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Münster (upm/jh).
Was gefällt Ihnen besonders an der PharMSchool?© WWU - Julia Harth
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Vorreiter für eine innovative Ausbildung

Mit der „PharMSchool“ startete vor zehn Jahren ein Leuchtturmprojekt für fächerübergreifende Lehre

Können therapeutische Pflaster gegen Depressionen helfen? Wie wirkt sich der hohe Leistungsdruck im Pharmaziestudium auf die mentale Gesundheit aus? Bietet ein antibiotisches Gel Vorteile gegenüber Tabletten bei der Behandlung von Wunden? Antworten auf diese Fragen zu finden, ist nicht leicht und erfordert Kreativität, Forschergeist und interdisziplinäres Denken. Dennoch ist die Motivation der Pharmaziestudierenden der WWU groß: Dank der „PharMSchool“ können sie eigenständig ein wissenschaftliches Thema erforschen. „Mir gefällt besonders, dass wir ganz viel ausprobieren können“, sagt Charlotta Struncius, die sich mit sechs Kommilitoninnen mit der Volkskrankheit Depression beschäftigt.

Lotte Köhne, Antonio Valk und Philipp Roß (v. l.) arbeiten im Labor an der Herstellung eines antibiotikahaltigen Gels zur Therapie des diabetischen Fußes.<address>© WWU - Julia Harth</address>
Lotte Köhne, Antonio Valk und Philipp Roß (v. l.) arbeiten im Labor an der Herstellung eines antibiotikahaltigen Gels zur Therapie des diabetischen Fußes.
© WWU - Julia Harth
Vor genau zehn Jahren ging die PharMSchool an der WWU an den Start. Seitdem hat sie sich zu einem Leuchtturmprojekt für fächerübergreifende und vernetzende Lehre entwickelt. „Die PharMSchool stärkt die Neugier auf Wissen, fördert forschendes Lernen und vertieft die Vernetzung der pharmazeutischen Teildisziplinen Chemie, Biologie, Technologie, Pharmakologie und klinische Pharmazie“, erklärt Dr. Frauke Weber, die gemeinsam mit Dr. Stefan Esch als PharMSchool-Koordinatorin fungiert und von Beginn an dabei ist. Durch die Approbationsordnung für Apotheker liegt dem Pharmaziestudium in Deutschland eine feste Struktur zugrunde. Vor dem Start der PharMSchool belegten die Studierenden verpflichtende Veranstaltungen ohne große Bezugspunkte zwischen den einzelnen Teildisziplinen. „Die Vernetzung des Wissens rund um das Arzneimittel, der Blick über den Tellerrand, kam dadurch häufig zu kurz“, so Frauke Weber.

Das hat sich mit der PharMSchool grundlegend geändert. Zu Beginn des Hauptstudiums im fünften Semester finden sich die Studierenden in kleinen Gruppen zusammen und bekommen ein arzneimittelbezogenes Thema zugeteilt, mit dem sie sich bis zum achten Semester beschäftigen, beispielsweise während der Laborpraktika. Dabei sollen verschiedene Aspekte der pharmazeutischen Wissenschaft aus den unterschiedlichen Blickwinkeln der Teilbereiche beleuchtet und zusammengeführt werden.

Julia Schumacher, Charlotta Struncius, Ann-Kathrin Schlüter, Sara Nelles und Annika Leibelt (v. l.) werten die Daten ihrer Umfrage am PC aus.<address>© WWU - Julia Harth</address>
Julia Schumacher, Charlotta Struncius, Ann-Kathrin Schlüter, Sara Nelles und Annika Leibelt (v. l.) werten die Daten ihrer Umfrage am PC aus.
© WWU - Julia Harth
Beispiel Depressionen. Zunächst wälzten Charlotta Struncius und ihre Kommilitoninnen Literatur. Wie setzt sich das Antidepressivum Fluoxetin zusammen? Wie wirkt es? Im Labor entwickelte die Gruppe später ein transdermales Pflaster, welches seinen Wirkstoff kontinuierlich über die Haut abgibt und damit einen Vorteil gegenüber Tabletten bietet. „Ein ähnliches Pflaster ist bisher nur in den USA zugelassen“, erklärt Studentin Ann-Kathrin Schlüter. „Das hat uns viel Spielraum beim Experimentieren gegeben.“ Darüber hinaus wollte die Gruppe wissen, ob möglicherweise die hohe Arbeitsbelastung im Studium Depressionen begünstigen kann. „Wir haben einen Fragebogen erarbeitet und unter allen Pharmaziestudierenden in Deutschland verbreitet. Fast 1300 Antworten kamen zurück“, berichtet Studentin Sara Nelles – eine überaus gute Rücklaufquote, mit der kaum jemand gerechnet hatte. Während der nächsten Projektwoche im Januar möchte die Gruppe an der Auswertung arbeiten. Im kommenden Sommersemester werden sich die Studentinnen schließlich mit einer Fallanalyse beschäftigen und anhand realer Patientendaten die Wechselwirkungen verschiedener Medikamente untersuchen.

„Rückblickend ist die PharMSchool für Münster ein großer Gewinn“, schildert Stefan Esch. Neben fachlichen Kompetenzen stärke das Projekt wichtige „Soft Skills“ wie problemorientiertes Arbeiten, interdisziplinäres Denken, Eigeninitiative, Kommunikationsfähigkeit und Teamgeist. „Man bemerkt ein anderes Selbstbewusstsein, wenn zum Beispiel Referate gehalten werden. Die Studierenden identifizieren sich stärker mit ihren Ergebnissen, auch außerhalb der PharMSchool, und gehen Probleme anders an.“

PharMSchool-Koordinatoren: Dr. Frauke Weber und Dr. Stefan Esch<address>© Dr. Frank Petereit</address>
PharMSchool-Koordinatoren: Dr. Frauke Weber und Dr. Stefan Esch
© Dr. Frank Petereit
Den großen Freiraum, den ihnen die PharMSchool bietet, schätzen auch Philipp Roß und Antonio Valk, die im sechsten Semester studieren und Weichteil-Infektionen erforschen. „Es macht viel Spaß, wenn man in die Tiefe gehen kann“, findet Antonio Valk. Seine Gruppe hat sich während des Technologiepraktikums vorgenommen, eine moderne Arzneiform zur Behandlung des diabetischen Fußes zu entwickeln. „Wir versuchen, ein antibiotisches Gel als Alternative zu Tabletten herzustellen, um Infektionen am Fuß direkt an der Wunde selbst behandeln zu können“, erklärt Philipp Roß. Das sei eine bisher eher unübliche Methode, vor allem, weil sich die natürliche Hautbarriere nur schwer überwinden ließe. Deswegen sei Kreativität gefragt.

Allen PharMSchool-Projekten gemein ist, dass sie am Ende des achten Semesters bei einem Symposium der breiten Fachöffentlichkeit präsentiert werden. Während der gesamten PharMSchool-Zeit stehen den Studierenden Mentoren aus der Gruppe der Hochschullehrenden zur Seite. Und obwohl einstige Fördermittel inzwischen ausgelaufen sind, stehen die fünf pharmazeutischen Institute der WWU weiterhin hinter der PharMSchool, die bereits mit dem Lehrpreis des Rektorats sowie zahlreichen weiteren Förderungen honoriert wurde. Während der Coronapandemie haben neue Lehrmethoden und digitale Werkzeuge Einzug in die PharMSchool gehalten, die allen Beteiligten noch mehr Flexibilität und Möglichkeiten bieten. „Wir wollten weg vom ‚Lernen für Schubladen‘“, sagt Frauke Weber. „Studierende und Lehrende können stolz auf das Ergebnis sein.“

Autorin: Julia Harth

Dieser Artikel stammt aus der Unizeitung wissen|leben Nr. 8, 21. Dezember 2022.

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