate. Der schwedische Arzt Gustav Zander entwickelte in den 1850er-Jahren die Vorläufer der heutigen Fitnessgeräte, um sich seine Arbeit als Physiotherapeut zu erleichtern. Mit den Konstruktionen aus Gusseisen, Stahl, Leder und Holz mit ihren Hebeln, Stangen, Riemen und Gewichten begründete er die von ihm getaufte „medico-mechanische Therapie“, die die menschlichen Trainingsassistenten durch die Geräte ersetzte und damit für ein gleichmäßigeres, passgenaueres Training sorgte. Die Zander-Apparate wurden im Verlauf des 19. Jahrhunderts in Europa und den USA beliebt, in Deutschland gab es zeitweise 79 Studios mit den Apparaturen.

Gustav Zander hat das Gerätetraining durch seine Erfindungen revolutioniert. Ein weiterer, theoretisch-praktischer Vorreiter, dessen Werk noch heute in den Heim- und Fitnessstudios fortbesteht, ist Joseph Pilates. 1883 in Mönchengladbach geboren, interessierte sich Joseph Pilates früh für verschiedene Sportarten wie Turnen und Gymnastik. Vor dem Ersten Weltkrieg ging er nach England, wo er eigenen Angaben zufolge als Boxer, Zirkusartist und Lehrer für Selbstverteidigung arbeitete. Nachdem Großbritannien dem deutschen Kaiserreich 1914 den Krieg erklärt und Gesetze gegen deutsche Einwanderer verhängt hatte, kam Joseph Pilates im Jahr 1915 in ein Kriegsgefangenenlager. Er berichtete, dass die Enge des Gefangenenlagers für Körper und Geist belastend gewesen sei und zur Erfindung seines nach ihm benannten Trainingsprogramms geführt habe. Dazu habe er streunende Katzen bei ihren Bewegungen beobachtet. „In seinen Augen stand die geschwächte Energie der Gefangenen im Gegensatz zu der Dynamik der streunenden Katzen, die sich im Gefängnis herumtrieben“, heißt es in einem Artikel von „National Geographic“, der Bezug nimmt auf eines der seltenen Interviews von Joseph Pilates, das er 1962 „Sports Illustrated“ gab.

 

„Der Mann, der das Joggen erfand“

Eine weitere wichtige Person der Sport- und Medizingeschichte ist der Epidemiologie Jeremy „Jerry“ Morris. Erstaunlicherweise erbrachte erst er den unwiderlegbaren Beweis für den Nutzen von körperlichem Training, wie Bill Hayes, der Autor des Buchs „Sweat: A History of Exercise“ schreibt. Um herauszufinden, warum es nach dem Zweiten Weltkrieg in Großbritannien vermehrt zu Herzerkrankungen kam, erdachte Jerry Morris ein Experiment. Er begleitete Busfahrer und Kontrolleure – mehr als 30.000 Personen – ein Jahr lang bei ihrer Arbeit und kam zu einem eindeutigen Schluss: Die Kontrolleure hatten ein deutlich geringeres Risiko, Herzerkrankungen zu erleiden als die Busfahrer. Der Grund: Jene bewegten sich den ganzen Tag, während die Fahrer viele Stunden am Stück hinter dem Lenkrad saßen. Das mag aus heutiger Sicht naheliegend klingen, und auch Generationen vor Jerry Morris erahnten wohl den Nutzen von körperlicher Bewegung und Anstrengung. Doch trug der britische Epidemiologe wesentlich zur modernen Bewegungswissenschaft bei, weshalb er in „The Atlantic“ nach seinem Tod (er starb 2009 im Alter von 99 Jahren) als „the man who made jogging a thing“ bezeichnet wurde.

Der Blick in die Sport- und Medizingeschichte zeigt, auf welchen und wessen Schultern die heutigen gesundheitsbewussten und fitnessbegeisterten Generationen stehen. Wie beliebt Sport und Bewegung sind, zeigen zwei Zahlen: Im Jahr 2023 waren 24,2 Millionen Deutsche Mitglieder in Sportvereinen, 11,3 Millionen in Fitnessstudios – auch dank Gustav Zander und Co.

Autor: André Bednarz

 

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© goldmarie design
Die Serie „gesund und fit“:

Sich fit halten und gesund werden oder bleiben: Das ist der Wunsch vieler Menschen. In dieser Serie stellen wir verschiedene Facetten von Gesundheit und Fitness an der Universität in den Mittelpunkt. Den sprichwörtlichen erhobenen Zeigefinger oder Patentlösungen bietet die Reihe nicht, jedoch eine wissenschaftliche Einordnung und zudem einige praktische Tipps.

 

Dieser Artikel stammt aus der Unizeitung wissen|leben Nr. 3, 8. Mai 2024.

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