
Alfred Müller-Armack: Ein Mittäter ohne Vorbildcharakter

War Alfred Müller-Armack ein Nationalsozialist? „Auf diese zugespitzt gestellte Frage gibt es keine einfache, in der Summe aber doch eine klare Antwort“, schildert Autor Prof. Dr. Thomas Großbölting, der bis Juli 2020 Professor für Neuere und Neuste Geschichte am Historischen Seminar der WWU war und nun als Direktor der Forschungsstelle für Zeitgeschichte in Hamburg arbeitet. „Alfred Müller-Armack reiht sich in die große Gruppe der universitären Mitläufer und Mittäter ein.“ Im Mai 1933 trat der Ökonom der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP) bei. Im selben Jahr publizierte er mit „Staatsidee und Wirtschaftsordnung im neuen Reich“ ein Buch, in dem er den italienischen Faschismus und den deutschen Nationalismus als die dem Wirtschaftsgeschehen der Zeit angemessene Staatsform feierte. Der Ökonom setzte in seiner Gesellschaftskonzeption auf eine autoritäre und anti-plurale Staatsführung. In einem totalen Staat, betonte Alfred Müller-Armack, habe sich „die Wirtschaft dem Vollzug des völkischen Willens unterzuordnen“. Die berufliche Karriere von Alfred Müller-Armack habe „parallel zur Etablierung des Nationalsozialismus Fahrt aufgenommen“, betont Thomas Großbölting. Nach seiner Berufung zum Professor gründete Alfred Müller-Armack 1941 die Forschungsstelle für allgemeine und textile Marktwirtschaft (FATM) an der Universität Münster. Die FATM fertigte im Auftrag staatlicher Behörden und für die Wehrmacht Studien an, die vor allem Wissen um die Warenbewirtschaftung erarbeiteten.
Die Frage nach der politischen Haltung und der daraus resultierenden Praxis zieht sich auch über das Ende des Nationalsozialismus hinaus: Das Kriegsende im Jahr 1945 und die nachfolgende Besatzungszeit hatten für Alfred Müller-Armack keinen Bruch zur Folge. Stattdessen arbeitete der Ökonom nahezu nahtlos weiter und dehnte seinen Wirkungskreis deutlich aus. In der frühen Bundesrepublik begann er eine Laufbahn als Ministerialmitarbeiter und politischer Beamter. Von 1958 bis 1963 war er Staatssekretär für europäische Angelegenheiten. Die Grundlage für diesen Schritt bildete der zweite Teil seiner 1946 publizierten Schrift „Wirtschaftslenkung und Marktwirtschaft“, die den bezeichnenden Titel „Soziale Marktwirtschaft“ trug. „Bereits seit den 1950er-Jahren hatte in der Bundesrepublik die ‚Stunde der Ökonomen‘ eingesetzt“, erläutert Thomas Großbölting. „Fragen nach möglichen Verstrickungen in die NS-Diktatur wurden rasch abgeschmettert. Erst Jahrzehnte später setzte die Erforschung der Rolle der Wissenschaft im Nationalsozialismus ein.“

Originalpublikation
Großbölting, Thomas: Alfred Müller-Armack – die politische Biografie eines Ökonomen (Veröffentlichungen des Universitätsarchivs Münster, 17), Münster 2023. 93 Seiten, 29 Euro. ISBN 978-3-402-15903-3.