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Münster (upm/jh).
Dr. Beatrix van Dam (r.) und Alina Viermann präsentieren die neue Webseite des „Lyrisch!“-Projekts, das niederländische Literatur mit allen Sinnen erfahrbar macht.<address>© Uni MS - Julia Harth</address>
Dr. Beatrix van Dam (r.) und Alina Viermann präsentieren die neue Webseite des „Lyrisch!“-Projekts, das niederländische Literatur mit allen Sinnen erfahrbar macht.
© Uni MS - Julia Harth

„Lyrisch!“-Projekt weckt Begeisterung für lebendige Sprache

Neue Webseite unterstützt Einsatz von Literatur im Niederländischunterricht

Der Umgang mit Literatur fristet im Niederländischunterricht bisher eher ein Schattendasein. Im Vordergrund stehen Wortschatz und Grammatik, interkulturelle Kompetenzen und die mündliche Kommunikation. „Häufig ist Niederländisch zweite oder dritte Fremdsprache, für Literatur bleibt wenig Zeit“, sagt Dr. Beatrix van Dam vom Institut für Niederländische Philologie (INP) der Universität Münster. Viele Lehrkräfte empfänden das Arbeiten mit Literatur als schwere Kost, es gebe nur wenig passendes Material. Ein von ihr geleitetes Projekt soll das ändern: Auf der Webseite „Lyrisch! Niederländisch lernen mit Literatur“ stehen mehr als 80 kurze Texte für den Unterricht bereit. Dazu zählen beispielsweise Gedichte, Kurzgeschichten und Romanauszüge.

„Wir möchten die Schülerinnen und Schüler für Literatur begeistern – und zwar in allen Phasen des Spracherwerbs“, berichtet Projektmitarbeiterin Alina Viermann vom INP. Denn wer auf Niederländisch „lyrisch“ ist, ist „begeistert“. Die Themen orientieren sich an den Lehrplänen des Niederländischunterrichts in Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen, beispielsweise Identität und Diversität, (Post-)Kolonialismus, Migration, aktuelle gesellschaftliche Fragen oder die Lebenswelt junger Erwachsener. „Literatur kann Leserinnen und Leser auf eine Weise affektiv und kognitiv erreichen, wie es andere Texte, so authentisch und alltagsnah sie auch im Fremdsprachenunterricht eingesetzt werden, nicht leisten“, betont Beatrix van Dam. Finanziert wurde das auf drei Jahre angelegte Projekt von der niederländisch-flämischen Taalunie („Sprachunion“). Projektpartner sind die Fachvereinigung Niederländisch und der Fachinformationsdienst Benelux.

Mehr als 60 Texte stehen auf der Webseite zusätzlich als Audiodatei und teilweise in verschiedenen Sprachvarianten wie Flämisch oder Surinamisch-Niederländisch zur Verfügung. So wird Literatur in ihrer Diversität mit allen Sinnen erfahrbar gemacht. Zudem gibt es „B-Versionen“ mit Worterklärungen, Einschätzung des Sprachniveaus und inhaltlichen Erläuterungen, damit das Material im Klassenraum direkt einsetzbar ist. „Die Texte sind so ausgewählt, dass sie einen erfahrungsorientierten und emotionalen Zugang erleichtern“, erklärt Beatrix van Dam. Dahinter stecke das Konzept der erfahrungsorientierten Literaturdidaktik, das die individuelle Leseerfahrung zum Ausgangspunkt nimmt und so die Motivation zum Lesen von Literatur erhöhen soll. Es gibt kein „richtig“ oder „falsch“. Vielmehr geht es darum, von der eigenen Wahrnehmung auszugehen. Für Schüler sei es oft leichter, ihre Eindrücke, Gedanken und Gefühle beim Lesen zu beschreiben, als Aussagen über den Text selbst zu treffen.

Flankiert wurde die Entwicklung der Webseite von deutsch-niederländischen Kolloquien zur aktuellen Literaturdidaktik im Fremdsprachenunterricht und einer Umfrage zum Stand von Literatur im Niederländischunterricht in Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen. Demnach kamen Schüler verschiedener Jahrgangsstufen bisher nur etwa ein- bis zweimal pro Halbjahr mit Literatur in Kontakt. Drei Viertel aller befragten Lehrkräfte wünschten sich mehr Publikationen mit literarischen Texten für den Unterricht. „Mit unserer Webseite ist das Herzstück des Projekts nun startklar“, zeigt sich Beatrix van Dam erfreut. Das Angebot ist frei zugänglich und kann von allen (angehenden) Lehrkräften auch von außerhalb des deutschsprachigen Raums genutzt werden – egal ob im Schuldienst, an Universitäten oder Volkshochschulen. Für Rückmeldungen aus der Praxis ist die Projektverantwortliche dankbar. „Wir freuen uns, wenn wir mit unserer Arbeit Begeisterung für lebendige Sprache wecken können.“

Autorin: Julia Harth

Dieser Artikel stammt aus der Unizeitung wissen|leben Nr. 2, 4. April 2024.

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