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Münster (upm/kn)
Für eine nachhaltigere Landwirtschaft durch Bäume und Gehölze auf Ackerflächen: Die Landschaftsökologie-Studierenden Julia Binder und Thomas Middelanis initiierten das Forschungsprojekt „Monitoring moderner Agroforst-Ökosysteme“.<address>© Binder/Middelanis</address>
Für eine nachhaltigere Landwirtschaft durch Bäume und Gehölze auf Ackerflächen: Die Landschaftsökologie-Studierenden Julia Binder und Thomas Middelanis initiierten das Forschungsprojekt „Monitoring moderner Agroforst-Ökosysteme“.
© Binder/Middelanis

Nachhaltige Begegnungen schaffen

Studierende wollen mit der Erforschung von Agroforst-Systemen die Landwirtschaft umweltfreundlicher gestalten

Die Landwirtschaft hat große Auswirkungen auf Umwelt, Natur, Böden und Biodiversität. Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft veröffentlichte im Jahr 2018, dass in Deutschland mehr als 50 Prozent der Landfläche landwirtschaftlich genutzt wird. Bereits heute sind die von den ökologischen Wissenschaften vorhergesagten biologischen, ökonomischen und sozialen Folgen sichtbar. Die Landschaftsökologie-Studierenden Julia Binder und Thomas Middelanis wollen mit dem von ihnen initiierten Forschungsprojekt „Begegnungspunkte von Landwirtschaft, Zivilgesellschaft und Wissenschaft. Monitoring moderner Agroforst-Ökosysteme“ landwirtschaftliche Flächen durch die „Agroforstwirtschaft“ nachhaltiger gestalten. Mit dem Anbau von Gehölzen sollen Synergien zwischen der ackerbaulichen Nutzung und der integrierten Gehölzbepflanzung herstellt und gleichzeitig Naturschutz-Belange berücksichtigt werden. Ziel ist es, ein Kooperationsnetzwerk zwischen Wissenschaft und lokalen Interessensgemeinschaften in mehreren Kreisen in Deutschland aufzubauen, in denen Landwirte Teile ihrer Flächen zu Agroforst-Systemen umgewandelt haben.

„Wir vermeiden praxisferne Methoden und Versuchsdesigns und setzen auf eine umfangreiche Datenaufnahme durch die Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern“, erklärt Thomas Middelanis. „Bürgerwissenschaft – auch Citizen Science genannt – spielt eine große Rolle für uns. Wir möchten die Menschen in Kontakt mit der Natur und Landwirtschaft bringen“, ergänzt Julia Binder. Die beiden 24-jährigen Master-Studierenden gewannen schnell weitere Mitstreiter für ihr Vorhaben. Mittlerweile besteht die interdisziplinäre Forschungsgruppe aus 16 Studierenden der WWU, der Universität Bonn und der Hochschule Rhein-Waal in Kleve - und das, obwohl der offizielle Projekt-Startschuss erst im Februar 2021 fiel. „Unsere Begeisterung ist sehr groß. Wir rufen uns zu jeder Tages- und Nachtzeit an, weil wir ständig neue Ideen haben“, schildert Thomas Middelanis.

Mit dem Sieg beim „WWU-Citizen-Science-Wettbewerb“ 2020 und der damit verbundenen Unterstützung von 7.500 Euro legten Julia Binder und Thomas Middelanis den finanziellen Grundstein für die kommenden zwei Jahre. Prof. Dr. Tillmann Buttschardt vom Institut für Landschaftsökologie der WWU begleitet neben weiteren Experten von den Universitäten Gießen, Göttingen und Bonn sowie von der HSRW Kleve das Projekt mit seiner wissenschaftlichen Expertise.

„Die Initiative ist ein gutes Beispiel dafür, dass forschendes Lernen in der Universitätslehre gelingt“, betont Tillmann Buttschardt. „Agroforst-Systeme sind unter Landwirten außerhalb einer kleinen Gruppe derzeit kein Gesprächsthema. Sie werden zukünftig aber allein wegen der notwendigen Anpassung an den Klimawandel an Bedeutung gewinnen.“

Der Anbau und die Nutzung von Gehölzen auf landwirtschaftlichen Flächen haben in Europa eine lange Tradition. Beispiele hierfür sind Streuobstwiesen in Deutschland oder die Korkeichen- und Olivenhaine im Mediterranraum. In den vergangenen Jahrzehnten ging die Landnutzungsform jedoch zurück. Der Grund dafür war die Mechanisierung und Industrialisierung der Landwirtschaft seit dem 20. Jahrhundert. Angesichts der spürbaren Dürreperioden, des voranschreitenden Verlustes der biologischen Artenvielfalt und der notwendigen Speicherung von Kohlendioxid (CO2) erfährt die Agroforstwirtschaft einen neuen Aufschwung.

An diese Entwicklung knüpft das Projekt an. Die erste Phase schafft die Grundlagen für die zukünftige Forschung: Die Studierenden bereiten in diesem Sommersemester im Master-Modul „Landschaftsnutzung und -management“ einen Methodenkatalog und Geländekampagnen vor, um die schnell wachsenden Baum- und Gehölzstreifen auf den Ackerflächen und deren nachhaltigen Nutzen anhand von relevanten Parametern zu untersuchen. Anschließend sollen voraussichtlich im August Workshops und Infoveranstaltungen für Interessierte sowie Naturschutzgruppen und Schulklassen auf den sechs teilnehmenden Höfen stattfinden. Die kooperierenden Betriebe befinden sich im Tecklenburger Land, in Lüneburg, im Barkauer Land in Schleswig-Holstein, an der Ostsee, in Vorpommern und in der Altmark in Sachsen-Anhalt.

Auf der Forschungsreise wollen die Studierenden Lokalgruppen gründen, die die Daten vor Ort erfassen. Nach einer Evaluation der ersten Ergebnisse und der gegebenenfalls notwendigen Anpassung des Methodenkatalogs erfolgt in der zweiten Projektphase ab dem Frühjahr 2022 die Datenerhebung an den sechs Standorten. Die Auswertung und Präsentation der Daten übernehmen Studierende des Instituts für Landschaftsökologie der WWU.

Das lokale Kooperationsnetzwerk ist ein langfristig angelegtes Vorhaben, das anhand partizipativ erarbeiteter Kriterien Veränderungen in den Agroforstsystemen beobachtet und zusammenträgt. Angedacht ist außerdem der Aufbau einer frei zugänglichen Datenbank. „Wir verstehen den landwirtschaftlichen Wissensaustausch als zentralen Weg zur nachhaltigen Gestaltung unserer Kulturlandschaft“, erläutert Julia Binder.

Autorin: Kathrin Nolte

Dieser Artikel stammt aus der Unizeitung „wissen|leben“ Nr. 3, 19. Mai 2021.

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