Mehrheit sieht Vorteile durch künstliche Intelligenz
Die Markteinführung des textbasierten Dialogsystems ChatGPT Ende 2022 sorgte für große Aufregung. Die einen sind fasziniert von den Möglichkeiten zur Arbeitserleichterung durch künstliche Intelligenz (KI), andere sorgen sich dagegen um ihren Arbeitsplatz. Wie ist die Stimmung nach einem Jahr ChatGPT? Die Kommunikationswissenschaftler Prof. Dr. Volker Gehrau und Prof. Dr. Jakob Jünger sowie das Rektorat der Universität Münster wollten es genauer wissen. Im Dezember 2023 führten die Wissenschaftler eine Online-Umfrage mit dem Titel „KI und ChatGPT – UniMS und Bevölkerung im Vergleich“ unter den Mitarbeitern und Studierenden der Universität Münster sowie in der allgemeinen Bevölkerung durch, an der über 1.000 Beschäftigte der Universität und rund 1.600 Studierende teilnahmen. Diese Daten verglichen sie mit den Angaben von etwa 1.000 Bürgern aus einem repräsentativen Online-Panel.
Die wichtigsten Ergebnisse:
- 96 beziehungsweise 97 Prozent der Universitätsbeschäftigten und Studierenden kennen KI-Systeme, in der allgemeinen Bevölkerung sind es nur 66 Prozent.
- Alle Gruppen sehen in KI deutlich mehr Vor- als Nachteile für die Arbeitswelt, vor allem Studierende.
- Für das soziale Miteinander befürchten alle Gruppen einhellig eher Nachteile.
- Um die Datensicherheit sorgen sich Universitätsangehörige mehr als die Bevölkerung.
„Die medial verbreiteten Ängste vor KI als Jobvernichter spiegeln sich in unseren Daten nicht wider. Sie belegen vielmehr eine positive Aufbruchstimmung“, fasst Volker Gehrau zusammen. Der größte Nutzen liegt für die Befragten in einer möglichen Arbeitsentlastung und einer damit einhergehenden gesteigerten Arbeitszufriedenheit.
Die Daten geben auch Auskunft über den Umgang mit generativer KI: Universitätsangehörige nutzen diese Methoden in erster Linie zum Erstellen und Übersetzen von Texten. Vor allem Studierende verwenden KI häufig zur Inspiration oder um sich etwas erklären zu lassen – die Mitarbeiter sind zurückhaltender. Dies könne zu Spannungen im Lehrbetrieb führen, erläutert Jakob Jünger: „Studierende wollen KI nutzen und fragen nach Anleitung. Sie sehen darin eine unverzichtbare Kompetenz für ihr Berufsleben. Wenn Lehrende hierfür nicht aufgeschlossen sind, könnten Konflikte entstehen.“ Klärungsbedarf besteht auch in der Verwaltung, um den Mitarbeitern Rechtssicherheit zu geben. In Bezug auf die Arbeit mit ChatGPT äußerte diese Gruppe die größten Bedenken.
Um solchen Tendenzen entgegenzuwirken, steht das Forscherteam im engen Austausch mit dem Rektorat. Die Umfrage, in der viele Personen auch offene Fragen beantwortet und damit Gestaltungswillen gezeigt haben, soll in die weiteren Angebote der Universität zum Verständnis von und Umgang mit KI einfließen. „Künstliche Intelligenz ist an der gesamten Universität angekommen. Aus der Sicht aller Befragten wäre ein Verbot kontraproduktiv. Sie wollen aber genauer verstehen, wie generative KI arbeitet und mit welchen Risiken das verbunden sein kann“, bilanziert Volker Gehrau. Das Klima für die weitere Auseinandersetzung sei mit der grundsätzlich positiven Haltung „ideal“.
Autorin: Anke Poppen
Dieser Artikel stammt aus der Unizeitung wissen|leben Nr. 2, 4. April 2024.
Veranstaltungshinweis:
„Generative KI-Systeme in Studium und Lehre“ (für Beschäftigte und Studierende)
Montag, 22. April 2024, 14-16.30 Uhr, Aula des Schlosses, Schlossplatz 2
Referenten:
- PD Dr. Malte Persike (RWTH Aachen): „Lehren oder Lehren lassen: Generative KI für das Lehren, Lernen und Prüfen“
- Prof. Dr. Volker Gehrau und Prof. Dr. Jakob Jünger: „Erwartungen und Meinungen zum Einsatz generativer KI in Studium und Lehre“