Neues Verfahren zur Fluorierung von Eninen
Fluorierte kleine Moleküle werden sehr häufig verwendet, um Arzneimittel oder Agrochemikalien herzustellen. Sie kommen jedoch natürlicherweise kaum vor. Die gesellschaftliche Bedeutung fluorierter Stoffe in Verbindung mit dem Mangel an natürlichen Quellen hat zu einem Bedarf an effektiven, nachhaltigen Methoden geführt, mit denen sich neue fluorierte Motive – also Molekülstrukturen mit ein oder mehrere Fluor-Atomen – aus relativ einfachen Ausgangsstoffen herstellen lassen. Ein Team um den Chemiker Prof. Dr. Ryan Gilmour von der Universität Münster zeigt nun, wie sich eine metallfreie, organokatalytische Plattform nutzen lässt, um sogenannte Enine, eine Gruppe spezieller Kohlenstoffverbindungen, zu fluorieren. Die Studie ist in der Fachzeitschrift „Nature Chemistry“ veröffentlicht.
Durch die neue Synthesemethode entsteht eine breite Palette an difluorierten Molekülbausteinen, die Kandidaten für neue Wirkstoffe sein können. „Wir verwenden einfache Enine, die größtenteils aus Kohlenstoff und Wasserstoff bestehen“, beschreibt Ryan Gilmour. „Mit unserer Strategie umgehen wir eine wichtige Einschränkung in der Difluorierungschemie. Sie ermöglicht es einem Teil des Substrats, während des Prozesses zu wandern oder sich neu anzuordnen. Dies ist ein bisschen wie molekulares Origami, bei dem wir ein einfaches Ausgangsmaterial reproduzierbar unseren Katalysebedingungen aussetzen und ein komplexeres Produkt mit zwei neuen Kohlenstoff-Fluor-Bindungen erzeugen können.“ Das Verfahren ist einfach zu handhaben und mit niedermolekularen Arzneimitteln kompatibel: Das Team stellt ein Beispiel für den modifizierten Arzneistoff Febuxostat vor, der zur Behandlung von Hyperurikämie – also zu hohe Harnsäurespiegel im Blut – und Gicht eingesetzt wird. Dr. Zi-Xuan Wang, Hauptautor der Studie, erreichte außerdem die kürzeste bisher bekannte Synthese von Difluorpalmitinsäure, was die Effizienz und den Nutzen des Ansatzes unterstreicht.
Zum Hintergrund: Die Bedeutung fluorierter Stoffe in der Medizin lässt sich anhand von Arbeiten aus den späten 1950er Jahren veranschaulichen. Damals wurde die verbesserte Leistung fluorierter Steroide im Vergleich zu ihren nicht fluorierten Gegenstücken nachgewiesen: Das entzündungshemmende Glucocorticoid Dexamethason ist ein Beispiel dafür. Es ist ähnlich aufgebaut wie das im Körper vorkommende Cortisol, enthält jedoch im Gegensatz zu diesem eine Fluorierung – und wirkt ungefähr 25-mal stärker.
Originalveröffentlichung
Wang, ZX., Livingstone, K., Hümpel, C. et al. (2023): Regioselective, catalytic 1,1-difluorination of enynes. Nat. Chem.; DOI: 10.1038/s41557-023-01344-5