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Münster (upm/kn).
Hendrik Weber (l.) und Raimar Wulkenhaar vom Exzellenzcluster Mathematik Münster wollen durch die Kombination von mathematischen Methoden neue Lösungsansätze für Forschungsprobleme finden.<address>© WWU - Michael C. Möller</address>
Hendrik Weber (l.) und Raimar Wulkenhaar vom Exzellenzcluster Mathematik Münster wollen durch die Kombination von mathematischen Methoden neue Lösungsansätze für Forschungsprobleme finden.
© WWU - Michael C. Möller

„Das voneinander Lernen beschleunigt unseren Erkenntnisgewinn“

Hendrik Weber und Raimar Wulkenhaar vom Exzellenzcluster „Mathematik Münster“ arbeiten gemeinsam an mathematischen Lösungen

Ohne Interdisziplinarität funktioniert exzellente Forschung nicht. Aber auch innerhalb eines Faches können Kooperationen über das jeweilige Forschungsteilgebiet hinweg zu neuen Ansätzen und Erkenntnissen führen. Die Mathematik ist ein Beispiel dafür. Prof. Dr. Hendrik Weber, Leiter der Arbeitsgruppe für Stochastische Analysis, und Prof. Dr. Raimar Wulkenhaar, Leiter der Arbeitsgruppe Mathematische Physik, arbeiten am Exzellenzcluster „Mathematik Münster“ zusammen. Im Interview mit Kathrin Nolte erklären die Mathematiker, welche Möglichkeiten der Austausch bietet und vor welchen Herausforderungen sie stehen.

Als Laie geht man davon aus, dass sich alle Mathematikerinnen und Mathematiker über ihre Forschung inhaltlich austauschen können und verstehen, was der andere untersucht. Warum ist das nicht immer der Fall?

Hendrik Weber: Die Mathematik ist ein großes Fach, das es bereits lange gibt und sich weit ausdifferenziert hat. Deshalb finde ich es nicht überraschend, dass die bestehenden Teildisziplinen inhaltlich unterschiedlich sind.

Raimar Wulkenhaar: Es kommt auch immer darauf an, von welcher Ebene wir sprechen. Bei einem Kolloquiumsvortrag verstehen wir durchaus, worum es inhaltlich geht. Aber damit ist nicht gesagt, dass man auf diesem Gebiet arbeiten kann. Dafür bedarf es sehr viel mehr, weil wir alle Spezialisten auf unserem jeweiligen Forschungsgebiet sind.

Welche Möglichkeiten bietet die Vernetzung von mathematischen Teilgebieten?

Raimar Wulkenhaar: Damit wir mathematische Fragen und Probleme lösen können, erschaffen wir Werkzeuge oder nutzen bestehende. Da es aber eine große Vielzahl an Werkzeugen wie Modelle und Theorien gibt, kennen wir sie nicht alle. Bei der Vernetzung innerhalb unserer Disziplin geht es darum, die Werkzeuge zu teilen. Deshalb tauschen wir uns aus.

Hendrik Weber: Bei unserer Zusammenarbeit geht es speziell darum, Modelle aus der Quantenfeldtheorie zu analysieren. Die Quantenfeldtheorie stammt eigentlich aus der Theoretischen Physik. Sie wurde ursprünglich entwickelt, um Materie wie Elementarteilchen auf den kleinsten Skalen zu verstehen. Seit mehr als 70 Jahren arbeiten Physiker erfolgreich mit der Theorie. Mathematiker hingegen sind mit der Quantenfeldtheorie nicht zufrieden, da sie die Dinge vom mathematischen Standpunkt her tiefer verstehen wollen. Während ich mich mit der stochastischen Analysis beschäftigte, setzt sich Raimar mit der mathematischen Physik auseinander. In den vergangenen Jahren gab es besondere und teilweise unerwartete Durchbrüche in der stochastischen Analysis, die ganz neue Ansätze für Probleme in der Quantenfeldtheorie ermöglichen. Aus diesem Grund haben wir uns zusammengetan.

Das klingt ganz so, als ob einige Herausforderungen auf Sie warten …

Raimar Wulkenhaar: Ja, das stimmt. Die Herausforderung der Quantenfeldtheorie ist es, die vier Dimensionen der Welt – Länge, Breite, Höhe und Zeit – zu verstehen. Während wir die Länge, Breite und Höhe bereits gut verstehen, verhält es sich mit der Zeit schwieriger. Jetzt stellt sich die Frage, ob das, was wir von den drei Dimensionen bereits wissen, ausreicht, um die vierte zu begreifen oder ob wir dafür weitere Ansätze benötigen. Hendrik und ich wollen die bisherigen Spielregeln ändern. Wir tasten uns Schritt für Schritt daran, die Quantenfeldtheorie und neuartige Methoden aus der stochastischen Analysis zusammenzubringen. Das wurde in der Forschung bisher noch nicht gemacht.

Wie sieht Ihre Zusammenarbeit im Arbeitsalltag konkret aus?

Hendrik Weber: Zum einen betreuen wir derzeit gemeinsam einen Doktoranden. Dadurch werden wir praktisch dazu gezwungen, miteinander im Gespräch zu bleiben. Zum anderen haben wir im Wintersemester 2022/23 bereits ein gemeinsames Seminar für Studierende gehalten, um einen Überblick über den jeweils anderen Methodenkoffer zu erhalten. Außerdem organisieren wir gerade einen Workshop für die Fachcommunitys unserer Forschungsgebiete.

Ist es schwer, aus unterschiedlichen Blickwinkeln gemeinsam auf ein Forschungsproblem zu schauen?

Hendrik Weber: Nein. In der Diskussion miteinander ist es viel einfacher, ein Problem zu lösen, als wenn man versucht, die Forschungsliteratur selber zu sichten. In den spezialisierten Teildisziplinen der Mathematik werden häufig Fachvokabeln eingeführt, die man nur für seinen Bereich versteht. Ich habe in der Literatur beispielsweise immer wieder von „Melonic“-Graphen gelesen und hatte keine Ahnung, was damit gemeint ist. Von Raimar habe ich gelernt, dass die Graphen so heißen, weil sie aussehen wie Melonen. Das ist nur ein Beispiel von vielen, das verdeutlicht, dass ein gegenseitiges Verständnis grundlegend ist, um die unterschiedlichen Teilgebiete durchblicken zu können. Das voneinander Lernen beschleunigt unseren Erkenntnisgewinn.

Was sind die Chancen und Risiken Ihrer Zusammenarbeit?

Raimar Wulkenhaar: Wenn wir bereits wüssten, wie alles funktioniert, dann bräuchten wir nicht zusammenzuarbeiten. Unser Arbeitsalltag als Wissenschaftler ist dadurch gekennzeichnet, dass wir nicht wissen, ob wir eine funktionierende Lösung finden werden. Die Unsicherheit ist ein ständiges Risiko, das uns begleitet. Die Chance liegt für uns darin, dass wir durch neue Perspektiven und die Erweiterung der bisher genutzten Methoden mathematische Probleme lösen können.

 

Über den Exzellenzcluster

Im Exzellenzcluster „Mathematik Münster: Dynamik – Geometrie – Struktur“ gehen rund 190 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mathematische Fragen von fundamentaler Bedeutung an – für wissenschaftlichen, wirtschaftlichen und technologischen Fortschritt. Der seit 2019 von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderte Forschungsverbund hat zum Ziel, mathematische Teildisziplinen zu verbinden und so neue Forschungsansätze zu entwickeln.

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