Batteriezellen lieben es trocken
Zwei Stunden am Stück; viel länger dürfen sich die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des MEET Batterieforschungszentrums im Trockenraum nicht aufhalten. Denn das spezielle Raumklima in dem Labor kann unter Umständen zu gesundheitsschädlichem Wasserentzug führen. Die Batteriezellen, die hier produziert werden, dürfte das weniger stören – im Gegenteil: Bei der Herstellung leistungsstarker Lithium-Ionen-Batterien für Elektroantriebe zählt ein konstant trockenes Raumklima zu den Grundvoraussetzungen. Denn die energiereichen und empfindlichen Materialien müssen vor Staubpartikeln und vor allem vor Luftfeuchtigkeit geschützt werden.
Die relative Feuchte in einem normalen Zimmer beträgt zwischen 40 und 60 Prozent. In dem rund 100 Quadratmeter großen MEET-Trockenraum sind es weniger als 0,04 Prozent bei konstanten 20 Grad und einem gleichverteilten Taupunkt von minus 65 Grad – als Taupunkt wird der Temperaturwert bezeichnet, ab dem die Kondensation der Luftfeuchte beginnt. Damit es trockener als in der Wüste ist, kommt allerlei Technik zum Einsatz. In einem aufwändigen Verfahren wird die Luft über ein Silicagel-Trockenrad entfeuchtet und mit einem Taupunkt von minus 95 Grad Celsius wieder in den Raum eingebracht. Dabei werden der Raumluft pro Stunde etwa 14 Liter Wasser entzogen.
Von der Technik ist im Trockenraum jedoch nicht viel zu sehen. Über dem Labor befindet sich eine zusätzliche Etage mit einer großen Lüftungs- und Entfeuchtungsanlage. Eine Kälteanlage auf dem Dach komplettiert das System. In mehreren Schritten wird dort Luftfeuchtigkeit der Raumluft entzogen – übrig bleibt trockene Luft. Die wird mittels großer Rohre in den Trockenraum zurückgeleitet. „Wenn man den Trockenraum wieder verlässt, fühlt es sich erst so an, als stünde man im Regenwald. Vor allem im Sommer, wenn die Temperaturunterschiede hoch sind“, sagt Andrea Jansen, die als technische Mitarbeiterin täglich mehrere Stunden – inklusive Pausen – im Trockenraum verbringt.
Gelegen am naturwissenschaftlichen Campus zwischen Coesfelder Kreuz und den Anlagen des Hochschulsports, umfasst das MEET auf drei Etagen eine Brutto-Grundfläche von 4.500 Quadratmetern. Das entspricht einer Nutzfläche von rund 2.500 Quadratmetern, auf denen seit 2011 geforscht und experimentiert, gelehrt und gelernt wird. Der Trockenraum ist dabei eins von mehreren hochmodernen Laboren. Weitere Besonderheiten im MEET sind die Instrumente zur Analyse von Elektrolyten sowie Aktiv- und Nichtaktivmaterialien, Geräte für optische und spektroskopische Verfahren sowie Einrichtungen zur Partikel- und thermischen Analytik. Darüber hinaus gibt es Laboreinrichtungen zur Polymer-, Elektrolyt- und Partikelsynthese mit Syntheseöfen, die Temperaturen von bis zu 3.000 Grad Celsius liefern.
Die Batteriezellen werden im MEET nicht für die Endanwendung produziert. „Wir wollen verstehen, wie eine Batteriezelle optimal funktioniert und welche Faktoren für ein langes ‚Leben‘ der Batterie verantwortlich sind“, betont Prof. Dr. Martin Winter, wissenschaftlicher Leiter des MEET Batterieforschungszentrums an der WWU und Direktor des Helmholtz-Instituts Münster, einer Einrichtung des Forschungszentrums Jülich. Zu Forschungszwecken erstellen die Wissenschaftler und Techniker bis zu 200 Batteriezellen pro Woche. „Um herauszufinden, was gut und was weniger gut für eine Batterie ist, arbeiten wir im Fertigungsprozess an der Verfahrensoptimierung zur Stapelung der Zellkomponenten, der Abdichtung der Zellkörper sowie der präziseren Elektrolyt-Befüllung“, erklärt Jonathan Dylong, der bereits seit vier Jahren als Labortechniker im MEET tätig ist. So können die Wissenschaftler die Kompatibilität und Wechselwirkungen zwischen den unterschiedlichen Materialien in der Batteriezelle überprüfen.
Die Forschungserkenntnisse sind für viele Anwendungsbereiche essenziell, denn ohne Lithium-Ionen-Batterien wäre ein Erfolg der Elektromobilität und tragbarer elektronischer Geräte – beispielsweise Mobiltelefone und Laptops – nicht denkbar. „Das Element Lithium ist ein Glücksfall in der Chemie. Wenn es nicht natürlich vorkäme, müsste man es aufgrund seiner hervorragenden Eigenschaften glatt erfinden“, sagt Martin Winter. „Kein anderer Batterietyp ist so vielfältig wie die Lithium-Ionen-Batterie.“ Denn Lithium gehört zu den leichtesten Metallen. Verbindungen, die Lithium enthalten und in Lithium-Ionen-Batterien zum Einsatz kommen, generieren eine extrem hohe Zellspannung. Darüber hinaus bildet Lithium als Metall und in seinen Verbindungen einzigartige Deckschichten aus, die für die Sicherheit und lange Leistungsdauer sehr wichtig sind.
Die Lithium-Metall-Batterie war bereits in den 1950er bis 80er Jahren en vogue, stand allerdings nur für sogenannte primäre Einmal-Anwendungen kommerziell zur Verfügung. Die Wissenschaftler wollen erforschen, wie man diese Batteriealternative basierend auf metallischem Lithium aufladbar machen und zukünftig kommerzialisieren kann. „Wir forschen im Bereich der Material- und Elektrochemie am Puls der Zeit, um sichere Energiespeicherlösungen zu entwickeln“, ordnet Martin Winter diese Entwicklungen ein. „Das Besondere am Standort Münster ist, dass wir uns mit vielen Kolleginnen und Kollegen anderer Fachdisziplinen austauschen können, beispielweise aus den Wirtschaftswissenschaften oder der Physik und Biologie.“
Autorin: Kathrin Kottke
Dieser Artikel stammt aus der Unizeitung wissen|leben Nr. 7, 10. November 2021.