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Münster (upm/tz).
Erinnerung an die Studienzeit bei einem Besuch in Münster: Adriane Rickel schrieb sich Ende der 1990er-Jahre für Germanistik und Philosophie ein – der Neubau des Philosophikums existierte damals jedoch noch nicht.<address>© Uni Münster - Michael C. Möller</address>
Erinnerung an die Studienzeit bei einem Besuch in Münster: Adriane Rickel schrieb sich Ende der 1990er-Jahre für Germanistik und Philosophie ein – der Neubau des Philosophikums existierte damals jedoch noch nicht.
© Uni Münster - Michael C. Möller

Die große Welt des Wissens

Bei „Gefragt – Gejagt“ nennt sie sich „Die Generalistin“, in Münster entdeckte Adriane Rickel ihre Quiz-Leidenschaft

Sie müsse am Nachmittag weiter nach Hamburg, erzählt Adriane Rickel, als sie ihrer alten Heimat Münster einen Besuch abstattet. Die Zeit für ein Gespräch nimmt sie sich gerne auf dieser Durchreise von Süd nach Nord. Die gebürtige Holsteinerin kennt die münsterschen Wege nur zu gut, immerhin hat sie 19 Jahre hier gewohnt.

Ende der 1990er-Jahre zog es Adriane Rickel aus dem Hunsrück in die große Stadt. „Deutsch und Ethik waren meine Lieblingsfächer in der Schule und ein Studium der Germanistik und Philosophie klang für mich nach einem guten nächsten Schritt“, erinnert sie sich. Der Umzug aus ihrer heimatlichen Ortsgemeinde nach Münster war eine Art Kulturschock. „In meiner Schulbibliothek gab es ein paar kleine Regale. Die Größe der Bibliothek in Münster hat mich im Vergleich dazu fast erschlagen.“

Beide Studiengänge hat Adriane Rickel in guter Erinnerung. „In der Germanistik und der Philosophie wurde mir gut beigebracht, Fragen zu stellen und Gedankengänge über Jahrhunderte nachzuvollziehen“, sagt die 49-Jährige. Und noch etwas hat sie in Münster gelernt: mit dem Fahrrad zu fahren. „Ich gehe sehr gerne zu Fuß und habe mich einige Jahre geweigert, das Rad zu nehmen. Aber Münster hat mich dann irgendwann gekriegt.“

Heute pendelt Adriane Rickel vor allem zwischen zwei Städten: Sie lebt und arbeitet als Korrektorin in einem juristischen Verlag in Stuttgart, in Hamburg gibt sie in der vorabendlichen Quizshow „Gefragt – Gejagt“ die „Jägerin“, die „Generalistin“. Seit September 2021 gehört sie dem Team der Jäger an. Den Titel „Generalistin“ hat sie sich nicht selbst ausgedacht, auch wenn sie ein Mitspracherecht hatte. Ihr Vorschlag „Das Käpsele“, was so viel wie „cleverer Mensch“ heißt, klang in den Ohren der NDR-Redaktion allerdings zu süddeutsch.

Der Weg, der Adriane Rickel zur Jägerin machte, beginnt in Münster. Als Studentin suchte sie sich Kontakte in der Quiz-Szene und nahm regelmäßig mit ihrem Team „Spaceman Spiff“ an dem Pubquiz im „Scott’s View“ teil. Ab und zu fuhr sie mit ihrem Team einen Sieg ein, aber häufig mussten sie sich den „Ketzern“ geschlagen geben, angeführt vom „Oberketzer“ – ihrem heutigen Jäger-Kollegen Klaus Otto Nagorsnik.

Ich gönne den Kandidaten das Preisgeld, aber ich will auch gewinnen.
Adriane Rickel
Bei ihrer Begeisterung für das Quizzen ist es somit kaum verwunderlich, dass Adriane Rickel schon bald selbst Fragen stellte. Im KCM Schwulenzentrum startete sie mit drei Freunden ein schwul-lesbisches Quiz. „Wir hatten meistens eine Kategorie, die sich speziell um ein queeres Thema drehte. Der Rest waren Allgemeinbildungsfragen“, erklärt die Jägerin. Zum Jahreswechsel 2012/2013 verließ sie Münster. Während ihres Studiums war sie in einem Verlag in Nienberge tätig gewesen und bekam nunmehr die Möglichkeit, als Korrektorin in Stuttgart zu arbeiten. Abgeschlossen hat sie ihr Studium nicht, aber ihre Erinnerungen an die Zeit im Münsterland sind trotzdem positiv. „Die Universität war für mich eine große Welt voller Wissen, Möglichkeiten, Menschen und Ideen“, erinnert sich Adriane Rickel. „Und die Menge an Büchern war auch gewaltig. Für mich sind Bücher gedruckte Ideen von Menschen.“

Das Lesen hatte schon immer einen großen Stellenwert im Leben der Tochter zweier Kneipenbesitzer. Neben Backen und Wandern ist die Literatur eines ihrer großen Hobbys. „Wandern im Münsterland geht überhaupt nicht“, sagt sie und lacht. „Ich brauche kein Hochgebirge, aber zum Wandern ist diese Region wirklich nicht geeignet.“ Was sie in Münster dafür umso mehr mag, ist der Wochenmarkt. Auch wenn sie Stuttgart für sehr lebenswert hält, vermisst Adriane Rickel den münsterschen Markt auf dem Domplatz sehr.

Der Bewerbungsprozess von „Gefragt – Gejagt“ lief wie ein normales Jobinterview, erzählt sie. Es gab ein Online-Gespräch mit Quiz, der Lebenslauf wurde begutachtet und noch am Tag ihres Probedrehs erhielt sie die Nachricht, dass sie ab sofort Jägerin ist.

Vor ihrem ersten Auftritt hatte die Stuttgarterin noch nie vor der Kamera gestanden. An ihre Prominenz gewöhnte sie sich schnell. „Ich bin in einem Ort mit 1.300 Einwohnern aufgewachsen. Ich bin es gewohnt, dass ich gegrüßt werde und nicht immer weiß, wer die andere Person ist.“ Bisher würde es sich aber in Grenzen halten. „Ich habe Klaus Otto Nagorsnik beim diesjährigen Promikellnern am Aasee besucht. Wenn wir nebeneinanderstehen, fällt der Groschen bei den Leuten schon eher, aber sonst werde ich nicht oft erkannt.“

Auch heute versucht die Generalistin, regelmäßig nach Münster zu kommen, auch wenn das mit zwei Jobs nicht immer so leicht ist. Trotz des regelmäßigen Pendelns ist Adriane Rickel glücklich in ihrer Rolle als Jägerin – nicht zuletzt, weil sie viele positive Rückmeldungen bekommt. Nur mit einem inneren Konflikt hadert sie immer wieder aufs Neue. „Ich gönne den Kandidaten das Preisgeld, aber ich will auch gewinnen. Wenn es eine Möglichkeit gäbe, wie ich das Quiz gewinne und die Kandidaten trotzdem das Geld bekommen, würde ich sofort zusagen.“

Autor: Tim Zemlicka

Dieser Artikel stammt aus der Unizeitung wissen|leben Nr. 6, 4. Oktober 2023.

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