|
Münster (upm/kk).
Das Team um Prof. Dr. Norbert Hölzel führte für mehrere Wochen in der Hungersteppe in Zentralkasachstan eine umfangreiche Feldstudie zum Einfluss der Beweidung auf Ökosystemleistungen durch.© AG Hölzel
Fotos

Biologische Vielfalt in Trockengebieten kann den Klimawandel abschwächen

Internationales Team erforscht Folgen der Beweidung in Trockengebieten / Veröffentlichung in „Science“

Die Beweidung ist eine Landnutzungsform, die den Lebensunterhalt von Milliarden Menschen sichert. Besonders wichtig ist sie in Trockengebieten, die etwa 41 Prozent der Landoberfläche der Erde bedecken. Dort leben einer von drei Menschen und über 50 Prozent des weltweiten Viehbestands. Trotz der Bedeutung der Beweidung für Menschen und Ökosysteme gibt es bislang keine Studie, die die Auswirkungen der Beweidung auf die Ökosystemleistungen auf globaler Ebene anhand von Felddaten beschreibt. Ökosystemleistungen sind „Dienstleistungen“ der Natur an den Menschen, die sie durch die Lebensräume und Lebewesen bezieht wie etwa die Bereitstellung von Wasser und Nahrung oder die Regulierung des Klimas und der Bestäubung. Ein internationales Team von mehr als 100 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern unter der Leitung von Dr. Fernando T. Maestre von der Universität Alicante (Spanien) fand jetzt in einer Studie an 326 Standorten in 25 Ländern auf sechs Kontinenten heraus, dass sich die Beweidung positiv auf die Ökosystemleistungen auswirken kann, insbesondere in artenreichen Weidegebieten. Teil des Konsortiums war die Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Norbert Hölzel vom Institut für Landschaftsökologie der Westfälischen Wilhelms-Universität (WWU) Münster, die im Mai 2017 eine Expedition in die Hungersteppe (Betpak Dala) unternahm, einer steppenartigen Halbwüste in Zentralkasachstan. Die Wissenschaftler wiesen ebenfalls nach, dass die Beweidung bei einem wärmeren Klima negative Effekte auf Trockengebiete hat. Die Ergebnisse sind jetzt in der Fachzeitschrift Science erschienen.

Das Team von Norbert Hölzel erhob entlang einer Nord-Süd-Strecke, die über 350 Kilometer von der Trockensteppe bis in die Wüste reichte, an neun Standorten Daten zum Einfluss der Beweidung auf Biodiversität und Ökosystemleistungen. Aus den oft nur schwer zugänglichen Trockengebieten Zentralasiens lagen bislang kaum Informationen zu diesem Thema vor. Zentrale Ergebnisse: Die Auswirkungen des zunehmenden Weidedrucks veränderten sich von überwiegend positiv in kälteren Trockengebieten mit geringeren Niederschlägen und höherem Pflanzenartenreichtum hin zu negativ in heißeren Trockengebieten mit geringerer Pflanzenvielfalt und höheren Niederschlägen. Die Autoren stellten außerdem fest, dass die Diversität von Gefäßpflanzen und großen Weidetieren positiv mit der Erbringung wesentlicher Ökosystemleistungen wie der Kohlenstoffspeicherung zusammenhängt, die eine grundlegende Rolle bei der Klimaregulierung spielt. „Die Ergebnisse machen deutlich, wie wichtig es ist, die biologische Vielfalt der globalen Trockengebiete in ihrer Gesamtheit zu erhalten. Nicht nur um deren Fähigkeit zu bewahren, wichtige Dienstleistungen für den Menschen zu erbringen, sondern auch um den Klimawandel abzuschwächen", erklärt Norbert Hölzel. „Entscheidend dabei ist, wie diese Regionen jetzt und in Zukunft bewirtschaftet werden.“

Die Experten nutzten einheitliche Protokolle, um die Auswirkungen zu bewerten, die die zunehmende Belastung der Flächen durch Weidetiere, also der Weidedruck, auf die Fähigkeit von Trockengebieten hat, wesentliche Ökosystemleistungen wie Futterproduktion und Kohlestoffspeicherung zu erbringen. Für die Datenaufnahme und -weiterverarbeitung war vor allem Dr. Frederike Velbert verantwortlich.

Standbild aus dem Erklärvideo „Grazing and ecosystem service delivery in global drylands“<address>© University of Alicante - Cirenia Sketches</address>
Standbild aus dem Erklärvideo „Grazing and ecosystem service delivery in global drylands“
© University of Alicante - Cirenia Sketches
Die Ergebnisse dieser Studie sind von Bedeutung für eine nachhaltigere Weidewirtschaft in Trockengebieten sowie für die Festlegung wirksamer Bewirtschaftungs- und Wiederherstellungsmaßnahmen, die darauf abzielen, die Auswirkungen des fortschreitenden Klimawandels und der Wüstenbildung in den Trockengebieten abzumildern. „Auch in den von uns untersuchten Gebieten Zentralkasachstan ist lokal wieder eine massive Zunahme des Weidedrucks zu verzeichnen. Um ökologische Schäden zu vermeiden, sind nachhaltige Nutzungskonzepte dringend von Nöten“, unterstreicht Norbert Hölzel.

Finanzierung

Die Studie wurde im Rahmen des BIODESERT-Projekts durchgeführt, finanziert durch einen ERC Consolidator Grant an Fernando T. Maestre.

Veröffentlichung

Maestre, F.T. et al. “Grazing and ecosystem service delivery in global drylands”. Science (2022), doi: 10.1126/science.abq4062

Links zu dieser Meldung